Oct 25, 2022
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Datenschutz: Quick-Freeze-Verfahren: Vorstoß des Justizministers entfacht neuen Streit um Vorratsdatenspeicherung

Written by Heike Anger

Berlin Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat einen Entwurf für ein neues Ermittlungsinstrument vorgelegt, mit dem die umstrittene Vorratsdatenspeicherung ersetzt werden soll. Mit dem sogenannten Quick-Freeze-Verfahren werde „die Menge der zu speichernden Daten auf das notwendige Maß begrenzt, da nur die bei den Anbietern von Telekommunikationsdiensten aus geschäftlichen Gründen ohnehin bereits vorhandenen und künftig anfallenden Verkehrsdaten gesichert werden dürfen“, heißt es in dem Referentenentwurf, der dem Handelsblatt vorliegt.

Konkret können die Ermittlungsbehörden mit dem Quick-Freeze-Verfahren beim Verdacht auf eine erhebliche Straftat Daten wie Verbindungs- und Standortdaten oder IP-Adressen beim Telekommunikationsanbieter sichern lassen. Dieses „Einfrieren“ muss ein Richter anordnen. Möglich soll dies bei schweren Straftaten wie etwa Totschlag, Erpressung oder Kindesmissbrauch sein.

Wenn sich dann im Zuge der weiteren Ermittlungen herausstellt, dass die Daten tatsächlich für das Verfahren benötigt werden, können die gesicherten Daten an die Ermittlungsbehörden übermittelt werden. Auch dieses „Auftauen“ muss von einem Richter angeordnet werden.

Der Entwurf sieht vor, „die Sicherungsanordnung auf höchstens einen Monat zu befristen“. Danach ist eine höchstens zweimalige Verlängerung „um jeweils nicht mehr als einen Monat zulässig“. Bei Quick Freeze können die Verkehrsdaten also nicht länger als drei Monate gespeichert werden.

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„Hierdurch wird ein ausgewogener Ausgleich zwischen dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung und dem Interesse der Bürgerinnen und Bürger am Schutz ihrer personenbezogenen Daten und der Vertraulichkeit ihrer Kommunikation geschaffen“, heißt es in dem Entwurf.

Für die Telekommunikationsunternehmen soll künftig die Pflicht gelten, dass sie bei Sicherungsanordnungen die Verkehrsdaten speichern müssen. In der Regel speichern die Provider die Daten ohnehin zumindest für einige Tage, zum Beispiel für Abrechnungszwecke. Die Telekom etwa gibt eine Speicherdauer von sieben Tagen an. Daten können also meist ein Stück weit rückwirkend und dann über den Zeitpunkt der Anordnung hinaus gespeichert werden.

Laut Entwurf wird es aber keine Verpflichtung geben, Daten grundsätzlich für eine bestimmte Dauer vorzuhalten. Anbieter, die Daten aus Geschäftsgründen gar nicht speichern, müssen ihr Geschäftsmodell also nicht ändern. Hier können dann nur die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Anordnung gespeichert werden.

Innenministerin Faeser reagiert mit Ablehnung

Die bisherigen Regelungen zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung von Verkehrsdaten sollen nach dem Willen Buschmanns aus dem Gesetz gestrichen werden. Derzeit ist die Vorratsdatenspeicherung hierzulande ausgesetzt.

Im September hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Speicherung von Telekommunikationsdaten zur Aufklärung von Straftaten in Deutschland enge Grenzen gesetzt. Die Richter stellten klar, dass die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung mit EU-Recht unvereinbar seien. Sie erklärten aber zugleich, dass zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen möglich sei. Von den vom EuGH aufgezeigten Spielräumen will Buschmann keinen Gebrauch machen: In dem Entwurf finden sich keine entsprechenden Passagen.

>> Lesen Sie auch: Generelle Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht

Das Vorhaben ging am Dienstag zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung, wo es zum Teil Vorbehalte gegen das von ihm vorgeschlagene Quick-Freeze-Verfahren gibt. So reagierte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Ablehnung auf den von Buschmann vorgelegten Entwurf.

Die durch den EuGH eingeräumten Möglichkeiten zur Schaffung gezielter Speicherverpflichtungen „werden in dem Entwurf nicht umgesetzt“, sagte Faeser dem Handelsblatt. Explizit habe der EuGH entschieden, dass IP-Adressen von Computern gespeichert werden dürften, um schwere Kriminalität bekämpfen zu können.

„Was der EuGH ausdrücklich für mit unseren Grundrechten vereinbar erklärt hat und was für die Bekämpfung schwerer Kriminalität dringend erforderlich ist, sollten wir umsetzen“, forderte Faeser.

Innenministerin will EuGH-Möglichkeiten nutzen

Der EuGH gestatte etwa auch gezielte Speicheranordnungen für Orte wie Flughäfen oder Bahnhöfe und für Gegenden mit einer hohen Kriminalitätsbelastung. „Für die Bekämpfung schwerer Straftaten und für den Schutz unserer inneren Sicherheit sind das sehr wichtige Aussagen des Europäischen Gerichtshofs“, betonte Faeser. „Die damit eröffneten rechtlichen Möglichkeiten müssen wir nutzen, um bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität, von extremistischen und terroristischen Bedrohungen und anderen schweren Straftaten konsequent handeln zu können.“

Faeser sagt, das Quick-Freeze-Verfahren könne „als flankierendes Instrument in spezifischen Anwendungsfällen zum Einsatz kommen und wichtige Ermittlungserkenntnisse liefern“. Es sei allerdings „kein adäquater Ersatz für eine Speicherung von IP-Adressen“.

Faeser betonte, das sei für sie keine ideologische Frage. „Ich will keine alten Debatten führen, sondern pragmatisch handeln im Sinne der Freiheit und Sicherheit der Menschen in Deutschland“, sagte sie.

Der Koalitionsvertrag knüpfe an die EuGH-Entscheidung an – „und gibt uns daher den Raum, das, was zulässig und dringend notwendig ist, auch umzusetzen“. Dabei sei ihr besonders wichtig, sexualisierte Gewalt gegen Kinder entschieden zu bekämpfen. Kein Täter dürfe sich vor Strafverfolgung sicher fühlen. „Die Speicherung der IP-Adressen, mit denen wir Täter identifizieren können, ist unbedingt erforderlich – und nach dem EuGH-Urteil zulässig.“

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es, Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung würden so ausgestaltet, „dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können“.

Mehr: Der neue Bundesjustizminister legt einen ruckeligen Start hin



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