Kluge Charmeoffensive, Kommentar zum Einwanderungsgesetz von Anna
Steiner
Frankfurt (ots) – Dass die Bundesregierung Deutschland angesichts des sich zum
Arbeitskräftemangel auswachsenden Fachkräfteengpasses als Einwanderungsland
attraktiver machen will, ist ein richtiger Schritt. Die Maßnahmen, die die
Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes vorsieht, sind klug, setzen sie doch
dort an, wo Unternehmen derzeit die größten Probleme beklagen: an der
Bürokratie.
Wo die langsamen Mühlen der Behörden die Zuwanderung in den Jobmarkt bislang
erschwerten, soll künftig vieles einfacher werden. Die Anerkennung von Berufs-
und Studienabschlüssen etwa kann nach der Einreise erfolgen. Auch soll der
Ausbildungs- und Arbeitsmarkt für junge Menschen in der Lehre oder im Studium
geöffnet werden. Junge Menschen, die Deutschland angesichts seiner überalterten
Bevölkerung dringend braucht, um seinen Wohlstand zu wahren.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach am Mittwoch von einer
“Ertüchtigung der Unternehmen”. Normalzustand sollte ihm zufolge sein, dass
deutsche Arbeitgeber und Personaler überall – und damit auch im Ausland – nach
geeignetem Personal suchen und dieses dann auch nach Deutschland holen können.
Und das, ohne an der Bürokratie zu verzweifeln, wie es derzeit häufig der Fall
wäre.
Richtig ist auch, dass die vier beteiligten Ministerien betonten, “alle
Register” ziehen zu wollen, um das vorhandene Arbeitskräftepotenzial im Inland
zu heben. Ob das Bürgergeld wie von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angeregt
dazu einen entscheidenden Beitrag leisten kann, bleibt dahingestellt. Über
Weiterbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen und flexiblere Arbeitszeiten sollen
gerade Frauen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Viele von ihnen, die
in der Teilzeit stecken, würden gerne mehr arbeiten. Das kann jedoch nur
gelingen, wenn die Rahmenbedingungen – allen voran eine umfassend gewährleistete
Kinderbetreuung – stimmen.
Gelingen kann die Reform des Einwanderungsrechts außerdem nur dann, wenn sich
die Mentalität an die ökonomische Realität anpasst. “Wir brauchen einen anderen
Geist”, sagte Heil bei der Vorstellung des Papiers. “Es geht nicht um Abwehr,
sondern um Einladung.” Die mäßigen Erfahrungen aus der großen Flüchtlingswelle
von 2015 dürften den Minister ebenso zu dieser Aussage verleitet haben wie die
jüngsten – mindestens fragwürdigen – Äußerungen aus der politischen Opposition.
Friedrich Merz sprach von der Gefahr der Einwanderung in die Sozialsysteme und
einer “Entwertung des deutschen Passes”. Dabei dürfte auch dem
CDU-Fraktionsvorsitzenden klar sein, dass die deutsche Wirtschaft aufgrund des
demografischen Wandels auf Zuwanderung angewiesen ist. Ebenso dürfte ihm bewusst
sein, dass sich der Wert eines Passes nicht daran bemisst, wie schwierig es ist,
ihn zu bekommen. Sondern daran, was das Land, das ihn ausstellt, zu bieten hat.
Das dürfte letztlich der Punkt sein, der darüber entscheidet, ob die Zuwanderung
eine Lösung für den Fachkräftemangel sein kann. Denn um es in Anlehnung an Max
Frisch zu sagen: Es kommen nicht nur Arbeiter, es kommen Menschen. Und sie
wollen in Deutschland nicht nur arbeiten, sondern auch leben.
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