ideas: Herr Vollmuth, seit Anfang September sind Sie geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV) und bilden mit Dr. Henning Bergmann eine Doppelspitze. Dabei sind Sie kein Unbekannter. Sie waren bereits von 2011 bis 2017 in der Geschäftsführung des DDV tätig, bevor es Sie in die freie Wirtschaft zog. Was hat Sie jetzt zur Rückkehr bewegt?
Christian Vollmuth: Tatsächlich hatte ich die Branche nie verlassen. Selbst in der freien Wirtschaft hatte ich noch mit unserer Branche zu tun, dies aber auf der Seite eines Dienstleisters. Der Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen bei den Emittenten ist deswegen nie richtig abgebrochen. Ich kann sagen, dass das kollegiale Umfeld hier sensationell ist und mir sehr viel Spaß macht. Außerdem sehe ich für strukturierte Wertpapiere eine sehr, sehr gute Zukunft. Als Beamtensohn spreche ich aber auch gerne mit den Aufsichtsbehörden. Als sich die Möglichkeit eröffnete, wieder für die Branche arbeiten zu dürfen, musste ich nicht lange nachdenken.
Wie möchten Sie die Verbandsarbeit prägen? Haben Sie sich bestimmte Ziele gesetzt?
Die zahlreichen Vorteile strukturierter Produkte werden zwar insbesondere von sogenannten Selbstentscheidern – also den Onlinekunden der Direktbanken – gewürdigt und auch als fester Depotbestandteil im aktiven Vertrieb geschätzt. In der breiten Öffentlichkeit wird unser Produkt aber noch nicht ausreichend wahrgenommen. Das möchte ich ändern. Gerade wenn ich mir das jetzige Markt- und Zinsumfeld anschaue: Der langjährige Aufwärtstrend an den Aktienmärkten pausiert. Genau für solche volatilen Märkte wurden unsere Produkte entwickelt. Mit strukturierten Wertpapieren kann man sich in schwierigen Zeiten absichern. Man kann in diesem Marktumfeld aber auch eine Rendite damit erzielen. Das gestiegene Zinsumfeld ermöglicht es uns, wieder attraktive Zinswertpapiere anzubieten. Wir müssen es als Branche schaffen, das einer möglichst breiten Anlegerschicht zu verdeutlichen.
Vereinfacht gesagt ist es mein Ziel, dass sich Anleger, auch jüngere, die sich mit der eigenen Finanzanlage und Altersvorsorge beschäftigen, die Frage stellen: »Will ich lieber eine Aktie oder eine Aktie mit Airbag?« Sprich, dass ein Discount-Zertifikat oder eine Aktienanleihe für alle ganz selbstverständlich zum eigenen Anlageuniversum gehört.
Können Sie uns einen Einblick in den Alltag eines hauptamtlichen DDV-Vorstands geben?
Der Alltag eines hauptamtlichen DDV-Vorstands unterscheidet sich vermutlich nicht wesentlich vom Alltag der meisten Menschen und Arbeitnehmer. Zum Tagesgeschäft gehört ein enger Austausch mit meinem Team, das den ganzen Laden am Laufen hält. Hinzu kommen natürlich fortlaufende Gespräche mit unseren Emittenten, weil gerade ein Produktverband nah am Marktgeschehen sein muss. Auf der anderen Seite findet auch ein enger Austausch mit den Aufsichtsbehörden statt. Darüber hinaus gibt es immer wieder Ad-hoc-Situationen, auf die man schnell reagieren muss. Zusammengefasst: Ich rede viel.
Auf welchem Gebiet sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen bei Ihrer Arbeit?
Die größte Herausforderung ist zweifelsohne, auch in der jungen Generation das Bewusstsein zu schaffen, dass ein Vermögensaufbau letztlich nur mit Wertpapieren möglich sein wird. Dazu gehören aus unserer Sicht natürlich auch strukturierte Wertpapiere, die reale Marktrisiken reduzieren können. Sind wir doch mal ehrlich: Jeder Aktienkauf, jeder Kauf einer Staatsanleihe oder einer Unternehmensanleihe ist eine Investition in die Zukunft und unterliegt einer Unsicherheit. Es gibt keine Rendite ohne Risiko. Mit strukturierten Wertpapieren kann man sich entscheiden. Bin ich »Team Defensive«, dann gebe ich eine Chance auf und habe weniger Risiko in meinem Investment. Bin ich »Team Rendite«, dann nehme ich bewusst mehr Risiken in Kauf, um am Ende die Chance auf mehr Ertrag zu haben.
Seit über 30 Jahren gibt es inzwischen Zertifikate. Wie haben sie Ihrer Meinung nach die Möglichkeiten für Privatanleger verbessert?
Zu Beginn wurden überwiegend Call-Optionsscheine auf einzelne große Aktientitel begeben. In den 30 Jahren entwickelte sich ein umfangreiches Angebot von Wertpapieren bezogen auf praktisch alle Assetklassen und machten so den Handel mit Rohstoffen, Währungen und zuletzt Kryptowerten für Privatanleger möglich und das aufgrund des enormen Wettbewerbs zum Vorteil der Kunden transparent und günstig. Außerdem hat sich in der Zeit eine Vielzahl von verschiedenen Auszahlungsprofilen etabliert, sodass Privatanleger von steigenden und fallenden, aber auch gleichbleibenden Kursen profitieren können.
Auch im Bereich des Anlegerschutzes hat sich in der vergangenen Dekade unglaublich viel getan. Es wurden transparente Standards geschaffen. Man denke dabei nur an die Produktinformationsblätter, die die Kosten des Produkts im Detail ausweisen und die Risiken für Anleger transparent machen.
Als durchweg positiv ist auch die Entwicklung im Bereich der Finanzbildung zu betrachten. So gibt es heute eine Vielzahl an Bildungsangeboten, die es Privatanlegern ermöglichen, einen Einstieg in die Produktwelt der strukturierten Wertpapiere zu finden. Das reicht von einer leicht verständlichen Übersicht der Produkte, wie der Derivate-Liga des Deutschen Derivate Verbands (DDV), bis hin zu einer Vielzahl an Webinaren, die unsere Mitglieder anbieten.
Derzeit befinden wir uns an der Börse in unruhigem Fahrwasser. Sind Sie auch selbst an den Kapitalmärkten aktiv und wie bewahren Sie in diesen Zeiten die Ruhe?
Ich bin schon seit vielen Jahren am Kapitalmarkt aktiv mit einem breit diversifizierten Portfolio. Allerdings verfolge ich aus Zeitgründen im Wesentlichen die »Buy and Hold«-Strategie. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Anfang Februar wollte ich einzelne Titel aus meinem Aktienportfolio mit Put-Optionsscheinen absichern, genauer gesagt zwei Positionen der Bayer AG und der SAP AG. Leider ließ ich mich dann ablenken. Der Rest ist Geschichte. Lehrgeld habe ich bezahlt und jedes Mal, wenn ein persönlicher Anflug von Ärger kommt, wische ich ihn zur Seite und vergegenwärtige mir meinen »Buy and Hold«-Ansatz: Ruhe bewahren. Die Märkte werden sich wieder erholen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anja Schneider.
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