Oct 4, 2022
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Wirtschaftspolitik: EU-Partner erhöhen wegen „Doppel-Wumms“ Druck auf Finanzminister Lindner

Written by Carsten Volkery


Christian Lindner

Der Bundesfinanzminister verteidigte das Entlastungspaket für die deutsche Wirtschaft als „nicht überdimensioniert“.


(Foto:𧉨-Berlin)

Luxemburg Das 200-Milliarden-Euro-Entlastungspaket der Bundesregierung für die deutsche Wirtschaft stößt auf Kritik bei den EU-Partnern. Der Unmut über die großzügigen Hilfen für deutsche Firmen reicht von Budapest bis Paris. Zugleich werden wieder Rufe nach einem neuen europäischen Solidaritätsfonds laut.

In einem Gastbeitrag, der am Dienstag in der „FAZ“ und anderen europäischen Zeitungen erschien, forderten EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton und EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni neue „europäische Instrumente“, um Verwerfungen zwischen finanzstarken und -schwachen Ländern in der Euro-Zone zu vermeiden. Als Modell nannten sie das SURE-Programm, einen hundert Milliarden Euro schweren EU-Fonds, aus dem während der Coronapandemie günstige Kredite in die Mitgliedstaaten geflossen waren.

Das zentrale Argument hatte Breton bereits am Freitag vorgebracht: „Während Deutschland es sich leisten kann, 200 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufzunehmen, können andere Mitgliedstaaten dies nicht“, hatte der Kommissar getwittert. „Wir müssen dringend darüber nachdenken, wie wir den Mitgliedstaaten, die keinen solchen fiskalischen Spielraum haben, die Möglichkeit geben, ihre Unternehmen zu unterstützen.“

Beim Finanzministertreffen in Luxemburg warnten mehrere Teilnehmer vor einer Fragmentierung der Euro-Zone. Natürlich könne jeder Staat eigene Maßnahmen ankündigen, aber man brauche eine gemeinsame europäische Strategie, sagte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire mit Blick auf das deutsche Entlastungspaket. „Je koordinierter diese Strategie ist, desto besser für uns alle.“

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Tatsächlich sehen auch Ökonomen die Gefahr, dass die Krise die Unterschiede zwischen den Euro-Staaten noch verschärft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte deshalb kürzlich vorgeschlagen, einen europäischen Stabilitätsfonds nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds aufzulegen. Das findet Anklang in einigen südeuropäischen Ländern, Deutschland und andere nordeuropäische Länder lehnen eine erneute gemeinsame Schuldenaufnahme jedoch strikt ab.  

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In der Euro-Gruppe wird seit Monaten darüber diskutiert, wie man die Wirtschaftspolitik besser koordinieren kann, um ein Auseinanderdriften der Staaten zu verhindern. Mit dem „Doppel-Wumms“ gibt die Bundesregierung ihren Kritikern nun eine Steilvorlage. Nicht nur werden die neuen Milliardenschulden in einen fragwürdigen Schattenhaushalt ausgelagert. Sie scheinen auch gegen die Vereinbarung der Euro-Länder zu verstoßen, fiskalpolitisch vorsichtig zu sein, um nicht den Kampf der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen die Inflation zu behindern.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) fand sich in Luxemburg in der Defensive. Er verteidigte das deutsche Krisenpaket als „angemessen“ angesichts der Größe der deutschen Wirtschaft. Die meisten Kollegen hätten nicht zur Kenntnis genommen, dass die 200 Milliarden Euro bis 2024 reichen sollen und idealerweise gar nicht vollständig abgerufen werden, sagte er. Das Paket sei „nicht überdimensioniert“.

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Lindner bestritt auch, dass er damit die Inflation anheize. „Deutschland legt kein Konjunkturpaket auf, Deutschland stimuliert nicht die Nachfrage“, sagte er. Man dämpfe nur „ruinöse Preisspitzen“ ab. „Wir bleiben von der fiskalpolitischen Ausrichtung neutral.“

Die Forderung Bretons und Gentilonis nach einem neuen EU-Fonds wies er zurück. Solche Vorschläge seien „zum jetzigen Zeitpunkt nicht begründbar“, sagte er. Die Energiekrise sei nicht mit der Coronapandemie vergleichbar. Es handele sich nicht um einen Nachfrageschock, bei dem man die Wirtschaft mit öffentlichen Mitteln ankurbeln müsse.

Dennoch befeuert er mit dem Entlastungspaket die Debatte um Solidarität und Gemeinschaftsschulden in der EU aufs Neue. Die Südeuropäer sind vor allem deshalb so erzürnt, weil Deutschland zugleich einen europäischen Gaspreisdeckel ablehnt. 15 EU-Staaten, darunter Frankreich, Italien und Spanien, fordern eine solche Obergrenze auf alle Gasimporte nach Europa, um die Energiepreise in allen Ländern zu senken. Die Bundesregierung hatte dies bislang abgelehnt, weil sie Lieferprobleme befürchtet.

Aus südeuropäischer Sicht muss die Bundesregierung sich bewegen: Entweder sie stimmt einem europäischen Gaspreisdeckel zu, oder sie hilft bei der Einrichtung eines neuen EU-Fonds, mit dessen Hilfe auch ärmere Länder nationale Entlastungspakete schnüren können.

Lindner scheint sich für den Gaspreisdeckel zu erwärmen. „Wir dürfen nicht nur über das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler reden, um abzudämpfen, sondern wir müssen auch ran an die Wurzel des Problems“, sagte er. Deshalb sei er offen für „gemeinsame Schritte auf den internationalen Gasmärkten“. Das hat aus seiner Sicht nicht zuletzt den Vorteil, dass nicht er für das Thema zuständig wäre, sondern sein grüner Erzrivale, Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Mehr: EU und Großbritannien wollen Neustart bei Gesprächen über Nordirlandprotokoll



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Politik

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