Oct 9, 2022
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Schienenverkehr: Sabotage bei der Bahn – Was steckt hinter dem Zug-Chaos in Norddeutschland vom Samstag?

Written by pinmin

Berlin Mehrere Stunden lag der Verkehr auf den Schienen im Norden Deutschlands lahm. Grund war ein möglicher Sabotage-Akt. Unbekannte hatten wichtige Kommunikationskabel zerstört. Nun sucht die Polizei nach den Tätern.

Viel ist noch nicht bekannt zu den Hintergründen. Mehrere Regierungspolitiker sprachen am Samstag von einem Sabotage-Akt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Zur Frage, wie der Sabotage-Akt konkret ausgesehen haben könnte, sagte ein Bahn-Sprecher am Sonntag: „Die Ermittlungen laufen noch, deswegen äußern wir uns dazu nicht. Da bitte ich um Verständnis.“

Klar ist, dass es mindestens zwei Stellen gab, an denen manipuliert wurde: „Wir haben einen Tatort in Berlin-Hohenschönhausen“, sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin der Deutschen Presse-Agentur. „Ein weiterer befindet sich in Nordrhein-Westfalen.“ Aus Sicherheitskreisen hieß es, es seien am Karower Kreuz in Berlin und in Herne in NRW vorsätzlich so genannte Lichtwellenleiterkabel beschädigt worden. Auch das Backup-System sei damit ausgefallen.

Durch die zerstörten Kabel kam es zu einer Störung des digitalen Zugfunks GSM-R (Global System for Mobile Communications – Rail), so eine Sprecherin der Deutschen Bahn. „Er dient der Kommunikation zwischen den Leitstellen, die den Zugverkehr steuern, und den Zügen und ist damit unverzichtbarer Bestandteil für den reibungslosen Zugverkehr.“

„Aktuell ist von einer zielgerichteten Fremdeinwirkung von außen auf Kabel der Deutschen Bahn auszugehen“, sagte die Sprecherin. Zu weiteren Details könne man auch aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft geben.

Welche Auswirkungen hat die Störung auf den Bahnverkehr?

Betroffen von der Sabotage waren der Fern- und teils auch der Regionalverkehr der Deutschen Bahn in weiten Teilen Norddeutschlands. Unzählige Fahrgäste strandeten an den großen Bahnhöfen wie Hannover, Hamburg und Berlin. An Auskunftsschaltern bildeten sich lange Warteschlangen.

Auch internationale Verbindungen waren betroffen. So fuhren keine IC-Züge zwischen Berlin und Amsterdam. IC-Züge von Kopenhagen endeten an der dänisch-deutschen Grenze in Padborg. Stillstand herrschte teils auch bei Regionalzügen – so bei RE- und RB-Verbindungen in Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein, wie die Bahn mitteilte.

Im Laufe des Samstagvormittags meldete die Bahn, dass die Störung behoben sei, es aber weiter zu Beeinträchtigungen kommen könne. „Leider müssen Sie weiterhin mit Zug-, Haltausfällen und Verspätungen rechnen“, twitterte die Bahn. Generell empfiehlt die Bahn ihren Reisenden, sich kurz vor geplanten Fahrten über www.bahn.de/reiseauskunft, über die App „DB Navigator“ oder telefonisch unter 030/2970 zu informieren.

Wer ermittelt?

Die Bundespolizei hat den Fall inzwischen an die Landeskriminalämter in Berlin und in NRW abgegeben. Hätte es einen Verdacht auf Terrorismus oder Hinweise auf die Beteiligung eines Staates gegeben, hätten sich Bundeskriminalamt und dann die Generalbundesanwaltschaft einschalten müssen.

Wer kommt als Täter in Frage?

Zu den möglichen Tätern gibt es bislang keine offiziellen Informationen. Dass es ein gezielter Angriff war, scheint aber gesichert.

Eine politische Motivation könne nicht ausgeschlossen werden, sagte ein Sprecher des Berliner Landeskriminalamtes am Sonntag. Hinweise auf Terrorismus oder die Beteiligung eines ausländischen Staates gebe es aber nicht.

Sicherheitsexperte Peter Neumann hält einen Angriff Russlands auf die kritische Infrastruktur in Deutschland für denkbar. „Russland hat schon ein Interesse daran, in Europa Panik zu verursachen und zu signalisieren, dass es ganz heftig das Leben lahmlegen kann“, sagte der Forscher dem Sender RTL. Es benötige erhebliches Wissen, um diese Knotenpunkte anzugreifen. „Es waren wahrscheinlich nicht Amateure oder Einzeltäter, sondern es war etwas, das von Profis durchgeführt wurde.“

Wissing: Beschädigungen am Bahnfunknetz waren Vorsatz

Neumann gibt jedoch zu Bedenken: „Es gibt aber natürlich keine eindeutigen Beweise. Deswegen muss man schon vorsichtig sein. Momentan ist es noch eine Theorie.“

In der Vergangenheit hatte es wiederholt Anschläge rund um Berlin auf das Kommunikationssystem der Bahn gegeben. Die Spuren führten häufig in die linksautonome Szene.

Wie sind die Reaktionen aus der Politik?

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) stellte klar: „Es wurden Kabel mutwillig und vorsätzlich durchtrennt, die für den Zugverkehr unverzichtbar sind.“ Die Bahn sei Ziel eines Anschlags geworden.

Grünen-Chef Omid Nouripour forderte angesichts der Tat Verbesserungen beim Schutz der kritischen Infrastruktur. „Der heutige Anschlag auf die Kabelverbindungen der Bahn hat Chaos auf den Bahnhöfen, Verzögerungen in den Lieferketten und massive Verunsicherung in der Bevölkerung ausgelöst“, sagte Nouripour. Die kritischen Infrastrukturen und damit wir alle seien angreifbar und verletzlich.

Andere, wie der Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann (Grüne), warfen der CDU mit Blick auf den Sabotage-Akt mangelnde Investitionen in die Sicherheit kritischer Infrastruktur vor.

Die im Frühjahr angekündigten 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr habe die Ampelregierung auch für Cyberschutz und Zivilsicherheit einsetzen wollen. Die Union habe das jedoch aus politischem Kalkül verhindert, so Lehmann.

Der SPD-Fraktionsvize und Verkehrspolitiker Detlef Müller forderte ein Konzept für den besseren Schutz der Infrastruktur der Bahn von Verkehrsminister Wissing und den Sicherheitsbehörden. Zur kritischen Infrastruktur gehörten nicht nur Schienen und Züge, sondern auch digitale Leit- und Sicherungstechnik, sagte Müller dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Technik müsse beim Neubau und der Sanierung von Strecken „zugriffssicher verlegt werden“.

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, rief dazu auf, die Ergebnisse der Polizeiermittlungen abzuwarten. „Unabhängig von diesem Fall müssen wir über die Sicherheitsarchitektur Deutschlands und der EU neu nachdenken“, sagte Frei dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Das neue Zeitalter hybrider Kriegsführung verlangt eine Anpassung unserer Konzepte.“

Mehr: „Die Bedrohung wächst“ – Wie gefährdet die kritische Infrastruktur in Deutschland ist





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