Von Manuel Zeuch und Sebastian Hofbeck, Analysten im DJE Research Team
Konsumgüter sind Anlegerklassiker. Faktoren wie Rohstoffknappheit, gestörte Lieferketten und Inflation setzen die Konsumfreude der Verbraucher jedoch unter Druck. Andererseits bieten strukturell wachsende Kategorien wie Kaffee oder Heimtiernahrung Chancen, ebenso wie eine stetig wachsende Mittelschicht in den Schwellenländern. Sind Konsumgüteraktien also noch attraktiv? Oder sogar gerade jetzt? Die Analysten bei DJE werfen einen Blick auf die aktuelle Lage des Sektors und erläutern, wo Wachstumspotenziale liegen.
Ernüchterung nach dem Pandemie-Hype
Nachdem der (Basis-)Konsumgütersektor über zwei Jahre lang verlässlich stieg, flaute das Wachstum im vergangenen Jahr ab. Während der Pandemie hatten vor allem Unternehmen mit einer robusten Lieferkette und einer hohen Verfügbarkeit von Produkten und Waren Vorteile. Zudem profitierten Unternehmen mit einem hohen Anteil an Online-Umsätzen (bei L’Oréal zum Beispiel machen diese 28 Prozent der Umsätze aus) und einem geringen Umsatz aus Schwellenländern. Außerdem waren Unternehmen gefragt, die in strukturell wachsenden Kategorien tätig sind. Zu diesen Kategorien zählen unter anderem Heimtiernahrung und Kaffee.
Herausfordernd waren vor allem die weiterhin angespannten Lieferketten und die rasant steigenden Inputkosten: Herstellungskosten machen ca. 50 Prozent vom Umsatz aus, wovon wiederum ca. 80 Prozent auf Rohstoffkosten entfallen. Diese stiegen im Vergleich zu 2021 um ca. 16 Prozent. Um die Schwierigkeiten auszugleichen, haben die Unternehmen die Lieferketten gestärkt, die Produktion durch mehr Automatisierung effizienter und flexibler aufgestellt und auch die Preise deutlich erhöht; bei den Branchenriesen lagen diese Preisanstiege zuletzt bei neun bis 13 Prozent.
Aussichten sind weiterhin attraktiv
Anfang Juni fand die größte Investmentkonferenz im Bereich Konsumgüter in Paris statt, an der über 90 Unternehmen aus den Bereichen Basiskonsumgüter, Luxusgüter sowie Lebensmittel- und Non-Food-Einzelhandel teilnahmen. Die Stimmung war konstruktiver als von vielen Investoren erwartet, da die Unternehmen bei Volumenentwicklung und weiteren Preisanpassungen optimistischer waren. Eine der Hauptsorgen der Investoren war die Entwicklung in den USA, einem der wichtigsten Märkte für viele Unternehmen. Dort ist eine Abschwächung unter anderem bei Großprojekten in diskretionären, d. h. aufschiebbaren oder gar verzichtbaren Bereichen (wie Wohnungsbau oder Heimwerkermarkt) bereits sichtbar. Entgegen den Erwartungen zeigen sich Konsumenten in den USA aber weiterhin (noch) robust.
Die Nachfrage ist trotz der hohen Preisanpassungen weiterhin stabil und scheint sich nicht weiter zu verschlechtern. Die Arbeitslosenquote ist mit 3,7 Prozent weiterhin niedrig, und die Ersparnisse der Konsumenten liegen noch über dem Niveau von 2019. Im Gegensatz dazu leiden europäische Konsumenten unter gestiegenen Kosten. Dennoch entwickelt sich auch das Verbrauchervertrauen der europäischen Konsumenten besser als erwartet, gemessen am Verbrauchervertrauensindikator der europäischen Kommission für die Eurozone.
Wachstumsmotor China: Ja, aber…
China ist für den Konsumgütersektor sehr wichtig, erholt sich nach der Corona-Wiedereröffnung allerdings deutlich langsamer als von vielen erwartet. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in China lag im Mai mit 48,8 unter der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Dies ist nur eine leichte Erholung im Vergleich zum pandemiegeprägten Dezember 2022 mit 47 Punkten. Einige Unternehmen, die an der Investorenkonferenz in Paris teilnahmen, verzeichnen inzwischen aber eine spürbare Nachfragebeschleunigung in China. Gleichzeitig berichteten verschiedene Unternehmen, dass die chinesischen Kunden immer anspruchsvoller in Bezug auf Marken und deren Wertversprechen werden.
Wohin mit Kostensteigerungen?
Darüber hinaus stand die Entwicklung der Kosten im Fokus, die zuletzt stark gestiegen waren und Unternehmensmargen und -gewinne belasteten. Aktuell erwarten die meisten Unternehmen, dass der Druck von steigenden Inputkosten in der zweiten Jahreshälfte abnehmen sollte. Unilever erwartet für das Gesamtjahr 2023 eine Nettomaterialinflation in Höhe von 2,2 Mrd. Euro, wobei zwei Drittel der Kosten auf das erste Halbjahr und ein Drittel auf das zweite Halbjahr entfallen. Das entspricht einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr in Höhe von 4,5 Mrd. Euro. Des Weiteren wird erwartet, dass positives Volumenwachstum zurückkehrt und die Margen wieder ansteigen werden.
