Oct 26, 2022
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Deutsch-französische Beziehungen: Scholz trifft Macron: Gespielte Harmonie, aber nicht einmal ein Statement

Written by Gregor Waschinski


Paris In das deutsch-französische Verhältnis ist Sprachlosigkeit eingekehrt: Nach der kurzfristigen Absage des Deutsch-Französischen Ministerrates beriet Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in Paris mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron über einen Ausweg aus der bilateralen Krise.

Die ursprünglich von der Bundesregierung angekündigte Pressekonferenz mit Macron fand aber nicht statt, am Ende wurde auch ein Solo-Statement von Scholz in der Botschaft annulliert. Es wirkt zumindest so, als trauten sich beide nicht einmal mehr, gemeinsam vor den Kameras zu sprechen, um die Differenzen nicht noch offensichtlicher erscheinen zu lassen.

Etwas über drei Stunden saßen Scholz und Macron im Élysée-Palast zusammen, zunächst beim Mittagessen im Kreise ihrer Berater, dann unter vier Augen. Die Bundesregierung zeichnete im Anschluss ein harmonisches Bild des Treffens.

Es bestehe bei der deutsch-französischen Zusammenarbeit und dem Verhältnis von Scholz und Macron ein „erheblicher Kontrast zur medialen Lage“, insbesondere zur Berichterstattung in Frankreich. Bei dem „sehr intensiven, sehr partnerschaftlichen Treffen“ sei „die gesamte Bandbreite der Themen“ besprochen worden, hieß es aus deutschen Regierungskreisen.

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Demnach hätten Macron und Scholz auch „konkrete Kooperationsvorhaben“ vereinbart. Um welche Vorhaben es sich genau handelt, wollte man in der Bundesregierung aber nicht sagen. Der Austausch im Élysée-Palast habe der „strategischen Selbstvergewisserung“ beider Länder gedient.

Scholz trifft Macron zum Krisengespräch

>> Lesen Sie hier unseren Kommentar: Die deutsch-französischen Beziehungen brauchen einen Neustart

Der Élysée-Palast verbreitete am späten Nachmittag ein nüchternes Statement: Scholz und Macron hätten „mehrere strategische Bereiche der bilateralen Beziehungen angesprochen, um bei einer gemeinsamen Agenda der Souveränität, der Reindustrialisierung und der Dekarbonisierung in Europa voranzukommen“.

Der Kanzler schrieb auf Twitter: Man habe sich in einem „sehr guten und wichtigen Gespräch“ über die europäische Energieversorgung, steigende Preise und gemeinsame Rüstungsprojekte ausgetauscht. „Deutschland und Frankreich stehen eng zusammen und gehen die Herausforderungen gemeinsam an.“ Macron verzichtete zunächst auf einen persönlichen Kommentar zu dem Treffen.

Im deutsch-französischen Verhältnis haben sich in den vergangenen Monaten eine Reihe von Konflikten angesammelt. Von verschiedenen Seiten ist in Paris die Klage zu hören, dass Berlin in der Sicherheits- und Energiepolitik „sein eigenes Ding“ mache.

Statt des Scholz-Besuchs sollte am Mittwoch in der Nähe von Paris eigentlich der Deutsch-Französische Ministerrat stattfinden, der vergangene Woche aber abgesagt wurde. Dem Vernehmen nach wird ein neuer Termin im Januar anvisiert.

Der Ministerrat ist Ausdruck der besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich. Im Aachener Vertrag ist festgelegt, dass sich die Kabinette beider Länder „mindestens einmal im Jahr“ treffen. Zuletzt fand der Ministerrat 2019 statt. 2020 fiel er wegen der Pandemie aus und 2021 gab es eine Videokonferenz.

Streit um Pipeline Midcat

An die Stelle der traditionell engen Abstimmung zwischen Berlin und Paris sind schwer zu übersehene Verstimmungen getreten. Macron verkündete zuletzt in Prag zusammen mit den Regierungschefs von Spanien und Portugal die Pläne für eine Pipeline von Barcelona nach Marseille.

Laut dem Kommuniqué würde diese irgendwann grünen Wasserstoff in den Norden der EU liefern – und lediglich „begrenzte Mengen an Erdgas, einer temporären Übergangsenergie“. Damit bootete der französische Präsident die Bundesregierung aus.

Die hatte sich in den vergangenen Monaten für eine Wiederaufnahme des Pipelineprojekts Midcat von Spanien durch die Pyrenäen nach Frankreich starkgemacht.

>> Lesen Sie dazu auch: Spanien, Portugal und Frankreich einigen sich auf neue Pipeline

Auch Berlin argumentierte, dies sei ein künftiger Transportweg für grünen Wasserstoff. Doch dieser Energieträger ist noch Zukunftsmusik. Den Deutschen ging es kurzfristig um eine neue Erdgaslieferroute, um das fehlende russische Gas zu ersetzen.

Macron sperrte sich gegen Midcat. Scholz suchte den Schulterschluss mit Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez gegen die Franzosen. Von der Volte der Madrider Regierung wurde der Kanzler dann kalt erwischt. Frankreich befand es nicht für nötig, die Bundesregierung in die Mittelmeerpipeline nach Marseille einzubinden.

Luftverteidigungssystem: Ohne Frankreich, dafür mit Großbritannien

Ähnlich groß war die Überraschung in der französischen Regierung, als Scholz Ende August in einer Grundsatzrede zur Zukunft der EU ein neues europäisches Luftverteidigungssystem vorschlug. Paris empfand es als Provokation, dass die Bundesregierung den Plan ohne Beteiligung Frankreichs vorantrieb, aber EU-Aussteiger Großbritannien an Bord holte.

Zudem will die Gruppe Raketenabwehrtechnik aus Israel und den USA einkaufen. In Paris wurde die „European Sky Shield Initiative“ als Zeichen gewertet, dass die Bundesregierung bei ihrer „Zeitenwende“ die gemeinsamen Rüstungsprojekte mit Frankreich hintanstellt.

Zuvor waren die Franzosen bereits verärgert, dass die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr für den Einkauf von Kampfflugzeugen und anderen Rüstungsgütern aus den USA verwendet werden.

Macron hatte mit Blick auf die deutsche Beschaffungsstrategie bereits im Frühjahr gemahnt: Eine europäische Verteidigungsgemeinschaft, die auf Rüstungsimporten basiere, „ergebe keinen Sinn“. Die Rufe des Präsidenten nach einer „europäischen Souveränität“, so der Eindruck auf französischer Seite, verhallen auf der deutschen Seite.

Für Unmut sorgten in Paris auch der deutsche Widerstand gegen einen Gaspreisdeckel auf EU-Ebene und das geplante 200-Milliarden-Entlastungspaket der Bundesregierung in der Energiekrise. Der Vorwurf: Deutschland verschaffe seiner Industrie einen Vorteil mit Geld, das andere EU-Staaten nicht haben.

Mehr: Von diesen Punkten hängt ab, ob Europa genug Gas geliefert bekommt



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Politik

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