Nov 30, 2022
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OTS: Börsen-Zeitung / Kluge Charmeoffensive, Kommentar zum …

Written by pinmin


Kluge Charmeoffensive, Kommentar zum Einwanderungsgesetz von Anna

Steiner

Frankfurt (ots) – Dass die Bundesregierung Deutschland angesichts des sich zum

Arbeitskräftemangel auswachsenden Fachkräfteengpasses als Einwanderungsland

attraktiver machen will, ist ein richtiger Schritt. Die Maßnahmen, die die

Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes vorsieht, sind klug, setzen sie doch

dort an, wo Unternehmen derzeit die größten Probleme beklagen: an der

Bürokratie.

Wo die langsamen Mühlen der Behörden die Zuwanderung in den Jobmarkt bislang

erschwerten, soll künftig vieles einfacher werden. Die Anerkennung von Berufs-

und Studienabschlüssen etwa kann nach der Einreise erfolgen. Auch soll der

Ausbildungs- und Arbeitsmarkt für junge Menschen in der Lehre oder im Studium

geöffnet werden. Junge Menschen, die Deutschland angesichts seiner überalterten

Bevölkerung dringend braucht, um seinen Wohlstand zu wahren.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach am Mittwoch von einer

“Ertüchtigung der Unternehmen”. Normalzustand sollte ihm zufolge sein, dass

deutsche Arbeitgeber und Personaler überall – und damit auch im Ausland – nach

geeignetem Personal suchen und dieses dann auch nach Deutschland holen können.

Und das, ohne an der Bürokratie zu verzweifeln, wie es derzeit häufig der Fall

wäre.

Richtig ist auch, dass die vier beteiligten Ministerien betonten, “alle

Register” ziehen zu wollen, um das vorhandene Arbeitskräftepotenzial im Inland

zu heben. Ob das Bürgergeld wie von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angeregt

dazu einen entscheidenden Beitrag leisten kann, bleibt dahingestellt. Über

Weiterbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen und flexiblere Arbeitszeiten sollen

gerade Frauen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Viele von ihnen, die

in der Teilzeit stecken, würden gerne mehr arbeiten. Das kann jedoch nur

gelingen, wenn die Rahmenbedingungen – allen voran eine umfassend gewährleistete

Kinderbetreuung – stimmen.

Gelingen kann die Reform des Einwanderungsrechts außerdem nur dann, wenn sich

die Mentalität an die ökonomische Realität anpasst. “Wir brauchen einen anderen

Geist”, sagte Heil bei der Vorstellung des Papiers. “Es geht nicht um Abwehr,

sondern um Einladung.” Die mäßigen Erfahrungen aus der großen Flüchtlingswelle

von 2015 dürften den Minister ebenso zu dieser Aussage verleitet haben wie die

jüngsten – mindestens fragwürdigen – Äußerungen aus der politischen Opposition.

Friedrich Merz sprach von der Gefahr der Einwanderung in die Sozialsysteme und

einer “Entwertung des deutschen Passes”. Dabei dürfte auch dem

CDU-Fraktionsvorsitzenden klar sein, dass die deutsche Wirtschaft aufgrund des

demografischen Wandels auf Zuwanderung angewiesen ist. Ebenso dürfte ihm bewusst

sein, dass sich der Wert eines Passes nicht daran bemisst, wie schwierig es ist,

ihn zu bekommen. Sondern daran, was das Land, das ihn ausstellt, zu bieten hat.

Das dürfte letztlich der Punkt sein, der darüber entscheidet, ob die Zuwanderung

eine Lösung für den Fachkräftemangel sein kann. Denn um es in Anlehnung an Max

Frisch zu sagen: Es kommen nicht nur Arbeiter, es kommen Menschen. Und sie

wollen in Deutschland nicht nur arbeiten, sondern auch leben.

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