Bayerische Volks- und Raiffeisenbanken mit solidem Wachstum in
schwierigem Umfeld / Kreditvergabe und Einlagen steigen – Aber hohe
buchhalterische Abschreibungen auf Wertpapieren
München (ots) – In einem herausfordernden Umfeld haben die Volksbanken und
Raiffeisenbanken in Bayern ihr operatives Ergebnis im Jahr 2022 erneut steigern
können. “Bei ausgereichten Krediten, Kundeneinlagen und Bilanzsumme konnten die
genossenschaftlichen Institute im Freistaat erneut zulegen”, fasste Gregor
Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), die Bilanzzahlen
der Bankengruppe am Freitag in München zusammen. Lediglich Abschreibungen im
Wertpapiergeschäft drücken auf das Ergebnis. “Die Banken haben in einem
anspruchsvollen Umfeld solide gewirtschaftet bei gleichzeitig nur moderaten
Kostensteigerungen. Volksbanken und Raiffeisenbanken leisten damit einen nicht
zu unterschätzenden stabilisierenden Beitrag zur Finanzierung von Mittelstand,
Handwerk und Privatpersonen”, sagte Scheller.
Das operative Ergebnis kletterte auf 1,8 Milliarden Euro, dies entspricht 0,88
Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme. Zu dem Plus trugen insbesondere der
um 9,5 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro gestiegene Zinsüberschuss sowie der
leicht um 2,1 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro gestiegene Provisionsüberschuss
bei.
Belastet wird das positive Ergebnis allerdings von zinsanstiegsbedingten
Abschreibungen auf Wertpapiere. Hier mussten die Institute angesichts der im
vergangenen Jahr gesunkenen Kurse Wertberichtigungen in Höhe von 1,6 Milliarden
Euro vornehmen. “Bei den Abschreibungen handelt es sich aber um rein
buchhalterische Werte”, stellte Scheller klar, bedingt durch eine
Stichtagsbetrachtung bei der Bewertung von Wertpapieren. Da es sich bei einem
Großteil der Wertpapiere um Anleihen handelt, erhalten die Banken die
Anlagesumme bei Fälligkeit zum Nennwert plus vereinbarter Zinszahlung zurück.
Der Jahresüberschuss sinkt damit leicht von 410 Millionen Euro auf 391 Millionen
Euro im Jahr 2022.
Starke Kreditvergabe
Bei der Kreditvergabe legten die Volks- und Raiffeisenbanken um 7,8 Prozent,
beziehungsweise knapp zehn Milliarden Euro auf einen Bestand von nun 136,8
Milliarden Euro zu. Kredite an Firmenkunden stiegen um 5,5 Milliarden Euro (plus
8,2 Prozent) auf 72,8 Milliarden Euro. Kredite an Privatkunden machen 60,4
Milliarden Euro aus, ein Plus von 4,1 Milliarden Euro (plus 7,3 Prozent). Die
Einlagen wuchsen um 6,4 Milliarden Euro auf nun 157,9 Milliarden Euro – ein Plus
um 4,2 Prozent. Firmenkunden legten im vergangenen Jahr 44,4 Milliarden Euro bei
bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken an. Das entspricht einem Zuwachs um 6,6
Prozent, beziehungsweise 2,7 Milliarden Euro. 102 Milliarden Euro entfielen auf
Einlagen von Privatkunden – 2,9 Milliarden Euro (plus 3 Prozent) mehr als vor
einem Jahr. Die Bilanzsumme der Institute stieg um 3,9 Prozent auf jetzt 208,9
Milliarden Euro (plus 7,9 Milliarden Euro).
Solide und zuverlässige Finanzpartner in der Region
“Die positive Entwicklung ist ein erneuter Vertrauensbeweis der Kundinnen und
Kunden in die Volks- und Raiffeisenbanken”, folgerte Scheller. “Vor dem
Hintergrund hoher Inflation, den Verunsicherungen im Zuge des Ukraine-Kriegs und
schwieriger Prognosen bleiben die Volks- und Raiffeisenbanken zuverlässige und
solide Finanzierungspartner der Menschen und Unternehmen in der Region. Ein
anspruchsvolles Jahr, das für die Institute mehr an Herausforderungen
bereitgehalten hat als so mancher bankenregulatorische Stresstest, haben die
Volks- und Raiffeisenbanken überzeugend gemeistert”, lobte er.
