Die Ereignisse in Kalifornien stellten ein “Musterbeispiel für eine unangemessene Panikreaktion der Aktienmärkte” dar, sagte Rainhard Schmidt von der Goethe-Universität in Frankfurt/Main am Samstag der Deutschen Presse-Agentur.
“Der Kurssturz war unangebracht, weil die Silicon Valley Bank ein sehr spezielles Geschäftsmodell verfolgt, das wirklich keine Ähnlichkeiten zu denen fast aller Banken der meisten Länder aufweist”, sagte der Ökonomie-Professor. Es bestehe also kein Systemrisiko und kein Grund zu weiterreichenden Befürchtungen. “Die schnelle weitgehende Kurserholung war vollauf gerechtfertigt.”
Ähnlich äußerte sich Finanzmarktexperte Wolfgang Gerke. “Die SVB Bank gefährdet nicht den internationalen Kapitalmarkt. Ihr Klumpenrisiko aus der Start-Up-Finanzierung ist untypisch für den Bankensektor”, sagte der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums der dpa. “Deutsche Banken sind mit ihren Eigenkapitalpuffern und Geschäftsmodellen stabil aufgestellt. Gefahren in den USA drohen aus den großen Anleiheportfolios kleinerer Banken”, betonte der Ökonomie-Professor.
Bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hieß es auf Anfrage: “Wir haben die aktuellen Entwicklungen im Blick und berücksichtigen sie im Rahmen unserer laufenden Aufsicht.”
Das auf Start-up-Finanzierung spezialisierte US-Geldhaus Silicon Valley Bank (SVB) ist nach einer gescheiterten Notkapitalerhöhung vorübergehend geschlossen und unter staatliche Kontrolle gestellt worden. Das gab die US-Einlagensicherung FDIC am Freitag bekannt. Bei der 1983 gegründeten SVB war es in den vergangenen Tagen im Zuge von Liquiditätssorgen zu immensen Mittelabzügen gekommen.
Die Aktien von SVB waren am Freitag nach einem Kursrutsch aufgrund der akuten Notlage vom Handel ausgesetzt worden. Auch andere Banken gerieten an der Börse erheblich unter Druck. Die SVB hatte schon am Donnerstag für Unruhe gesorgt, als sie überraschend die Ausgabe von Aktien angekündigt hatte, nachdem ein größerer Verkauf von Vermögenswerten zu einem Verlust führt. Die Aktien verbuchten allein am Donnerstag ein Minus von gut 60 Prozent.
Auch die freiwillige Abwicklung der US-Kryptobank Silvergate Capital hatte Schockwellen durch Teile des Finanzsektors geschickt. Silvergate hatte im Zuge der Pleite der Kryptobörse FTX bereits gewarnt, das Geschäft möglicherweise einstellen zu müssen. Silvergate kündigte aber an, sämtliche Kundeneinlagen zurückzuzahlen.
Die Furcht vor Kreditausfällen im Bankensektor hatte sich wieder verstärkt, die Probleme der US-Banken sorgten auch an den europäischen Börsen für Verunsicherung und ließen etwa die Kurse von Deutscher Bank und Commerzbank zeitweise deutlich absacken.
Aus Sicht des Harvard-Professors und früheren US-Finanzminister Larry Summers sind große Sorgen vor Ansteckungsgefahren übertrieben. Im Sender Bloomberg TV sprach er von “Überreaktion”. Solange die Krise bei SVB vernünftig bewältigt und Kundengelder ausgezahlt würden, sei von keinen systemischen Risiken für den Bankensektor auszugehen.
Technologiefirmen leiden besonders unter den aktuell hohen Zinsen, weil sich dadurch ihre Refinanzierung erschwert. Zudem besteht die Gefahr, dass Kredite nicht mehr bedient werden können. Ein hohes Zinsniveau drückt zudem auf die Bewertung der Unternehmen, da in einem solchen Umfeld die für die Zukunft in Aussicht gestellten Gewinne aus heutiger Sicht weniger wert sind. Kunden der Silicon Valley Bank aus der Tech-Branche hatten nun zuletzt Einlagen abgezogen, weil sie selber Liquidität benötigten.
