Oct 18, 2022
124 Views
Comments Off on Neues Kabinett in Schweden: Regierungsprogramm mit Zugeständnissen an die Rechtspopulisten
0 0

Neues Kabinett in Schweden: Regierungsprogramm mit Zugeständnissen an die Rechtspopulisten

Written by Helmut Steuer


Ulf Kristersson

Das Kabinett des neuen schwedischen Regierungschefs besteht aus 23 Ministerinnen und Ministern.


(Foto: via REUTERS)

Stockholm Der neue schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson hat schon einmal vorgebeugt: „Es kann noch schlimmer werden, bevor es besser wird“, warnte er am Dienstagvormittag in seiner Regierungserklärung. Wenige Stunden später überreichte der schwedische König Carl Gustaf ihm und seinem Kabinett die Ernennungsurkunden.

Der 58-jährige Kristersson führt eine Mitte-rechts-Koalition aus seiner Moderaten Sammlungspartei, den Christdemokraten und den Liberalen an. Die Schwedendemokraten sind zwar nicht Bestandteil der Regierung, werden aber erstmals seit ihrem Einzug ins Parlament 2010 in die Regierungsarbeit mit einbezogen.

Kristerssons Drei-Parteien-Regierung ist auf die Unterstützung der Rechtsaußenpartei angewiesen, da seine Koalition keine eigene Mehrheit besitzt.

Dafür musste die neue Koalition große Zugeständnisse an die Schwedendemokraten machen. So will die Regierung künftig ihre Einwanderungs- und Asylpolitik deutlich verschärfen. Auf Druck der aus der Neonaziszene entstandenen Partei will Schweden statt der bisherigen 6400 Quotenflüchtlinge pro Jahr nur noch 900 aufnehmen. Auch sollen die allgemeinen Asylregeln verschärft werden.

Top-Jobs des Tages

Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.

In einem gemeinsamen Regierungsprogramm, an dessen Ausarbeitung auch die Schwedendemokraten beteiligt waren, sprechen die Parteien von einem „Paradigmenwechsel“ in der Asylpolitik. „Schweden soll in Bezug auf das Asylrecht keinesfalls großzügiger sein, als es die Verpflichtungen aus dem EU-Recht oder anderen rechtsverbindlichen internationalen Verträgen notwendig machen“, heißt es in dem Regierungsprogramm, das auch Etatkürzungen in der Entwicklungshilfe vorsieht.

Wähler honorierten härtere Strafen für Bandenkriminelle

Außerdem will die neue Regierung den Familiennachzug beschränken. Ausländer, deren „Lebenswandel“ nicht dem schwedischen Normativ entspricht, sollen abgeschoben werden können. Kristersson beschrieb in seiner Regierungserklärung, dass zu einem mangelhaften Lebenswandel beispielsweise Prostitution und Drogenhandel zählen.

Auch in der Energiepolitik ist die Handschrift der Rechtspopulisten zu erkennen. Denn die neue Regierung will neue Atomkraftwerke bauen und nimmt damit frühere Ausstiegsbeschlüsse zurück. Am deutlichsten wird der Einfluss der Schwedendemokraten jedoch bei der Kriminalitätsbekämpfung.

Es ist vor allem die organisierte Bandenkriminalität, die den Wahlkampf dominiert und den Schwedendemokraten den Wählerzulauf beschert hat. Sie fordern seit Langem härtere Strafen für Bandenkriminelle und fanden damit Gehör bei vielen Wählern. Die Schwedendemokraten wurden erstmals zweitstärkste Partei in Schweden nach den Sozialdemokraten.

>> Lesen Sie mehr: Kontrolle über die Ostsee – Schweden wird für die Nato zum strategischen Glücksfall

Tatsächlich vergeht kaum noch ein Tag, an dem es nicht zu Schießereien zwischen verfeindeten Gangs kommt. Waren davon bislang hauptsächlich die Großstädte Stockholm, Göteborg und Malmö betroffen, verlagern sich die gewalttätigen Auseinandersetzungen rivalisierender Gangs zunehmend auch in mittelgroße Städte. Allein in diesem Jahr sind bei Schießereien bis Mitte Oktober 53 Menschen getötet worden.

Im gesamten Vorjahr lag die Zahl der Todesopfer bei Schießereien bei 45. Damit nimmt Schweden einen traurigen Spitzenplatz in Europa ein. Kristersson kündigte am Dienstag eine Strafverdoppelung bei Gewaltdelikten an.

Vertreter der Schwedendemokraten mit in der Regierung

Die Schwedendemokraten sehen sich selbst als der große Gewinner der Verhandlungen. „Wir bekommen einen bedeutenden sachpolitischen Einfluss“, jubelte ihr Vorsitzender Jimmie Åkesson. Ihm blieb zwar ein Ministeramt verwehrt, aber immerhin wird seine Partei eigene Vertreter in die Regierungskanzlei entsenden.  

Mit Spannung war die Kabinettsbesetzung von Ulf Kristerssons Minderheitsregierung erwartet worden. Er ernannte 23 Ministerinnen und Minister. Zwölf Positionen entfallen auf Kristerssons konservative Partei Moderaterna, sechs auf die Christdemokraten und fünf auf die Liberalen.

Die beiden wichtigsten Posten im Finanz- und im Außenministerium werden Parteifreunde des neuen Ministerpräsidenten übernehmen. Wie erwartet wird Elisabeth Svantesson, 54, Finanzministerin. Noch in der Opposition war die ausgebildete Ökonomin jahrelang finanzpolitische Sprecherin ihrer Partei. Regierungserfahrung hat sie auch: 2013 bis 2014 war sie Arbeitsmarktministerin.

Das Außenministerium übernimmt der 48-jährige Tobias Billström, der zwischen 2006 und 2014 Migrationsminister war.

Auf Svantesson und Billström warten eine Reihe großer Herausforderungen. Die neue Finanzministerin muss die angespannte ökonomische Lage mit einer Inflation von knapp unter zehn Prozent, einer steigenden Arbeitslosigkeit und vielen neuen Ausgabenposten in den Griff bekommen.

Billström steht vor schwierigen Verhandlungen mit der Türkei, die bislang dem schwedischen und finnischen Nato-Beitritt nicht zugestimmt hat. Ankara wirft Schweden vor, zu große Sympathien für die Kurdische Arbeiterpartei zu zeigen. Außerdem muss er die EU-Ratspräsidentschaft vorbereiten, die Schweden am 1. Januar für ein halbes Jahr übernimmt.

Das bislang jüngste Kabinettsmitglied des Landes, die 26-jährige Romina Pourmokhtari, wird Schwedens neue Klima- und Umweltministerin. Sie hat iranische Wurzeln und war bislang Vorsitzende der jungen Liberalen. Diesen Posten gibt sie im November ab.

Mit Agenturmaterial.

Mehr: Weniger Einwanderer, mehr Atomkraft – Schwedens neue Regierung schwenkt nach rechts



<< Den vollständigen Artikel: Neues Kabinett in Schweden: Regierungsprogramm mit Zugeständnissen an die Rechtspopulisten >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.