Das private Wohnbaukreditgeschäft entwickelte sich erneut stark mit einem Plus
von 8,3 Prozent auf 55 Milliarden Euro. Allerdings zeichnet sich für das
laufende Jahr ein deutlicher Rückgang ab. Viele Häuslebauer haben ihr Vorhaben
verschoben oder abgesagt, weil sich durch den Gleichlauf hoher Zinsen und hoher
Baupreise verbunden mit gestiegenen Energiekosten und weiteren Unsicherheiten
die Finanzierungsvoraussetzungen geändert haben. “Der Markt muss sich nun wieder
einpendeln”, sagte Scheller. Die sich abzeichnende allgemeine konjunkturelle
Aufhellung und das Ausbleiben einer befürchteten Rezession könnten dazu einen
wichtigen Beitrag leisten.
Zudem diversifizieren die Banken ihr Kreditportfolio. Schon heute macht der
Bereich IT und Datenverarbeitung die zweitstärkste Gruppe bei der
Darlehensvergabe aus, mit einem Kreditbestand in Höhe von 7,6 Milliarden Euro,
eine Steigerung um fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Steuerliche Erleichterungen für den Wohnungsbau
Um dem Wohnungsbau neuen Schwung zu verleihen, ist nach Ansicht des GVB auch die
Politik gefordert. Derzeit sei es auch für Menschen mit mittlerem Einkommen kaum
noch möglich, sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen.
“Steuerliche Erleichterungen wären ein hilfreiches Instrument”, mahnte Scheller.
So ließe sich die Grunderwerbsteuer beim Kauf einer Immobilie senken. Auch
Abschreibungen, wie es sie früher bereits gegeben hatte, könnten einen Beitrag
leisten. “Bei einer Kreditsumme von 400.000 Euro wären fünf Prozent Abschreibung
eine enorme Entlastung”, führte Scheller als Beispiel an. Zudem regte er an,
wieder verstärkt über alternative Wohnprojekte wie Mehrgenerationenhäuser
nachzudenken, bei denen Großeltern, Eltern, Kinder und Enkel vorhandenen
Wohnraum besser nutzen.
Notwendig sei es überdies, die Kreditvergabe nicht durch überzogene
regulatorische Vorgaben künstlich einzuschränken. Mit der Entscheidung der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin), den sektoralen Kapitalpuffer
in Höhe von zwei Prozent für Wohnimmobilienfinanzierung anzuordnen, müssen
Banken zusätzliches Eigenkapital zur Risikovorsorge bilden, welches dann bei der
Kreditvergabe fehlt. “Die Risiken haben sich aber nicht erhöht”, stellte
Scheller klar. “Die Banken prüfen ihre Kreditbücher fortlaufend auf Risiken.
Eine Veränderung der Risikolage lässt sich nicht erkennen”, betonte der
GVB-Präsident. Die NPL-Quote (notleidende Kredite) ist zwischen 2020 und 2022
rückläufig und steht aktuell bei 1,02 Prozent.
Finanzierungen scheiterten derzeit nicht an mangelnden Sicherheiten, sondern an
gestiegenen Preisen, die die Finanzierung von vorneherein erschwerten. “Wenn es
das erklärte Ziel der Politik ist, Wohnungsbau voranzutreiben, ist die
Einführung zusätzlicher Kapitalpuffer kontraproduktiv”, mahnte Scheller. Auch
immer neue Vorgaben beim energetischen Standard treiben die Baukosten. “Wenn die
Politik gleichzeitig Klimaschutz und Wohnungsbau will, muss sie entsprechend
fördern, sonst bekommt sie beides nicht hin”, mahnte er.
Beim Eigenkapital konnten die genossenschaftlichen Kreditinstitute um 3,7
Prozent auf 20,5 Milliarden Euro zulegen. Die Gesamtkapitalquote liegt mit 16,9
Prozent nahezu auf Vorjahresniveau. “Die Eigenkapitalausstattung ist ein
entscheidender Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Instituten. Die Volks- und
Raiffeisenbanken sind hier gut unterwegs – ein weiterer Beleg für ihre
Solidität.”
Banken haben Kosten im Griff
Erfreulich ist zudem, dass die Kosten der Volks- und Raiffeisenbanken nur
moderat gestiegen sind. “Nach wie vor investieren die Institute viel in die
Digitalisierung und damit in ihre Zukunftsfähigkeit”, sagte Scheller. Damit
wollen sie einerseits durch Standardisierungen zur weiteren Kostensenkung
beitragen. Andererseits wollen sie für Kundinnen und Kunden attraktiv bleiben.
