Oct 18, 2022
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Tarifverhandlungen: Tarif-Abschluss steht: Chemie-Beschäftigte erhalten mehr Gehalt und eine Sonderzahlung

Written by Frank Specht


Bayer-Werk in Leverkusen

Die rund 580.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie erhalten mehr Geld.


(Foto: imago/blickwinkel)

Berlin In den Tarifverhandlungen für die rund 580.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist in der dritten Runde ein Durchbruch gelungen. Die Löhne und Gehälter steigen in zwei Stufen um insgesamt 6,5 Prozent. Ab Januar 2023 werden sie zunächst um 3,25 angehoben, ein Jahr später folgt eine zweite Erhöhung in gleicher Höhe.

Außerdem zahlen die Unternehmen jene 3000 Euro Inflationsgeld, die die Bundesregierung von Steuern und Abgaben befreien will. Die Auszahlung erfolgt in zwei Tranchen von je 1500 Euro spätestens im Januar 2023 und im Januar 2024. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 20 Monaten bis Ende Juni 2024.

Der Verhandlungsführer des Bundesarbeitgeberverbands Chemie (BAVC), Hans Oberschulte, sprach von einem „krisengerechten Abschluss“. Er biete die notwendige Flexibilität für Unternehmen, „die jetzt oder in Zukunft in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind“. So können beide Stufen der Entgelterhöhung aus wirtschaftlichen Gründen jeweils um bis zu drei Monate verschoben werden.

Schreibt ein Betrieb rote Zahlen, wird die Entgelterhöhung um zwei Monate verschoben, bei einer Nettoumsatzrendite unter drei Prozent um einen Monat. Schließt ein Unternehmen eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat, sind auch drei Monate Verschiebung drin. Die Sonderzahlungen von jeweils 1500 Euro können dagegen nicht verschoben und auch nicht abgesenkt werden.

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„Wir haben unter miserablen Rahmenbedingungen Wort gehalten und eine intelligente Kombination aus schnell spürbarer Entlastung und nachhaltigem Lohnplus durchgesetzt“, sagte der Verhandlungsführer der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Ralf Sikorski.

Die Kombination aus steuerfreien Sonderzahlungen und tabellenwirksamer Entgelterhöhung bringen den Beschäftigten über die Laufzeit eine Nettoentlastung von durchschnittlich 12,9 Prozent, in der Einstiegsentgeltgruppe sogar von 15,6 Prozent.

Für das Personalbudget der Betriebe bedeutet der Abschluss aufs Jahr gerechnet laut BAVC eine Mehrbelastung von drei Prozent. Bei einer Bruttoentgeltsumme, die in der chemisch-pharmazeutischen Industrie 2019 bei rund 35 Milliarden Euro lag, sind das also rund eine Milliarde Euro.

Abschluss könnte Vorbildcharakter für andere Branchen haben

Es ist der erste größere Abschluss, der unter dem Eindruck des Ukrainekriegs und stark gestiegener Preise gelang. Die Inflation erreicht seit Kriegsausbruch am 24. Februar immer neue Höhen. Im September verteuerten sich die Verbraucherpreise um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Die Arbeitgeber hatten in den Gesprächen aber auch auf die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verwiesen. So hätten die Unternehmen seit Beginn des Ukrainekriegs ihre Produktion um zwölf Prozent herunterfahren müssen. Außerdem rolle auf die Betriebe eine Energiepreislawine zu.

Die Gewerkschaft betonte, dass die Beschäftigten angesichts der stark gestiegenen Preise ein deutliches Lohnplus erwarteten. Außerdem seien steigende Verdienste eine direkte Investition in die Volkswirtschaft, weil sie die Kaufkraft steigerten und damit den Konsum ankurbeln könnten.

Die Verhandlungen waren bereits im März aufgenommen worden. Die IG BCE hatte bei ihrem Forderungsbeschluss im Februar „eine nachhaltige Steigerung der Kaufkraft“ in den Mittelpunkt gestellt. Damals lag die Inflationsrate aber noch bei gut fünf Prozent.

>> Lesen Sie hier: Regierung erwartet 2023 deutlich weniger Inflation – Gas- und Strompreisbremse sollen helfen

Zwei Tage nach Bekanntgabe der Forderung begann der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit durch den Krieg und der stark steigenden Preise vor allem für Energie hatten sich beide Seiten dann Anfang April auf eine „Brückenlösung“ verständigt. Arbeitgeber und Gewerkschaft einigten sich darauf, die Verhandlungen zu unterbrechen und im Oktober wieder aufzunehmen.

Bis dahin erhielten die Beschäftigten eine „Brückenzahlung“ in Höhe von 1400 Euro. Betriebe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten konnten die Zahlung auf 1000 Euro reduzieren. Davon machten etwa sieben Prozent der Unternehmen der Branche Gebrauch. Inklusive der Brückenlösung beträgt die Laufzeit des Tarifvertrags sogar 27 Monate.

Der Abschluss könnte Signalwirkung für die laufenden Tarifverhandlungen für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie haben. Hier ist die IG Metall mit der Forderung nach acht Prozent mehr Geld angetreten.

Im Januar beginnen zudem die Tarifverhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Hier fordern die Gewerkschaften Verdi und DBB Beamtenbund und Tarifunion 10,5 Prozent.

Der Chemie-Tarifabschluss habe Signalwirkung über die Branche hinaus, sagte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis. „Beweist er doch, dass gut gemachte Tarifpolitik zentraler Baustein eines gesamtgesellschaftlichen Bollwerks gegen Inflation und Energiekrieg sein kann.“ BAVC-Präsident Kai Beckmann sprach von einem „Signal für Standort und Beschäftigung“.

Mehr: Höchste Tarifforderungen seit Jahren: Droht nun die Lohn-Preis-Spirale?



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Politik

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