Oct 15, 2022
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Verteidigungsindustrie: Weniger an Autokraten, mehr in Krisengebiete: Wie Habeck die Rüstungsexporte umkrempeln will

Written by Julian Olk


Berlin Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will die Regeln für den Verkauf deutscher Waffen und Militärgeräte neu aufstellen. Sein Ministerium hat Eckpunkte für das im Koalitionsvertrag vereinbarte „Rüstungsexportkontrollgesetz“ erarbeitet und will sie in Kürze innerhalb der Bundesregierung abstimmen, heißt es aus Regierungskreisen.

Seit mehreren Monaten laufen im Ministerium unter Federführung von Staatssekretär Sven Giegold die Vorbereitungen für das Gesetz. Die Herausforderung, die richtige Balance zu finden, ist groß. Einerseits stehen die Grünen für eine restriktivere Rüstungspolitik. Russlands Einmarsch in die Ukraine hat die Notwendigkeit verschärft, bei Lieferungen an autoritär geführte Staaten mit mehr Umsicht vorzugehen.

Gleichzeitig sorgt der Krieg dafür, dass eine allgemeine Abrüstung nicht mehr zeitgemäß erscheint. Vielmehr muss die Bundesregierung es nun erst recht schaffen, befreundete Staaten in Problemlagen mit deutscher Rüstung zu unterstützen.

Entsprechend weitreichend sind die Vorschläge aus dem Wirtschaftsministerium, und entsprechend komplex wird das weitere Gesetzgebungsverfahren – insbesondere mit Blick auf die Vereinbarkeit mit einer stärkeren Verteidigungskooperation in Europa.

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Die alte Bundesregierung aus Union und SPD war mit der Genehmigung von Rüstungsexporten ziemlich freihändig umgegangen. So kam es vor, dass Waffen in die Hände von Machthabern gelangten, die nicht als lupenreine Demokraten bekannt sind.

Neue Länder auf der Positiv-Liste

Die geplanten Regeln für Lieferungen an Drittländer sind größtenteils zwar nicht neu. Zukünftig will die Ampel aber Menschenrechten, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit bei Rüstungsexportentscheidungen größeres Gewicht beimessen, heißt es aus Regierungskreisen.

Wenn die Waffen und anderen militärischen Güter zur „internen Repression, zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen sowie zu gender- oder minderheitenspezifischer Gewalt oder im Zusammenhang mit dem Einsatz von Kindersoldaten“ verwendet werden könnten, werde die Regierung in Zukunft keine Genehmigungen mehr erteilen.

So will das Wirtschaftsministerium die Liste der möglichen Empfänger deutscher Rüstungsgüter auf der einen Seite beschneiden. Ursprünglich gab es sogar die Überlegung, „vertrauenswürdige“ Staaten auf einer Länderliste im Gesetz zu definieren, was aber fallen gelassen wurde. Auf der anderen Seite soll der Export aber auch erleichtert werden.

Den Grundsatz, nicht in Krisengebiete zu liefern, der schon für die Unterstützung der Ukraine fallen gelassen wurde, will die Regierung grundsätzlich beiseiteräumen. So soll die Liste der der Nato gleichgestellten Partner, die unbedenklich für Waffenlieferungen sind, um Südkorea erweitert werden, berichten Regierungskreise. Das demokratische Land gilt als Wertepartner, wurde durch die anhaltenden Spannungen mit dem benachbarten Nordkorea bei den Rüstungsexporten bislang aber nicht so behandelt. Auch Singapur, Chile und Uruguay sollen auf die Liste kommen.

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Klar ist bereits, dass die Vorschläge innerhalb der Regierungskoalition noch zu größeren Diskussionen führen werden. Er sehe in den Eckpunkten „Licht und Schatten“, stellte der Vize-Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Hannes Walter (SPD), klar.

Entscheidend wird die Frage sein, wie die neuen Regeln zur europäischen Verteidigungspolitik passen. Deutschland gilt bei Kooperationen im Rüstungsbereich als schwieriger Partner, weil es schon jetzt restriktivere Regeln als etwa Frankreich oder Großbritannien hat.

Gemeinsame europäische Rüstungsprojekte sind kompliziert

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte Mitte September in einer Grundsatzrede zur Nationalen Sicherheitsstrategie deshalb betont, dass Deutschland sich in seiner Rüstungsexportpolitik nicht über die europäischen Partner stellen dürfe.

Die Bundesrepublik mache eine europäische Rüstungszusammenarbeit bis heute dadurch kompliziert, „dass wir auf Sonderregeln beim Export von Rüstungsgütern beharren“, sagte die Ministerin. Welcher Partner solle in gemeinsame Projekte investieren, wenn er immer fürchten müsse, dass Deutschland die Ausfuhr verhindere und so die Refinanzierung erschwere?

Die strengen Exportregeln wurden zwar vom Wirtschaftsministerium nur vereinheitlicht und zusammengeführt. Doch es geht die Sorge um, dass Deutschlands schlechter Stand bei internationalen Rüstungsprojekten damit zementiert würde.

„Es ist erneut ein deutscher Alleingang, obwohl gerade jetzt mehr Europa notwendig wäre“, sagt Wolfgang Niedermark, Mitglied der Geschäftsführung beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, warnte davor, dass die „ohnehin geringen unternehmerischen Spielräume der stark mittelständisch geprägten deutschen Branche noch weiter beschränkt werden“.

Zuletzt hatte Deutschland den Unmut anderer europäischer Staaten auf sich gezogen, als es lange den Export von Ausrüstung und Munition für die Kampfjets Eurofighter und Tornado an Saudi-Arabien blockierte, obwohl die Partnernationen Großbritannien, Italien und Spanien liefern wollten.

Neue Art der Zusammenarbeit bei Gemeinschaftsprojekten

Grund war, dass SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart hatten, keine Rüstungsgüter an Länder zu liefern, die „nachweislich unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind“, was für Saudi-Arabien der Fall ist.

Im September, nach einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Saudi-Arabien, wurde der Export dann doch möglich gemacht. Eine weitere Blockade hielten manche in der Regierung nicht für möglich, weil die Lieferung noch auf Verträgen beruhte, die schon die Vorgängerregierungen geschlossen hatten.

Das Wirtschaftsministerium will die Komplikationen für die deutsche Rüstungsindustrie bei Gemeinschaftsprojekten nicht durch laxere Regeln, sondern durch eine Veränderung der Zusammenarbeit lösen. Bislang kann die Bundesregierung ein Veto einlegen, auch wenn nur ein kleiner Teil eines solchen Projektes aus deutscher Hand kommt. Künftig könnte das durch eine Mehrheitsentscheidung ersetzt werden.

Der Stimmanteil würde sich dabei nach dem Umfang der Projektbeteiligung der jeweiligen Länder richten. In der FPD glauben einige aber nicht, dass das reicht, um Deutschland zum zuverlässigen Partner in gemeinsamen Rüstungsprojekten zu machen. Ihr verteidigungspolitischer Sprecher Alexander Müller meldete bereits Gesprächsbedarf an, „damit dieses Gesetz ein Schritt in die Richtung gemeinsamer europäischer Exportregelungen wird“.

Mehr: „Atomkraft? Nein danke“: Grüne vor schwierigem Parteitag



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Politik

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