“Die Banken bieten bei Service und Beratung alle Wege an, ob telefonisch, als
Videocall, im Chat oder persönlich in der Filiale”, ergänzte er. Erfreulich ist
aus Schellers Sicht auch, dass die Aufwand-Ertrags-Relation (CIR) sich um 1,9
Prozentpunkte auf 61,2 Prozent verbessert hat: “Dieser Wert beweist, dass das
Genossenschaftsmodell Zukunft hat.”
Wertpapiere bleiben gefragt
Wertpapiere bleiben wie schon in den vergangenen Jahren eine attraktive
Anlageform. Zwar ging der Nettoabsatz im Wertpapiergeschäft zurück, lag aber
weiter auf einem hohen Niveau. Dennoch bleibt es beim Trend der Vorjahre:
“Wertpapiere wie Aktien und Fonds gehören für viele Sparerinnen und Sparer
inzwischen zum normalen Anlageportfolio beim Vermögensaufbau”, sagte Scheller.
Zudem hätten viele Anleger dazugelernt und hielten auch Phasen sinkender Kurse
durch. Dies zeigt sich auch an der Anzahl der Ansparpläne. Diese hat seit 2019
um 38 Prozent zugenommen auf einen Gesamtbestand von jetzt 870.319 Stück. “Nach
wie vor stellen Wertpapiere eine renditestarke Alternative dar, was in Zeiten
hoher Inflation umso wichtiger ist”, ergänzte er. Auf den Rückgang der Kurse von
Fonds und Aktien im letzten Jahr lässt sich das um 4,3 Milliarden Euro
beziehungsweise 3,9 Prozent auf 105,7 Milliarden Euro gesunkene Anlagevolumen in
Depots und auf Investmentkonten der Volks- und Raiffeisenbanken zurückführen.
Damit wurden die Kursrückgänge durch das Neugeschäft zum Teil kompensiert.
“Für die kommenden Jahre bin ich optimistisch, dass die Volks- und
Raiffeisenbanken ihren soliden Erfolgskurs des vergangenen Jahrzehnts
weitergehen werden”, sagte Scheller. Und weiter: “Die Wirtschaft insgesamt und
insbesondere der Mittelstand haben bewiesen, dass sie sich neuen
Herausforderungen schnell anpassen können.” Dennoch brauche der Mittelstand –
der Motor der Wirtschaft – positive Rahmenbedingungen. Die Unternehmen müssten
dringend von überbordender Bürokratie entlastet werden. Stattdessen müssen
Innovationen stärker gefördert werden, damit Deutschland insgesamt bei
Produktivität und im internationalen Wettbewerb nicht zurückfällt.
“Die regionale Wirtschaft braucht auch in Zukunft verlässliche
Finanzierungspartner. Privatpersonen verlassen sich wie eh und je auf die
kompetente Beratung der Volks- und Raiffeisenbanken bei allen Finanzfragen”,
resümierte Scheller. Auch die Zinswende wird sich mittelfristig positiv auf die
Ertragskraft der Banken auswirken.
Die Zahl der Auszubildenden bei den bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken
stieg um 21 auf 1.653 Personen. “Das beweist, dass die Institute attraktive
Arbeitgeber sind”, betonte Scheller. Eine solide Ausbildung wie eine Banklehre
gilt nach wie vor als erstrebenswert. “Volks- und Raiffeisenbanken bieten auch
in der Region hoch qualifizierte und sichere Arbeitsplätze”, resümierte
Scheller.
Ein Thema, das die Banken belastet, ist ein mögliches Provisionsverbot bei
Bankgeschäften, wie es derzeit in der Europäischen Kommission diskutiert wird.
“Ein solches Verbot würde eine große Gruppe von Sparerinnen und Sparern von
Beratungsleistungen ausschließen und sie in beratungsfreie Angebote im Internet
beziehungsweise im Schattenmarkt drängen. Anstatt staatlicher Reglementierung
sollte es jedem freigestellt bleiben, ob er eine abschlussbasierte Beratung in
Anspruch nimmt oder im Vorfeld für Beratungsleistungen zahlen möchte”, sagte
Scheller.
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