Nov 2, 2022
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Midterms: Wahl in den USA – Alle Fakten im Überblick

Written by Nele Dohmen


Düsseldorf Kurz vor den Midterms am 8. November hat US-Präsident Joe Biden ein Recht auf Abtreibung per Gesetz in Aussicht gestellt. Erfolgschancen: eher keine. „Das ist reiner Wahlkampf, das wird keine Mehrheit bekommen“, sagt Johannes Thimm, stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik

Das emotionale Thema spaltet die politischen Lager in den USA. Im Sommer, als der oberste Gerichtshof das bestehende Recht auf Abtreibung gekippt hatte, konnten Bidens Demokraten mit ihrer Haltung pro Abtreibungsrecht noch punkten, in Umfragen lagen sie damals vor den Republikanern. Doch Inflation, Energiekrise und vor allen Dingen hohe Benzinpreise haben den Vorsprung aufgefressen. 

Demokraten oder Republikaner – inzwischen sind die großen Parteien in vielen Positionen so weit voneinander entfernt, dass je Wahlausgang fundamental unterschiedliche Rechte und Lebenswirklichkeiten die US-Bürger erwarten. Doch was genau sind die Midterms, und was wird dabei entschieden? Die wichtigsten Fakten im Überblick. 

US-Wahlen: Was wird bei den Midterms gewählt? 

Bei den Midterms oder Halbzeitwahlen am 8. November 2022 – zur Hälfte der Amtszeit von Präsident Biden – wird zum 118. Mal der US-Kongress gewählt, das gesetzgebende Organ der USA mit Sitz im Kapitol. Der Kongress besteht aus zwei Kammern, dem Repräsentantenhaus und dem US-Senat. Die USA haben ein Parlamentssystem nach britischem Vorbild, daher diese zwei Kammern. Sie teilen sich wichtige parlamentarische Aufgaben, etwa das Abstimmen über Gesetze, Kontrollfunktionen gegenüber dem Präsidenten, Ernennung von Ministern und Richterämtern oder die Kontrolle des Haushalts.

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In den USA gibt es insgesamt 50 Bundesstaaten, die von jeweils zwei Senatoren vertreten werden.

Darüber hinaus werden am 8. November die Gouverneure und Staatssekretäre in 36 Staaten und drei Territorien gewählt. Diese hierzulande eher weniger beachtete Wahl könnte es in sich haben, „denn dort kandidiert eine Menge problematischer Persönlichkeiten mit fragwürdigem Demokratieverständnis“, sagt Johannes Thimm.

US-Kongresswahlen mit Spannungen erwartet

Midterms in den USA: Wie wird der Kongress gewählt? 

Die Kammer des Repräsentantenhauses verfügt über 435 Sitze. Alle stehen bei den Midterms zur Wahl. Die dann gewählten Abgeordneten ziehen für zwei Jahre in das Unterhaus ein. Wie viele Sitze ein US-Bundesstaat im Repräsentantenhaus bekommt, hängt von der Bevölkerungsdichte des jeweiligen Staates ab.

 

Das ist anders im Senat: Alle 50 Bundesstaaten werden von zwei Senatoren vertreten. Auch wird der Senat bei den kommenden Kongresswahlen nicht vollständig neu gewählt, von den 100 Senatoren wird alle zwei Jahre nur ein Drittel neu gewählt, so auch jetzt. Wer zum Senator gewählt wird, bleibt für sechs Jahre im Kongress.

Wer darf bei den Midterms am 8. November 2022 wählen? 

Die wahlberechtigten Bürger wählen die Kandidaten für Repräsentantenhaus, Senat und die Ämter in den Einzelstaaten direkt. Wahlberechtigt sind in den USA alle Bürger ab 18 Jahren.

Wie ist die Sitzverteilung aktuell? 

Im Repräsentantenhaus haben die Demokraten mit einem Stimmverhältnis von 51,3 Prozent die knappe Mehrheit. Noch knapper sieht es im Senat aus: Mit der Stimme der Vizepräsidentin und Senatspräsidentin Kamala Harris halten die Demokraten eine Mehrheit von 50,5 Prozent. 

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Doch die einfache Mehrheit reicht im Senat meist nicht aus, und das ist eine Besonderheit dieser Kammer: Jedes Vorhaben muss faktisch von mindestens 60 Prozent der Abgeordneten im Senat befürwortet werden – liegt die Zustimmung unter 60 Prozent, können die Gegner des Vorhabens es buchstäblich in Grund und Boden reden. Diese Parlamentstaktik nennt sich Filibuster, also Dauerreden oder deren bloße Androhung. Bei der aktuellen Sitzverteilung heißt das, dass die Demokraten trotz knapper Mehrheit auch immer Republikaner-Stimmen brauchen, um 60 Prozent zu erreichen.

Dieser Besonderheit zum Trotz ist es Präsident Biden in seiner Amtszeit einige Male gelungen, auch größere Gesetze wie das Infrastrukturgesetz durchzubringen. Doch je nachdem, wie die Midterms ausgehen, dürfte das in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit schwieriger werden. 

Welche Bedeutung haben die Midterms? 

Wer die Mehrheiten gewinnt, hat großen Einfluss auf die Gesetzgebung. Beide Kammern des Kongresses können Gesetzesvorhaben einbringen und müssen den Gesetzesvorschlägen des Präsidenten zustimmen, im Senat mit besagter 60-prozentiger Mehrheit. Und da liegt großes Konfliktpotenzial: Für ein Gesetzesvorhaben aus dem demokratischen Lager müssten also auch Republikaner stimmen – zumindest für Joe Bidens Abtreibungsgesetz eine wohl zu große Herausforderung. 

