Oct 15, 2022
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Bundestreffen in Bonn: Wunsch und Wirklichkeit: Beim Parteitag ringen die Grünen um Verantwortung

Written by Silke Kersting


Annalena Baerbock

Die Bundesaußenministerin auf dem Grünen-Parteitag in Bonn: „Lasst uns zeigen, dass wir stärker sind als dieser Krieg.“


(Foto: REUTERS)

Bonn Vieles hatten sich die Grünen anders vorgestellt nach der Regierungsübernahme im vergangenen Dezember. Jetzt müssen sie Entscheidungen treffen, die permanent Kompromisse und Zumutungen bedeuten. Waffenlieferungen an die Ukraine, reaktivierte Kohlekraftwerke, der Bau von Flüssiggasterminals.

Und doch ist eine lautstarke Gegenwehr der Basis bislang ausgeblieben, auch auf diesem Bundesparteitag im Bonner World Conference Center.

Verglichen mit früheren Jahren sind die Debatten geradezu harmlos. Dagegen zieht sich das Wort „Verantwortung“ wie ein roter Faden durch nahezu alle Reden in Bonn, sowohl bei der Parteispitze als auch bei den Delegierten. „Wir stellen uns der Verantwortung“, sagte Parteichef Omid Nouripour am Samstag.

Deutschland müsse im Ukrainekrieg helfen, wo es möglich sei, „weil wir sehen, dass diese Waffen Menschenleben retten“, sagte Nouripour. „Ich weiß, das ist für eine Friedenspartei nicht einfach, aber Frieden ist nicht einfach.“

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Die Delegierten folgen dem – und sprechen sich mehrheitlich für die Lieferung weiterer Waffen an die Ukraine aus. Mehrere Anträge, in denen Waffenlieferungen als Abkehr von der pazifistischen Tradition der Partei kritisiert wurden, wurden abgelehnt.

Rüstungskontrollgesetz in Vorbereitung

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte mit Blick auf den russischen Angriffskrieg, „jeder Tag des Kriegs ist eine Katastrophe“. Deswegen übernähmen die Grünen Verantwortung und duckten sich nicht weg, Regierungsverantwortung sei keine Bürde. „Wir haben uns diese Zeiten nicht ausgesucht, aber wir können nicht sagen, damit haben wir nichts zu tun.“

Grünen-Co-Chef fordert „schnellstmöglich“ weitere Waffenlieferungen an Ukraine

Die bei den Grünen hochumstrittene kürzliche Zustimmung der Partei in der Bundesregierung zur Lieferung von Munition für Kampfjets in das islamische Königreich Saudi-Arabien verteidigte sie. Die Genehmigung sei eine Folge von Altverträgen bei europäischen Gemeinschaftsprojekten, sagte Baerbock. „Wir liefern nicht direkt nach Saudi-Arabien“, erklärte die frühere Parteivorsitzende.

Die Genehmigung für den Export sei für sie und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schwierig gewesen. Sie sei aber der Auffassung, dass „wir europäische Rüstungskooperation brauchen“. Auch, damit Ausgaben für Soziales nicht zugunsten von nationalen Verteidigungsausgaben gekürzt werden müssten. Für die Zukunft versprach sie eine restriktivere Rüstungspolitik.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat Eckpunkte für das im Koalitionsvertrag vereinbarte „Rüstungsexportkontrollgesetz“ erarbeitet und will sie in Kürze innerhalb der Bundesregierung abstimmen.

>> Lesen Sie hier: Weniger an Autokraten, mehr in Krisengebiete: Wie Habeck die Rüstungsexporte umkrempeln will

Zu den Munitionslieferungen an Saudi-Arabien fanden die Grünen auf dem Parteitag einen Kompromiss, mit dem ihre Regierungsmitglieder weiter freie Hand haben. Demnach lehnt die Partei Rüstungsexporte in das Königreich zwar ab, fordert aber keine Rücknahme der Exportgenehmigung.

Delegierte beim Parteitag der Grünen

Die Grünen mussten viele Kompromisse finden.


(Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen)

Da tut Selbstvergewisserung not, vermutlich, weil das dabei helfen könnte, die friedenspolitische Tradition mit der Rolle als Regierungspartei zu versöhnen: „Wir bleiben eine Friedenspartei“, ruft eine Delegierte in den Saal.

Britta Haßelmann, Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte, sie sei stolz auf diese Partei: „Lasst euch nicht einreden, wir würden an der ein oder anderen Stelle der Lage nicht gerecht.“ Natürlich gebe es Entscheidungen, „mit denen wir ringen“, es gebe viele Fragen, „aber denen werden wir uns stellen, in aller Ernsthaftigkeit“.

Doch es bleiben Fragen. So beschließt der Parteitag 100 Milliarden Euro für zusätzliche Klimaschutzinvestitionen – ohne zu beantworten, wie eine solche Forderung angesichts ohnehin hoher Belastungen für den Haushalt und dem Beharren des Koalitionspartners FDP auf die Schuldenbremse umsetzbar sein könnte. Auch eine Vermögensteuer zur Krisenbewältigung soll kommen – was mit der FDP wohl ebenfalls kaum machbar sein wird.

Einen Punktsieg hatte es für Wirtschaftsminister Habeck am Freitag gegeben. Die Delegierten stimmten seinem Vorschlag zu, die beiden süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim bis zum Frühjahr 2023 am Netz zu behalten. „Als Minister, der am Ende für die Versorgungssicherheit zuständig ist“, hatte Habeck um Zustimmung gebeten.

Der koalitionsinterne Streit um den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke ist damit nicht abgeräumt. Die FDP fordert einen Weiterbetrieb der Atommeiler über 2023 hinaus.

Mehr: Grüne stimmen Einsatzreserve von zwei Atommeilern über den Jahreswechsel zu



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