Oct 13, 2022
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Sicherheit: Luftverteidigung: Deutschland startet Projekt für neuen europäischen Schutzschirm

Written by Frank Specht

Berlin Deutschland will zusammen mit anderen Nationen einen europäischen Schutzschirm gegen Raketenangriffe aufbauen. Insgesamt 15 Staaten hätten sich zusammengefunden, sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Donnerstag nach der Unterzeichnung eines entsprechenden „Letter of intent“ in Brüssel.

Die europäische Luftverteidigung sei ein Feld, „wo wir Lücken aufweisen“, sagte die Ministerin. Es sei wichtig, diese Lücken zu schließen, denn man lebe in „bedrohlichen und herausfordernden Zeiten“. Lambrecht spielt damit auf die Ukraine an, wo die russische Armee in den vergangenen Tagen Ziele mit weitreichenden Raketen beschossen hatte. Deutschland hat bereits ein hochmodernes Raketenabwehrsystem des Typs Iris-T SL an die Ukraine geliefert und will drei weitere bereitstellen.

Ziel des geplanten „European Sky Shield“ ist, Europa vor Angriffen mit Flugzeugen, Drohnen oder Raketen zu schützen. Dazu sollen Abwehrsysteme unterschiedlicher Reichweiten kombiniert werden, um auf niedrig fliegende Flugkörper ebenso reagieren zu können wie auf ballistische Raketen, die bis in den Orbit aufsteigen.

Deshalb wolle man gemeinsam die bestehende Flugabwehr mit Patriot-Raketen ausbauen, aber auch neue Systeme wie das bodengestützte Iris-T SL anschaffen, kündigte die Ministerin an. Für die Abwehr ballistischer Raketen sei das gemeinsam von Israel und den USA entwickelte System Arrow 3 im Gespräch.

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Abgeordnete des Verteidigungsausschusses waren im März dieses Jahres nach Israel gereist, um sich das System vorführen zu lassen. Es steht in Konkurrenz zum teureren US-amerikanischen System THAAD, das ballistische Raketen in noch größerer Höhe abfangen kann. Eine Entscheidung sei zwar noch nicht gefallen, aber sie denke, dass Arrow 3 „das richtige System wäre“, sagte Lambrecht. Im Verteidigungsministerium wird darauf verwiesen, dass Arrow 3 schneller zur Verfügung stehe und mobiler eingesetzt werden könne als die US-Variante.

Länder schließen sich zusammen, um günstigere Preise zu verhandeln

Die Kooperation mit den europäischen Verbündeten soll gleich mehrere Vorteile haben. Zum einen gehe es darum, „interoperabel“ zu sein. Es soll vermieden werden, dass jedes Land unterschiedliche Systeme kauft, die nicht oder nur schwer gemeinsam eingesetzt werden können. Die Schutzwirkung ist gerade bei weitreichenden Systemen größer, wenn sich mehrere Staaten zusammenschließen. 

Durch eine gemeinsame Bestellung könnten die 15 beteiligten Länder zudem ihre Marktmacht ausspielen und bei den Herstellern günstigere Preise durchsetzen. Zudem könnten sich die Staaten bei der Instandhaltung gegenseitig unterstützen.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht

Die Bundesverteidigungsministerin unterschrieb bei einem NATO-Treffen in Brüssel die sogenannte European Sky Shield Initiative.


(Foto: IMAGO/UPI Photo)

Zu den Kosten, die auf Deutschland zukommen, wollte sich Lambrecht nicht äußern. Man habe die Möglichkeit, auf das 100 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen zuzugreifen. Innerhalb der Regierung kursiert die Zahl von 20 Milliarden Euro. Die Kosten hingen aber letztendlich davon ab, wie viele Staaten am Ende mitmachten. 

Der „European Sky Shield“ stehe auch anderen Partnern offen. „Wir sind offen für jeden, der sich daran beteiligen möchte innerhalb der Nato“, sagte die Bundesverteidigungsministerin. Ziel sei, den Schutzschirm dem Oberbefehlshaber der Nato in Europa (Saceur) zu unterstellen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits Ende August in seiner europapolitischen Rede in Prag auf Defizite bei der Luftverteidigung hingewiesen und ein gemeinsames europäisches System angeregt.

Anschaffung dürfte Jahre dauern

Die Nato-Partner räumen ein, dass sie bei der Luftabwehr Defizite haben – und zwar in allen „Abfanglagen“, wie es heißt, der hohen, der mittleren und der erdnahen. Der Bereich Luftverteidigung wurde vernachlässigt, weil er im Kampf gegen Terrorgruppen keine Bedeutung hatte. Lange konzentrierte sich die Allianz auf ihren Einsatz in Afghanistan. Dort halfen Nato-Truppen dabei, die Taliban zu bekämpfen. Die islamitischen Aufständischen waren in der Regel nur leicht bewaffnet und verfügten über keine Lufteinheiten.

Erst jetzt in der Konfrontation mit Russland tritt die Fähigkeitslücke deutlich hervor. Die russischen Streitkräfte verfügen über unterschiedliche Raketensysteme, sie können Marschflugkörper abfeuern und Drohnen aufsteigen lassen. 

Gerade die Bedrohung durch Drohnen dürfte weiter zunehmen, von einer „Drohnen-Inflation“ ist bei der Nato die Rede. Ein großes Geschwader unbemannter Fluggeräte kann die gängigen Luftabwehrsysteme schnell überfordern. Westliche Militärvertreter räumen ein, dass es Jahre dauern wird, die Versäumnisse auszugleichen. Arrow 3 kann demnach frühestens 2025 zur Verfügung stehen. 

Der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Henning Otte (CDU), begrüßte die Entscheidung, einen „Sky Shield“ aufzubauen, auch wenn es Jahre dauere. Das Projekt dürfe nun aber nicht dazu führen, dass drängende Beschaffungsvorhaben – beispielsweise für Munition – nun zurückgestellt würden, sagte Otte dem Handelsblatt.

Und es müsse vor allem darum gehen, die Luftabwehrfähigkeit an der Nato-Ostflanke auszubauen, beispielsweise auch durch das „Air Policing“, also Patrouillenflüge von Flugzeugen der Nato-Verbündeten. „Wir müssen vorne etwas machen“, forderte Otte.

Am geplanten „Sky Shield“ wollen sich nach jetzigem Stand neben Deutschland auch Belgien, Bulgarien, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, die Slowakei, Slowenien, Rumänien, Großbritannien und Finnland beteiligen.

Mehr: Was kann das Flugabwehrsystem Iris-T SLM?



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Politik

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