Oct 20, 2022
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Gaspreisdeckel: Deutschland droht Niederlage beim EU-Gipfel – weil der Kanzler etwas vernachlässigt haben soll

Written by Christoph Herwartz

Brüssel Bundeskanzler Olaf Scholz läuft Gefahr, eine schwere europapolitische Niederlage zu kassieren: Beim Brüsseler Treffen der Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag und Freitag könnte Deutschland in einem wichtigen Punkt überstimmt werden.

Es geht um die Frage, ob der Gaspreis, den europäische Importeure auf dem Weltmarkt zahlen, künftig in außergewöhnlichen Fällen gedeckelt werden soll. Die Rede ist von einem „Marktkorrekturmechanismus“.

Die Bundesregierung hält solche Eingriffe für falsch, doch die Kommission will ihren Vorschlag durchbringen und ist sich sicher, eine Mehrheit der Mitgliedstaaten auf ihrer Seite zu haben. Es hat sich einiges aufgestaut in den vergangenen Wochen. Länder wie Italien sind über das Auftreten der Deutschen extrem verärgert.

Scholz habe es versäumt, für seine Position zu werben und Mehrheiten zu organisieren, heißt es in Brüssel. Seine Vorgängerin Angela Merkel habe immer ein Gespür für die Stimmungen im Europäischen Rat gehabt, dem Gremium der Mitgliedsstaaten. Vor EU-Gipfeln habe Merkel regelmäßig selbst zum Hörer gegriffen, um in wichtigen Angelegenheiten einen Konsens zu schaffen. Scholz hingegen habe diese Beziehungspflege vernachlässigt. Dafür gibt es nun die Quittung. 

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Gemeinsam mit Frankreich, Griechenland und Belgien dringen die Italiener seit Monaten darauf, die Gaspreise zu begrenzen. Sie wollen eigentlich noch deutlich mehr als den von der Kommission vorgeschlagenen Marktkorrekturmechanismus. Aber schon dieser triff in Deutschland auf Vorbehalte.

Deutschland ist skeptisch gegenüber den EU-Plänen

Scholz bekräftigte seine Position kurz vor seinem Abflug nach Brüssel in einer Regierungserklärung im Bundestag. Der Gasmarkt sei von Knappheit geprägt, mahnte er. Man werde zwar darüber reden müssen, „wie wir mit Preisspitzen umgehen“. Die Vorschläge der Kommission werde sich die Regierung „genau ansehen“.

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Scholz warnte aber ausdrücklich vor einer Obergrenze für den Gaspreis. „Ein politisch gesetzter Preisdeckel birgt aber immer das Risiko, dass die Produzenten ihr Gas dann anderswo verkaufen und wir als Europäer am Ende nicht mehr Gas bekommen, sondern weniger“, argumentierte der Kanzler im Bundestag. In Regierungskreisen hieß es, es gäbe noch „Gesprächsbedarf“.

Die EU-Kommission hatte am Dienstag den Marktkorrekturmechanismus vorgeschlagen. Der Gesetzentwurf sieht „einen vorübergehenden Mechanismus zur Begrenzung von Episoden überhöhter Gaspreise“ vor. Sollten sich die Mitgliedstaaten darauf einigen, müssten die Details von den Experten der Kommission ausgearbeitet werden.

Es geht der Kommission um Eingriffe in Ausnahmefällen. Zum Beispiel dann, wenn es zu kurzfristigen Lieferausfällen kommt und die Märkte in Panik geraten. Der Brüsseler Behörde ist bewusst, dass solche Interventionen heikel sind. Daher betont sie, dass der Gasmarkt nicht gestört werden darf, damit weiter genug Gas geliefert wird und der Verbrauch nicht steigt.

Dennoch bleiben die Deutschen skeptisch. Politisch unterstützt werden sie von den Niederlanden. Ansonsten aber haben sie kaum noch Verbündete.

Iberischer Preisdeckel wäre noch riskanter

Parallel zu diesem „Marktkorrekturmechanismus“ wird es auf dem Gipfel auch eine Diskussion um einen deutlich weitergehenden „iberischen Gaspreisdeckel“ gehen, der die Preise dauerhaft und spürbar drücken soll. Dieser Deckel richtet sich nicht nach außen auf den Weltmarkt, sondern nach innen: Er würde sicherstellen, dass die Gaskunden in Europa niemals mehr als einen gewissen Betrag pro Megawattstunde bezahlen müssen. Damit der Markt trotzdem funktioniert, müssten die Staaten oder die EU den Unterschied zum Marktpreis ausgleichen.

Ursula von der Leyen

Die EU-Kommissionspräsidentin muss gemeinsam mit den Mitgliedsländern eine Lösung finden.



(Foto: dpa)

Eine Variante dieses Deckels existiert in Spanien und Portugal, darum ist vom „iberischen“ Modell die Rede. Das Problem ist, dass dabei die Kraftwerke bezuschusst werden und kein Anreiz gesetzt wird, weniger Gas zu verbrauchen. Außerdem besteht die Gefahr, dass der so subventionierte Strom ins Ausland abfließt.

Die Bundesregierung lehnt weitreichende Markteingriffe nachdrücklich ab. Allerdings verliert Deutschland auch für diese Position an Unterstützung. Den wichtigsten Rückhalt gab bislang die EU-Kommission.

Von der Leyen ändert ihre Position

Die Beamten aus Brüssel sehen ähnliche Gefahren wie die Kollegen aus Berlin. Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans sagte Anfang der Woche, das iberische Modell „lässt sich nicht auf ganz Europa übertragen“.

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Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war in dieser Woche aber deutlich offener. Die Finanzierung des iberischen Modells und die möglichen Gasabflüsse ins Ausland seien technische Fragen und ließen sich möglicherweise lösen, sagte die CDU-Politikerin. 

Die Befürworter des iberischen Gaspreisdeckels wollen den Gipfel nun dazu nutzen, sich klar für dieses Modell auszusprechen. Je mehr Staaten sich dieser Haltung anschließen, desto schwieriger wird es für die EU-Kommission, sich dem zu widersetzen.

Den iberischen Gaspreisdeckel zu verhindern wird die wichtigste Aufgabe für Olaf Scholz auf diesem Gipfel sein. Entsprechend wird er eine Niederlage beim Marktkorrekturmechanismus möglicherweise akzeptieren müssen.

Mehr: „Es gibt keinen Zauberstab, mit dem man aus teurem Gas billiges Gas zaubern könnte“ – EU-Kommissionsvize Frans Timmermans im Interview



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