Oct 18, 2022
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IT-Sicherheit: Innenministerin Faeser beruft BSI-Chef Schönbohm ab

Written by Dietmar Neuerer


Berlin Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat den Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, abberufen. Das teilte ein Sprecher ihres Ministeriums am Dienstag in Berlin mit – zuerst hatte der „Spiegel“ berichtet.

Die Verbindung von Schönbohm zu dem Verein war zuvor von Jan Böhmermann in der Sendung „ZDF Magazin Royale“ thematisiert worden. Aus dem Innenministerium hieß es danach, man nehme die Vorwürfe „sehr ernst“. Weiter: „Wir gehen diesen auch sehr umfassend nach – in all ihren Facetten.“ Der Verein selbst, der nach eigenen Angaben Unternehmen, Politiker und Behörden in Sachen Cybersicherheit berät, hatte Verbindungen zu russischen Nachrichtendiensten als „absurd“ zurückgewiesen.

Ein Sprecher des Innenministeriums begründete die jetzt erfolgte Abberufung Schönbohms damit, dass wegen der Vorwürfe gegen ihn „das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Unparteilichkeit der Amtsführung als Präsident der wichtigsten deutschen Cybersicherheitsbehörde nachhaltig beschädigt“ sei. „Dies gilt umso mehr in der aktuellen Krisenlage hinsichtlich der russischen hybriden Kriegsführung.“ Die im Raum stehenden Vorwürfe beeinträchtigten auch das „unerlässliche Vertrauensverhältnis“ der Ministerin in die Amtsführung.

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Unabhängig davon würden alle Vorwürfe „gründlich und mit Nachdruck geprüft und einer eingehenden Bewertung unterzogen“, sagte der Ministeriumssprecher weiter. Wer künftig das BSI mit seinen über 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen wird, ist noch unklar. Die Nachfolge solle zügig geklärt werden, hieß es in Regierungskreisen.

Das BSI ist gefragter denn je – und nun führungslos

Der Vorgang ist brisant. Denn die Vorwürfe gegen Schönbohm fallen in eine Zeit, in der wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine das Risiko von Cyberattacken gegen westliche Staaten deutlich zugenommen hat und das BSI gefragter denn je ist.

Hinzu kommt, dass die Cybersicherheitsbehörde des Bundes nach den Plänen der Ampelkoalition zur Zentralstelle für Cybersicherheit ausgebaut werden soll. Durch die möglichen Kontakte Schönbohms zu russischen Geheimdienstkreisen über den „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“ wurde das Vorhaben torpediert.

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler hält die Entscheidung der Ministerin für folgerichtig. Das zu große „Näheverhältnis des BSI-Chefs zu einem dubiosen Verein und dessen Präsidenten, der sich von Russland wiederholt hat vor den Karren spannen lassen und der zu seinen Weggefährten gehört“, sei untragbar geworden, sagte Fiedler dem Handelsblatt. „Das BSI wird künftig in der Sicherheitsarchitektur eine bedeutende Rolle einnehmen.“ Umso wichtiger sei nun ein personeller Neuanfang an der Spitze.

Der Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums des Bundestags, Konstantin von Notz (Grüne), forderte Aufklärung über die Vorwürfe gegen Schönbohm. „Zentrale Fragen in der Causa Schönbohm sind bis heute unbeantwortet“, sagte der Grünen-Fraktionsvize dem Handelsblatt. „Wir brauchen Klarheit bezüglich der offenkundig heiklen Frage, ob es russische Spionageaktivitäten im Umfeld des BSI gegeben hat.“ Auch seien die genauen Vorwürfe, die gegen Schönbohm erhoben werden, bislang ungeklärt.

„Auf all diese Fragen hätten wir gerne belastbare Antworten gehabt – bevor man personellen Konsequenzen zieht“, sagte von Notz. „Wir hätten es als angemessen empfunden, zunächst die notwendige Sachaufklärung entschlossen weiter voranzubringen.“ Von Notz betonte in diesem Zusammenhang die Rolle des BSI als „eine maximal relevante Sicherheitsbehörde“. „Wir dürfen keineswegs zulassen, die Integrität des Amtes weiter zu beschädigen.“ Faeser müsse nun die zahlreichen offenen Fragen „schnellstmöglich“ beantworten. „Hierzu gehört auch, sich schnellstmöglich zur geplanten Nachfolge von Arne Schönbohm zu erklären.“

Dubiose IT-Firma war Mitglied in dem umstrittenen Cybersicherheits-Verein

Zu den Gründen, warum Schönbohm in Bedrängnis geraten ist, gehört die Berliner Cybersecurity-Firma Protelion, die bis vor kurzem noch Mitglied in dem Cybersicherheits-Verein war. Das Unternehmen firmierte bis Ende März unter dem Namen Infotecs GmbH.

Dabei handelt es sich um ein Tochterunternehmen der russischen Cybersecurityfirma O.A.O.Infotecs, die nach Informationen des Recherchenetzwerks Policy Network Analytics von einem ehemaligen Mitarbeiter des russischen Nachrichtendienstes KGB gegründet wurde.

Mit der Gründung des Vereins im Jahr 2012 hatte sich Schönbohm schon in der damaligen Regierungskoalition nicht nur Freunde gemacht. Denn der Name stimmt weitgehend mit dem des 2011 von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Nationalen Cyber-Sicherheitsrats überein. Der Verein gibt sich damit bewusst einen pseudooffiziellen Anstrich.

Schönbohm war nach Informationen des Handelsblatts mehrfach nahegelegt worden, sich von dem Verein zu distanzieren. Den Mitarbeitern seiner Behörde erteilte der oberste IT-Sicherheitshüter des Landes vor langer Zeit bereits die Weisung, nicht mehr gemeinsam mit Vertretern des Vereins aufzutreten.

Genau das tat Schönbohm jedoch Anfang September. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins hielt der BSI-Chef bei einem Festakt mit 200 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft eine Rede.

Schönbohm war von Anfang an umstritten

Die neuerlichen Vorwürfe und Schönbohms Besuch beim Jubiläum des Vereins haben das Fass nun offenbar zum Überlaufen gebracht.

Schönbohm wurde als Sohn des CDU-Politikers und ehemaligen Brandenburger Innenministers Jörg Schönbohm 1969 in Hamburg geboren. Der diplomierte Betriebswirt studierte internationale Betriebswirtschaft in Dortmund sowie in London und Taipeh.

Berufliche Stationen waren unter anderem Daimler-Chrysler Aerospace und der Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS. Vor seiner Berufung zum BSI-Chef leitete Schönbohm die BSS BuCET Shared Services AG, eine Beratungsfirma für IT-Sicherheit.

Die Personalie Schönbohm war schon vor seiner Ernennung zum BSI-Chef umstritten. Bei Bekanntwerden der Pläne vor sechs Jahren kritisierten Skeptiker, dass Schönbohm ausgewiesener Lobbyist der IT-Wirtschaft sei. Sie sprachen ihm die nötige Neutralität ab.

Auch seine fachliche Kompetenz in Sicherheitsfragen wurde seinerzeit infrage gestellt. So bezeichnete Constanze Kurz vom Chaos Computer Club den 53-Jährigen als „Cyberclown“, der in erster Linie Ökonom, aber kein Sicherheitsexperte sei.

Mehr: „Extrem verwundbar“ – Grünen-Politiker von Notz warnt vor russischen Angriffen auf Internet-Unterseekabel



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Politik

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