Oct 27, 2022
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Griechenland: Scholz reist nach Athen – Griechen hoffen auf klaren Kurs gegen türkische Gebietsansprüche

Written by Gerd Höhler


Kyriakos Mitsotakis und Olaf Scholz (Bild vom EU-Gipfel im Oktober 2022)

Die beiden Regierungschefs treffen sich in Athen, um über Energie, Rüstung und die Türkei zu sprechen.



(Foto: Reuters)

Athen, Berlin Für weniger als 24 Stunden fliegt Bundeskanzler Olaf Scholz am späten Mittwochabend von seinem Treffen mit Emmanuel Macron in Paris nach Athen. Die Agenda der Stippvisite beim griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis ist umfangreich: Es geht um die Energiepolitik, Rüstungsthemen, den Krieg in der Ukraine und die Konflikte mit der Türkei.

Das Besuchsprogramm beginnt am Donnerstagmorgen mit einem Spaziergang über die Akropolis, zu dem Mitsotakis seinen Besucher eingeladen hat. Am Parthenon-Tempel erwarten Scholz ein wolkenloser Himmel und 26 Grad – ein Beleg für das Solarpotenzial des Landes. Davon könnte auch Deutschland profitieren.

Energieminister Kostas Skrekas schlägt die Verlegung eines Kabels vor, das griechischen Ökostrom über den Balkan nach Österreich und Süddeutschland bringen soll. Griechenland wird Ende dieses Jahres 46 Prozent seiner Elektrizitätsproduktion aus erneuerbaren Quellen decken. Bis 2030 sollen es 70 Prozent sein.

Konkreter als die Strompläne ist bereits ein Rüstungsdeal. Tieflader brachten vergangene Woche sechs Schützenpanzer des Typs Marder 1A3 aus Deutschland nach Griechenland. Im Rahmen eines Ringtauschs erhalten die griechischen Streitkräfte insgesamt 40 Marder aus Deutschland.

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Dafür geben sie die gleiche Zahl von Schützenpanzern des sowjetischen Modells BMP-1 an die Ukraine ab. Die ersten Exemplare trafen gerade noch rechtzeitig ein, um sie bei der traditionellen Militärparade zum griechischen Nationalfeiertag am Freitag vorführen zu können. Danach werden sie am Fluss Evros stationiert, an der Grenze zur Türkei.

Scholz trifft Mitsotakis in Athen

Rüstungskonzerne hoffen auf gute Geschäfte in Griechenland

Es soll nicht bei den Mardern bleiben. Der deutschen Rüstungsindustrie winken in Griechenland Milliardenaufträge. Mitsotakis hat das größte Aufrüstungsprogramm in der jüngeren Geschichte Griechenlands angestoßen, um die benachbarte Türkei in Schach zu halten. Beide Länder haben seit Jahrzehnten Grenzstreitigkeiten, die sich in den vergangenen Jahren verschärften.

Bisher kamen vor allem Frankreich und die USA mit Kampfflugzeugen, Hubschraubern und Fregatten zum Zuge. Jetzt kommen deutsche Waffenschmieden an die Reihe.

Griechenland betreibt eine der größten Panzerflotten in Europa. Allein 873 Kampfpanzer der deutschen Typen Leopard 1 und Leopard 2 gehören zum Inventar. Knapp 400 davon sollen in den nächsten Jahren modernisiert werden. Der Auftrag dürfte an den Hersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) gehen. Die Ertüchtigung der Panzer könnte in Griechenland erfolgen.

Schützenpanzer vom Typ Marder 1A3

Griechenland bekommt im Rahmen des Ringtauschs insgesamt 40 deutsche Panzer.



(Foto: dpa)

Griechische Militärexperten schätzen das Auftragsvolumen auf rund zwei Milliarden Euro. Eine lokale Produktion in Griechenland könnte auch Engpässe bei der Leopard-Gesamtfertigung beseitigen. Obwohl längst an einem Nachfolger gearbeitet wird, gilt der Leopard 2 immer noch als einer der stärksten Kampfpanzer weltweit und ist entsprechend gefragt.

Auch beim deutschen Waffenproduzenten Rheinmetall, aus dessen Beständen die für Griechenland bestimmten Marder stammen, macht man sich Hoffnung auf eine Order aus Athen. Im Sommer stellte das Unternehmen seinen modernsten Schützenpanzer, den Lynx KF41, bei den griechischen Streitkräften vor. Nach Informationen aus griechischen Militärkreisen bietet Rheinmetall Griechenland eine industrielle Beteiligung, also die Fertigung im Land an. Es könnte um eine Bestellung von rund 200 Exemplaren gehen.

Ein weiterer Großauftrag wartet auf Thyssen-Krupp Marine Systems: Die griechische Kriegsmarine will vier Fregatten des Typs Meko, die Thyssen-Krupp in den 1990er-Jahren lieferte, technisch auf den neuesten Stand bringen. Offen ist allerdings, wie Griechenland die immensen Kosten der Leopard-, Lynx- und Meko-Programme stemmen will. Abschließende Entscheidungen werden deshalb beim Scholz-Besuch noch nicht erwartet.

Griechenland kritisiert deutsche Türkeipolitik

Aber man hofft in Athen auf klare Aussagen des Kanzlers zu jenem Thema, das der Grund für die griechischen Rüstungsanstrengungen ist: das immer aggressivere Auftreten der Türkei im östlichen Mittelmeer. Staatschef Recep Tayyip Erdogan unterstreicht seit Monaten seine Ansprüche auf griechische Ägäisinseln mit unverhohlenen Kriegsdrohungen wie „Wir können plötzlich über Nacht kommen“.

Recep Tayyip Erdogan

Der türkische Präsident droht dem Nachbarn Griechenland inzwischen immer unverhohlener.



(Foto: dpa)

In griechischen Regierungskreisen kritisiert man, während der Ära Merkel sei die deutsche Türkeipolitik vor allem von dem Bemühen bestimmt gewesen, Erdogan nicht zu verstimmen. Das wurde zu einer immer größeren Belastung für die deutsch-griechischen Beziehungen. Jetzt glaubt man in Athen, neue Akzente zu erkennen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock stellte bei ihrem Besuch Ende Juli fest: „Griechische Inseln sind griechisches Territorium, und niemand hat das Recht, das infrage zu stellen.“ In Griechenland hörte man diese an die Türkei gerichtete Klarstellung gern. Anlässlich des Kanzlerbesuchs ist nun in griechischen Regierungskreisen sogar von einem „Neubeginn“ in den Beziehungen beider Länder die Rede. Umso gespannter erwartet man in Athen, wie sich Scholz im griechisch-türkischen Spannungsfeld positionieren wird.

Mehr: Alternative zu Russland? Eine Pipeline durchs Mittelmeer könnte neues Erdgas nach Europa bringen



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Politik

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