Die hohen Kursverluste vieler Bankenaktien im Sog von SVB hatte die Stimmung für die Branche insgesamt stark eingetrübt. Am Donnerstag war es zum größten Ausverkauf im Bankensektor seit fast drei Jahren gekommen, wie der Einbruch des KBW Bank Index um 7,7 Prozent zeigte. Am Freitag büßte das wichtige Branchenbarometer 3,9 Prozent ein.
Silvergate und SVB “sind in der Tat Opfer desselben Phänomens, da die Straffung der US-Geldpolitik den Schaum aus den Teilen der Wirtschaft mit den meisten Überschüssen abschöpft – und es ist schwer, mehr Überschüsse zu finden als in Krypto- und Tech-Startups”, sagte Analyst Adam Crisafulli von Vital Knowledge am Freitag.
“Noch scheint die Silicon Valley Bank ein Einzelfall zu sein”, betonte auch Fondsmanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. “Aber wie groß die Ansteckungsgefahren unter Banken sind, das haben frühere Krisen gezeigt. Deshalb reagieren Anlegerinnen und Anleger so sensibel auf die Nachrichten aus Kalifornien.” Auch ein anderer Händler sprach eher von einem Stimmungsdämpfer. Ein direkter Fingerzeig für den Sektor seien die Probleme der SVB dagegen nicht.
Joachim Klement von der Investmentbank Liberum Capital sprach von wachsenden Ängsten vor einer Kreditklemme. Allerdings geht auch er nicht davon aus, dass die Situation der SVB eine unmittelbare Bedrohung für das europäische Bankensystem darstellt. Das US-Institut habe ein sehr spezielles Geschäftsmodell und sei auf Wagniskapital sowie die Finanzierung junger Wachstumsunternehmen spezialisiert. Das sei innerhalb der Bankenszene ziemlich einmalig. Notleidende Kredite dürften im laufenden Jahr zwar zunehmen, aber die Reserven der Banken in Europa und den USA seien ausreichend, um Probleme aufzufangen.
Yellen: Keine Staatsrettung
US-Finanzministerin Janet Yellen hat eine staatliche Rettung des amerikanischen Geldhauses Silicon Valley Bank (SVB) ausgeschlossen. In der Finanzkrise vor einigen Jahren sei die Regierung zwar auf diese Weise eingeschritten, sagte Yellen am Sonntag auf eine entsprechende Frage in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS. Sie betonte aber: “Das machen wir nicht noch einmal.” Yellen verwies dabei auf Reformen, die seit der Finanzkrise umgesetzt worden seien. Sie betonte zugleich mit Blick auf die SVB-Krise: “Aber wir machen uns Sorgen um die Einleger und konzentrieren uns darauf, ihre Bedürfnisse zu erfüllen.”
Am Freitag war die auf Start-up-Finanzierung spezialisierte Silicon Valley Bank nach einer gescheiterten Notkapitalerhöhung vorübergehend geschlossen und unter staatliche Kontrolle gestellt worden. Das hatte weltweit für Unruhe gesorgt.
Yellen sagte, wenn eine Bank, vor allem eine wie die Silicon Valley Bank mit Einlagen in Milliardenhöhe, zusammenbreche, sei das “natürlich ein Grund zur Sorge”. Sie betonte aber, das amerikanische Bankensystem sei “wirklich sicher” und widerstandsfähig. Die Amerikaner könnten Vertrauen in die Sicherheit und Solidität des US-Bankensystems haben. Mit Blick auf das weitere Vorgehen der US-Notenbank Fed in der aktuellen Gemengelage wollte sich die Ministerin nicht näher äußern und verwies auf deren Unabhängigkeit.
Die Führung der Federal Reserve trifft sich am Montag zu einer Sitzung. Bei dem um 11.30 Uhr (Ortszeit/16.30 Uhr MEZ) beginnenden Treffen gehe es um die Überprüfung und Festlegung von Vorauszahlungs- und Diskontsätzen, hieß es in einer am Wochenende auf der Internetseite einsehbaren Mitteilung.
FRANKFURT/BERLIN (dpa-AFX)
Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
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