Der Anfang vom Ende, Kommentar zur Bank of Japan von Martin Fritz
Frankfurt (ots) – Noch einmal ist es Haruhiko Kuroda gelungen, die Märkte
durchzuschütteln. Vor zehn Jahren feuerte der Gouverneur der Bank of Japan seine
“Bazooka” von gewaltigen Anleihekäufen ab, später führte er ebenso unerwartet
einen Negativzins und eine Steuerung der Renditekurve ein. Nun schockte der
78-Jährige mit einer Verdoppelung der oberen Grenze für die Rendite von
Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren. Diese scheinbar geringe
Anpassung könnte der Anfang vom Ende der ultralockeren Geldpolitik in Japan
gewesen sein. Kuroda dementierte diese Interpretation und führte technische
Gründe an. Die höhere Bandbreite solle die Kontrolle der Renditekurve
nachhaltiger machen und nicht eine Zinserhöhung einleiten.
Doch der japanische Notenbankchef hätte ehrlicher sein müssen. Seine unorthodoxe
Geldpolitik bedarf dringend einer Normalisierung, weil ihre Kosten und
Nebenwirkungen in einem weltweiten Umfeld von steigenden Zinsen untragbar für
Japan geworden sind. Das Beharren der Bank of Japan auf einem Nullzins
vergrößerte den Renditeabstand zu US-Staatsanleihen und drückte den Yen auf ein
effektives 50-Jahres-Tief.
Die unterbewertete Währung verteuert die japanischen Importe vonBrennstoffen,
Nahrungsmitteln und Zulieferteilen und treibt japanisches Anlagekapital ins
Ausland. Die Regierung musste mit massiven Subventionen der Energiepreise auf
Pump gegenhalten und am Devisenmarkt intervenieren. Gleichzeitig konnte die
Zentralbank die zehnjährige Rendite nur noch durch unlimitierte Kaufangebote in
Schach halten. Seit Kurzem hält sie erstmals die Hälfte aller langfristigen
staatlichen Schuldtitel. Kurodas Strategie ist eindeutig an ihre Grenzen
gestoßen.
Die Heftigkeit der Bewegungen an den Aktien-, Anleihe- und Währungsmärkten
beweist, welch starke Spannungen sich durch seine gegenläufige Geldpolitik
aufgebaut haben. Gleichzeitig liefern diese Kursausschläge einen Vorgeschmack
auf die Turbulenzen, die Japan im Falle von Zinserhöhungen drohen. Darauf ist
die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt nicht vorbereitet. Im Gegenteil: Japan
ist süchtig nach billigem Geld.
Der Staat stopft damit seit Jahr und Tag sein gewaltiges Haushaltsdefizit –
wegen der alternden und schrumpfenden Bevölkerung ohne Aussicht auf Besserung.
Und viele Bürger können sich nur dank variabler Hypothekenkredite zu
Niedrigraten den Wohnungs- oder Hauskauf leisten.
Deswegen ist es keineswegs ausgemacht, dass nach dem Stabwechsel an der Spitze
der Notenbank im nächsten Frühjahr tatsächlich eine Zinserhöhung auf die
Tagesordnung rückt. Eine Überprüfung der Geldpolitik könnte auch zu dem Schluss
kommen, nur geringfügige Anpassungen vorzunehmen, um das Kind nicht mit dem Bade
auszuschütten, zumal der Zinszyklus im Ausland dann seinen Höhepunkt
überschritten haben dürfte.
Immerhin war es fair von Kuroda, die Korrekturen seiner Politik nicht komplett
seinem Nachfolger zu überlassen. Die jetzige Anpassung dürfte dessen Start
erleichtern. Eines ist jedenfalls sicher: Bis zu seiner Pensionierung Ende März
war es sicher das letzte Mal, dass Meister Kuroda die Finanzmärkte auf dem
falschen Fuß erwischen konnte.
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