Oct 7, 2022
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Türkei: „Gewinne schmelzen“: Die Türkei bekommt das nächste große Währungsproblem

Written by Ozan Demircan


Geldwechselbüro in Istanbul

Der Preis importierter Güter steigt wegen der schwachen Lira kontinuierlich.



(Foto: Reuters)

Istanbul Die historische Schwäche des Euros bringt türkische Exporteure in eine schwierige Situation – und damit auch die deutsche Wirtschaft in dem Land.

Auf den globalen Märkten sind die Wertzuwächse des Dollars gegenüber fast allen Weltwährungen seit Jahresbeginn weiterhin stark. Der Euro hat seit Jahresbeginn rund ein Viertel zum Greenback verloren und steht derzeit so schwach da wie zuletzt vor Jahrzehnten. Hinzu kommt: Die türkische Lira ist so schwach, dass der Verlust noch etwas stärker ausfällt.

Nach Angaben von Wirtschaftsverbänden erfolgen 72 Prozent der türkischen Importe in der US-Währung, während 48 Prozent der Exporte in Euro abgerechnet werden. „Die Entwicklung des Dollars schlägt doppelt auf unsere Bilanz ein“, berichtet der Vorstand eines Unternehmens dem Handelsblatt.

„Exporteure sagen seit Langem, dass ihre Gewinne schmelzen“, meint Hakan Güldag, Chefredakteur der türkischen Wirtschaftszeitung „Dünya“. Der Schaden betrage schon jetzt zehn Milliarden US-Dollar.

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Und damit gerät das Wirtschaftsmodell von Staatschef Recep Tayyip Erdogan unter erheblichen Druck. Der türkische Langzeitpräsident will seine Volkswirtschaft auf Expansion und Exporte trimmen.

Erdogan erklärt sich zum „Feind hoher Zinsen“

Dabei helfen sollen auch niedrige Leitzinsen. Der Referenzzinssatz liegt bei zwölf Prozent, obwohl die Inflation auf über 80 Prozent angestiegen ist. Normalerweise helfen Zinserhöhungen dabei, die Teuerungsrate zu senken, indem sie die Nachfrage nach Krediten und Waren dämpfen. Erdogan denkt jedoch nicht daran: „Ich bin ein Feind hoher Zinsen“, erklärte er jüngst.

>> Lesen Sie auch: Erdogan will die Zinsen bis Jahresende in den einstelligen Bereich bringen

Ein ökonomisches Experiment, das in Zeiten globaler Stabilität funktionieren mag. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat jedoch die globalen Märkte durcheinandergebracht.

Die Inflation steigt weltweit gemeinsam mit den Preisen für Energierohstoffe wie Öl und Gas. Die US-Notenbank Fed steuert gegen, indem sie die Leitzinsen erhöht. Das macht den Dollar attraktiv für Investoren, für Schwellenländer wie die Türkei gilt das Gegenteil.

Und so wird der Dollar stärker, und Währungen wie die türkische Lira werden immer schwächer. Für ein Land, das immer noch auf Importe angewiesen ist, bedeutet das große Schwierigkeiten.

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Das Handelsdefizit der Türkei ist im vergangenen Monat um 300 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum angestiegen. Firmen müssen immer mehr für ihre Dollar-Importe ausgeben, während die Exporte zumindest in den Euro-Raum wegen der relativen Schwäche des Euros gegenüber dem Dollar nicht genug einbringen.

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Auch an der Börse macht sich die schlechter werdende Stimmung bemerkbar. Der türkische Leitindex ISE 100 stieg seit Jahresbeginn um mehr als 75 Prozent an. Selbst in Euro umgerechnet ergibt sich ein Zuwachs von rund 50 Prozent. Doch mit dem starken Dollar geraten die Kurse seit einem Monat unter Druck. Aktien wie die von Is Bankasi, einem privaten Finanzdienstleister, fielen um ein Drittel.

Auch der Druck seitens der EU und der USA gegenüber türkischen Firmen, die möglicherweise die Russlandsanktionen umgehen, drückt die Stimmung. So hatten beispielsweise fünf türkische Banken am russischen Bezahlsystem Mir teilgenommen. Dadurch konnten etwa russische Touristen in der Türkei trotz Sperrung der Visa- und Mastercard-Systeme für russische Banken ihre Rechnungen bargeldlos bezahlen.

Deutsche Firmen müssen Erlöse in Lira umwandeln

Unter den fünf Geldhäusern sind drei Staatsbanken sowie die Is Bankasi, die zu knapp einem Drittel der Oppositionspartei CHP gehört. Nachdem die beiden Privatbanken bereits vergangene Woche die Kooperation mit Mir eingestellt haben, wollen nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg die drei Staatsbanken dies nun ebenfalls tun.

Die Wirtschaft des Landes fordert Erdogan zum Handeln auf. Neben türkischen Exportfirmen hat auch eine Reihe deutscher Unternehmen Produktionsstandorte in dem Land. So beschäftigt Bosch Tausende Menschen in der Türkei und produziert dort Autoteile für die ganze Welt. Auch Dax-Größen wie Bayer, Siemens oder BASF sind am Bosporus vertreten.

Doch zuletzt sorgte die Regierung bei den ausländischen Firmen für große Sorge. Per Dekret müssen alle Unternehmen in der Türkei einen Teil ihrer Exporterlöse in die Landeswährung umwandeln. Bei der Schwäche der Lira ein riskantes Unterfangen, das jederzeit die Bilanz der Mutterkonzerne durcheinanderbringen könnte.

Wenn der Dollar gegenüber Lira und Euro weiter an Wert zulegt, dürften die Probleme nur größer werden – und damit auch der Druck auf Staatschef Erdogan gegenzusteuern.

Mehr: 70 Prozent im Plus – aber das türkische Börsenwunder birgt viele Risiken



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