In Schweden wurde ein riesiges Vorkommen an Seltenen Erden gefunden. Politiker und Medien feiern den Fund als Sensation, mit dem sich Europa unabhängig von China machen könnte.
98 Prozent aller von Europa verarbeiteten Seltenen Erden werden aus China importiert. Viele Experten bezweifeln allerdings, dass der Fund dabei schnell so eine große Rolle spielen wird, wie bisher berichtet.
„Bis Seltene Erden aus Schweden in E-Autos verbaut werden, dauert es noch 35 Jahre“, urteilt ein Experte im Gespräch mit Business Insider.
Von Politikern und Medien wird der Fund Seltener Erden in Schweden als Sensation gefeiert – als wichtiger Schritt in Richtung Unabhängigkeit vom chinesischen Diktator Xi Jinping. Doch, stimmt das?
In Kiruna, der nördlichsten Stadt Schwedens, wurde eines der größten Vorkommen von Seltenen Erden in Europa entdeckt. Mehr als eine Million Tonnen an Seltenerd-Oxiden liegen hier begraben.
Gebraucht werden die speziellen Metalle vor allem für die Produktion von Smartphones, Laptops oder E-Autos. Die Menge, die jetzt in Schweden gefunden wurde, würde nach ersten Angaben ausreichen, um große Teile der EU-Nachfrage zu stillen.
Bis dato importiert Europa die Seltenen Erden fast ausschließlich aus China, die den Weltmarkt dominieren. Rund 98 Prozent des Bedarfs an Seltenen Erden deckt die EU laut einem Kommissionsbericht von 2020 mit Lieferungen aus China.
Macht sich Europa nun unabhängig von einem Diktator?
Harald Elsner ist Wirtschaftsgeologe in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und Experte auf dem Gebiet der Seltenen Erden. Er sagt, dass der Fund in Schweden „keine große Bedeutung“ habe – die Menge sei zu klein. „Es gibt viele Vorkommen, mindestens zwei Dutzend weltweit, die eine Million Tonnen an Seltenen Erden oder mehr beherbergen“, sagt Elsner im Gespräch mit Business Insider.
Darüber hinaus müsste noch eine Anlage aufgebaut und eingestellt werden. Selbst wenn schnell gearbeitet werden würde, dauere es mindestens Jahrzehnte bis diesen Rohstoff den internationalen Markt erreichen würden. Elsners Fazit: „Bis Seltene Erden aus Schweden in E-Autos verbaut werden, dauert es noch 35 Jahre.“ Daher sei es „völlig unmöglich“, dass die deutsche Wirtschaft davon profitiere. „Das gefundene Vorkommen ändert nichts an der Abhängigkeit Deutschlands von China.”
Rohstoff-Experte schaut kritisch auf den Fund
Ähnlich kritisch sieht es auch Rohstoff-Experte Urs Gmür, der den Fond Rare Earth Elements managt. Große Funde seien oftmals „mediale Aufhänger“, sagt Gmür zu Business Insider. „Ich will nicht zynisch sein, aber nur weil große Vorkommen vermutet, oder wie im Falle Schwedens, entdeckt werden, heißt das noch lange nicht, dass sich solche Projekte auch realisieren lassen.“
Die Hürden seitens ESG seien noch immer viel zu groß. Unter ESG versteht man die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung. „Die gesellschaftliche Akzeptanz für das „mining business“ ist auf unserem Kontinent weiterhin nicht vorhanden“, sagt Gmür. „Es macht uns Europäern nichts aus, ‘critical raw materials’ aus Gegenden, wo ESG-Richtlinien erst dürftig angewandt werden, zu beziehen, aber wenn es darum ginge, Vorkommen auf unserem Kontinent zu fördern, dann wird gebremst“, kritisiert der Rohstoff-Experte.
Auch Armin Sabeur, Vorstand und Portfoliomanager bei der auf Rohstoffinvestments spezialisierten Fondsboutique Optinova, glaubt, dass der Fund einen geringen Einfluss auf die Wirtschaft hat. „Unternehmen kaufen dort ein, wo sie es jetzt bekommen. Und momentan kriegen sie es aus China.“
Doch ohne Folgen bleibt der Fund auch nicht: Der schwedische Rohstoff könnte sich auf die geopolitischen Beziehungen auswirken. „Mit diesem Fund kann Europa jetzt selbstbewusster gegenüber China auftreten und muss sich in den Verhandlungen nicht ducken“, sagt Sabeur zu Business Insider.
„Damit sinkt Chinas Marktmacht im Bereich der Seltenen Erden“
Deutlich optimistischer im Hinblick auf die Abhängigkeit Europas von China sieht es Thomas Altmann. Er ist Head of Portfoliomanagement und Rohstoff-Experte bei dem Investmentunternehmen QC Partners. Für ihn sei der Fund Seltener Erden eine „exzellente Nachricht“.
Mit Schweden komme jetzt ein weiteres Förderland dazu. „Damit sinkt Chinas Marktmacht im Bereich der Seltenen Erden weit“, sagt Altmann zu Business Insider. Während der Präsidentschaft von Donald Trump habe China den USA offen mit einem Exportstopp von Seltenen Erden gedroht. „Solche Drohungen könnten in Zukunft weniger furchteinflößend sein.“
Laut Altmann könne man davon ausgehen, dass deutsche Unternehmen versuchen werden, ihre Lieferketten zu diversifizieren, um sich unabhängiger von Xi Jinping zu machen. „Die deutsche Wirtschaft wird bei Seltenen Erden sicherlich alles daransetzen, eine ähnliche Abhängigkeit wie vom russischen Öl zu vermeiden“.
Dieser Artikel erschien am 13. Januar 2023 und wurde am 14. Januar 2023 aktualisiert.
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