Oct 17, 2022
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Internet: Die nächste Lobby-Schlacht – Tech-Konzerne wehren sich gegen Milliardenzahlungen

Written by Christoph Herwartz


Brüssel Netflix soll künftig nicht nur für die Produktion seiner Serien zahlen, sondern auch für die Datenkabel, über die diese Serien gestreamt werden. So wollen es die europäischen Telekomanbieter, und auch in der EU-Kommission gibt es für diese Idee Sympathien. Ein entsprechendes Gesetz könnte Netflix und die anderen großen Tech-Unternehmen aus den USA Milliarden kosten. 

Die Planungen dafür sind noch in einer frühen Phase, aber die beiden entscheidenden Kommissare scheinen sich recht einig zu sein, dass etwas passieren soll: Die Tech-Unternehmen hätten bislang nicht zum Ausbau von Internetleitungen beigetragen, kritisierte Wettbewerbs-Kommissarin Margrethe Vestager im September. Der Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton sagte, es werde eine angemessene Konsultation und dann einen Gesetzesvorschlag geben.

Innerhalb der EU ist man sich einig, dass „alle Marktakteure, die von der digitalen Transformation profitieren“ einen „fairen und angemessenen Beitrag“ für den Ausbau der Infrastruktur leisten sollen. So haben es Parlament und Mitgliedstaaten bereits formuliert.

Für die Tech-Unternehmen ist das eine schlechte Nachricht. Denn es bleibt ihnen nicht viel Angriffsfläche, um die Pläne der Kommission zu verhindern. 

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Die Konstellation erinnert an die Debatten über die großen Internetregulierungen Digital Market Act (DMA) und Digital Services Act (DSA). US-Konzerne lobbyierten jahrelang hart gegen diese Gesetze, trotzdem blieben die Regulierungen einigermaßen unverwässert und treten gerade in Kraft. 

Beteiligung könnte laut Studie den Netzausbau vorantreiben

Die neue Diskussion wird getrieben von den europäischen Telekomanbietern. Mit mehr Geld könnten die Netze schneller ausgebaut werden, was der ganzen Wirtschaft zugutekommen würde, argumentieren sie. Und bisher müssten die – vor allem amerikanischen – Internetkonzerne nur deswegen nicht zahlen, weil sie durch ihre schiere Größe mächtiger sind als die vergleichsweise kleinen Telekomanbieter und darum mehr Verhandlungsmacht hätten. 

>> Lesen Sie hier: EU-Gericht bestätigt Milliardenstrafe gegen Google

Eine Studie im Auftrag des Europäischen Verbands der Betreiber von Telekommunikationsnetzen kommt zu dem Ergebnis, dass eine Beteiligung der Internetkonzerne an den Kosten den Netzausbau vorantreiben würde, was die Wirtschaftsleistung steigern und Arbeitsplätze schaffen könnte. Außerdem könnte der Klimaschaden durch die Internetnutzung verringert werden, so die Studienautoren. Denn die Datenleitungen seien aus Sicht der Inhalteanbieter ein öffentliches Gut: Egal, wie viele Daten sie versenden, es kostet sie nichts.

Müssten die Anbieter aber für jedes Megabyte einen kleinen Betrag zahlen, würden sie auf Effizienz achten und die Datenvolumen reduzieren. Insbesondere würden sie darauf achten, keine Daten zu versenden, von denen der Kunde gar keinen Nutzen hat.

Die Studie listet auch die Unternehmen auf, die besonders viel zahlen müssten: 21 Prozent des globalen Internetverkehrs entfallen demnach auf Google-Dienste. Es folgen Facebook mit 15 Prozent, dann Netflix, Apple, Amazon und Microsoft

Datenkabel

Nach Vorstellungen der europäischen Telekommunikationsanbieter sollen sich US-Konzerne finanziell am Ausbau der Internetleitungen beteiligen.



(Foto: dpa)

Auf diese Unternehmen haben es die Telekomanbieter abgesehen. Eine „faire Lösung“ würde wohl am ehesten akzeptiert, wenn sie sich nur auf Anbieter einer bestimmten Größe beziehen würde, heißt es in der Studie.

Unternehmen verweisen auf bisherige Investitionen

Das könnte noch zu einem Risiko werden: Auch beim DMA sind nur besonders große Unternehmen betroffen, was während des Gesetzgebungsprozesses zu Spannungen zwischen EU und USA führte. Auch jetzt wären es wohl ausschließlich amerikanische Unternehmen, die zahlen müssten, während der Nutzen ausschließlich bei europäischen Unternehmen anfallen würde.

Auch die Gegenseite fährt nun eine Studie auf, in der aufgelistet wird, welche Investitionen die Internetkonzerne bereits leisten – nicht in Datenkabel innerhalb Europas, aber zum Beispiel in Unterseekabel und Rechenzentren. Zusätzliche Gelder würden kaum zu besseren Netzen führen, heißt es dort, sondern vor allem die Profite der Telekomunternehmen erhöhen. Geschädigt würden dadurch vor allem die Kunden. 

„Sehr viele Unternehmen nutzen Cloud-Services. Die Kosten würden an sie weitergereicht“, sagt Christian Borggreen, Europachef des Digital-Lobbyverbands CCIA, in dem Google, Apple, Amazon, Facebook und Microsoft vertreten sind. „Die Telekomanbieter sagen, dass nur eine Handvoll Unternehmen für einen großen Teil des Datenflusses zuständig ist. Doch das ist dumm und falsch“, sagt er. „Es sind die Endkunden, die die Daten anfordern.” 

Die Idee, dass die Anbieter von Internetinhalten für den Transport der Daten zahlen sollen, ist nicht neu. Bisher sind entsprechende Anregungen in der EU immer gescheitert.  

Doch die Telekomanbieter warnen davor, dass in der Zukunft der Datenverkehr exponentiell steigen könnte und sie den notwendigen Netzausbau nicht mehr leisten könnten. Die Internetkonzerne sehen einen anderen Grund für die neu belebte Diskussion: Nach der erfolgreichen Verabschiedung von DMA und DSA sei das politische Klima günstig für den neuen Vorstoß gegen die Internetriesen.

Anders als bei DMA und DSA gibt es nun aber auch deutliche Warnungen von Fachleuten, die befürchten, dass die Kommission einen grundsätzlichen Fehler macht. So stellte das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Berec) vor einigen Tagen eine Analyse vor. 

Darin heißt es, das Internet habe bewiesen, dass es sich an veränderte Bedingungen wie steigende Datenmengen anpassen könne. Eingriffe in den Markt bräuchten eine adäquate Rechtfertigung. Sollten ohne so eine Rechtfertigung neue Gebühren von den Internetkonzernen erhoben werden, warnen die Experten vor einem „signifikanten Schaden für das Internet-Ökosystem“.

Mehr: Gas, Öl, Lieferketten – Wie globale Monopolkonzerne unseren Wohlstand abschöpfen



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Politik

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