Wachstumsmärkte: Schwellenländer
Während der Pandemie haben Unternehmen mit einem hohen Umsatzanteil aus Schwellenländern stark gelitten. Diese Regionen beginnen, sich nun nach der Pandemie wieder zu erholen, obwohl sie teilweise mit hohen Inflationsraten zu kämpfen haben. Wie wichtig die Schwellenländer für die Unternehmen sind, zeigten Unilever und Nestlé auf der Konferenz in Paris. Die Unternehmen berichteten davon, dass das Umsatzwachstum in Schwellenländern anderthalb Mal schneller war als in entwickelten Ländern und die Margen deutlich höher waren. Für das Wachstum gibt es verschiedene Gründe, unter anderem eine stetig wachsende Bevölkerung, die den Fokus mehr auf erschwingliche und gleichzeitig hochwertige Produkte legt. Darüber hinaus sind gesundheitsfördernde Produkte sowie Waren, die den täglichen Nährstoffbedarf decken, gefragt.
Für die Unternehmen sind die Schwellenländer auch in Zukunft sehr interessant, da laut aktuellen Prognosen das durchschnittliche Wirtschaftswachstum deutlich (anderthalb bis zweimal so groß) über dem der Industriestaaten liegen sollte. Das steigert den Wohlstand und lässt die Mittelschicht, die tendenziell mehr konsumiert, in diesen Regionen weiterwachsen: Bis 2030 sollen nach Schätzungen weitere 800 Mio. Menschen in die globale Mittelschicht aufsteigen.
Wachstumssegment Heimtiernahrung
In den vergangenen Jahren waren Heimtiernahrung und Kaffee zwei strukturell stark wachsende Kategorien. Der globale Markt für Heimtiernahrung ist rund 115 Mrd. Euro groß und wuchs in den vergangenen fünf Jahren um rund 9% pro Jahr. Es wird erwartet, dass das Wachstum auch in den kommenden vier Jahren bei über 7% pro Jahr liegen wird. Der größte Markt für Heimtiernahrung ist die USA, welcher 6,5 Mal größer ist als der zweitgrößte Markt China. Tiere sind ein Teil der Familie geworden und für viele eine Art „Kinderersatz“. Das zeigt auch die Entwicklung der Ausgaben: Die Pet Products Association in den USA beziffert die Ausgaben für Tiernahrung und „Leckerlis“ in den USA auf 58 Mrd. USD im Jahr 2022, im Vergleich zu 36 Mrd. USD im Jahr 2019. Das entspricht einem Wachstum von 18 Prozent pro Jahr. Neben dem starken Wachstum ist das Margenlevel besonders attraktiv – es ist eines der höchsten im Sektor.
Kaffee geht immer – auch kalt
Dass Kaffee ein beliebtes Getränk ist, zeigt die weltweite Marktgröße von 495 Mrd. USD. Zwei Drittel des Konsums entfallen dabei auf die Kategorie außer Haus. In den letzten 40 Jahren ist der Markt unabhängig vom makroökonomischen Zyklus kontinuierlich gewachsen. Innovationen wie verschiedene Geschmacksrichtungen je nach Saison und der Ausbau des Angebots an individuellen Kaltgetränken spielen dabei eine wichtige Rolle. Der amerikanische Branchenprimus erzielte im Jahr 2022 ca. 70 Prozent seiner Umsätze in den USA aus Kaltgetränken im Vergleich zu noch ca. 45 Prozent im Jahr 2018. Die Kategorie wuchs insgesamt in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt mit 7 Prozent pro Jahr, zurückzuführen auf den zunehmenden Verbrauch an Kaffee pro Person und die „Premiumisierung“ des Angebots.
Aktuell entfallen ca. 50 Prozent der globalen Kaffeeverkäufe auf Nordamerika und Westeuropa. Der nordamerikanische Markt ist in den letzten fünf Jahren allerdings nur im niedrigen einstelligen Bereich gewachsen. Inzwischen kommt das Wachstum immer mehr aus den Schwellenländern, vor allem aus dem Mittleren Osten und Afrika. Dort ist die Kategorie in den letzten vier Jahren um 10 Prozent pro Jahr gewachsen. Laut Nestlé haben Schwellenländer auch in Zukunft enormes Potenzial im Bereich Kaffee. Der aktuelle Konsum von Kaffee pro Person in China, Indien und Afrika liegt bei 32 Tassen und damit deutlich unter dem Konsum der restlichen Welt, wo er bei über 200 Tassen pro Person liegt. Nestlé baute in den letzten Jahren seine Präsenz im Kaffee-Segment (das ca. 11 Prozent vom Gruppenumsatz ausmacht) weiter aus, unter anderem durch eine Vermarktungspartnerschaft mit dem amerikanischen Branchenprimus. Dessen Produkte machen jetzt etwa ein Drittel vom gesamten Kaffeeumsatz in den USA aus – insgesamt ein kluger Schachzug von Nestlé.
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