Die symbolische Wirkung der Midterms ist nicht zu verachten. Als Zäsur genau zur Hälfte der Amtszeit eines Präsidenten wird der amtierenden Regierung ein Zeugnis ausgestellt. Das schlechte Zeugnis hat allerdings Tradition: Seit George W. Bush konnte kein Präsident in seiner ersten Amtszeit seine eigene Partei als Gewinner aus den Midterms hervorgehen sehen. 

Welche Mehrheiten sind aktuell laut Prognosen zu erwarten, und wie läuft der Wahlkampf? 

Die meisten Prognosen für das Repräsentantenhaus sind recht eindeutig, sie sehen eine Mehrheit für die Republikaner. Prognosen für den Senat dagegen zeichnen ein knappes Bild – zuletzt mit einer hauchdünnen Mehrheit für die Republikaner, wie z. B. auf den Barometern der Prognose-Plattform FiveThirtyEight zu verfolgen ist. 

Die Stimmung im Wahlkampf ist aufgeheizt. Die Republikaner machen Präsident Biden für die Auswirkungen der aktuellen großen Krisen verantwortlich, etwa bei der Energieversorgung und der Inflation. Und auch das hat Tradition, der Präsident ist verantwortlich für die Wirtschaft, könnte man als Grundsatz festhalten. Die Beliebtheit eines Präsidenten korreliert erstaunlich stark mit der Entwicklung der Benzinpreise.

>> Lesen Sie auch: Midterms könnten USA ins Chaos stürzen: Reise durch ein Land am Rande des Kontrollverlusts

Die Zustimmung für Joe Biden sank zuletzt auf einen vergleichsweise niedrigen Wert von 41,9 Prozent. Für Biden geht es aber nicht nur um die kommenden zwei Jahre, mit Ex-Präsident Donald Trump im Nacken geht es um viel mehr. 

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Dabei stehen die USA wirtschaftlich gar nicht so schlecht da. Die Arbeitslosigkeit liegt mit etwa 3,5 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau, und das Bruttoinlandsprodukt legte im dritten Quartal um 2,6 Prozent zu, wie das Handelsministerium Ende Oktober in einer ersten Schätzung mitteilte. 

Was wären Konsequenzen einer Mehrheit der Republikaner für die Zusammenarbeit im Kongress? 

„Es ist davon auszugehen, dass die Republikaner im Falle einer Mehrheit in den Kammern einen Großteil von Bidens Gesetzesvorhaben oder Vorschläge für wichtige Richterämter blockieren werden“, vermutet Experte Johannes Thimm. Früher habe man ein höheres Maß an überparteilicher Zusammenarbeit erlebt, Demokraten und Republikaner konnten je nach Thema für die gleiche Sache stimmen. „Wir erleben aber eine Verschärfung der Parteidisziplin.“ 

Bei außenpolitischen Fragen wie dem Umgang mit China sei laut Thimm jedoch noch von einem Konsens auszugehen, auch wenn es zu einer republikanischen Mehrheit im Kongress komme. Ob die Republikaner die Unterstützung der Ukraine weiterhin mittragen, sei dagegen fraglich – dazu gab es bereits irritierende Äußerungen aus den republikanischen Reihen. 

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Den Gegner blockieren um den Preis der Demokratie – die neue Gangart im Senat? 

Eine konstruktive Stimmung im Senat ist wenig wahrscheinlich – die Spielregeln haben sich geändert. Der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, blockierte bereits in der Vergangenheit vehement Initiativen der Obama-Administration. Den großen Tabubruch beging McConnell dann 2016: Er verhinderte die Anhörung und damit die Berufung des von Barack Obama vorgeschlagenen Merrick Garland an den Obersten Gerichtshof über mehrere Monate. Ein Vorgehen, das in dieser Form neu und sicher unlauter war, jedoch kaum anfechtbar.

McConnels Argument: Obama sei nur noch ein halbes Jahr im Amt, er solle über wichtige Ämter nicht mehr entscheiden dürfen. Vier Jahre später, kurz vor Ende der Amtszeit von Donald Trump, drehte McConnel sein Argument allerdings auf links. Er brachte die Besetzung einer wichtigen Richterstelle am Supreme Court mit einer konservativen Kandidatin durch – sechs Wochen vor den Präsidentschaftswahlen 2020. 

Dieses Verschieben der Spielregeln ist gefährlich. „Das präsidiale System der USA beruht auf dem Konsens einer überparteilichen Zusammenarbeit“, erklärt Thimm. Ohne diesen stünde es schlecht um die Demokratie in den USA. Sollten die Republikaner nun bei den Midterms die Mehrheit im Senat bekommen, wird McConnell wieder Mehrheitsführer seiner Partei. 

Und warum ist auch die Wahl der Gouverneure und Staatssekretäre in den Einzelstaaten so wichtig? 

Ein Blick zurück auf die vergangene Präsidentschaftswahl: Der mit seiner drohenden Abwahl konfrontierte Noch-Präsident Trump ruft Brad Raffensperger, den Staatssekretär von Georgia, an und verlangt das Finden oder eher Erfinden von 12.000 Wählerstimmen. Denn diese fehlten Trump zum Sieg. Raffensperger jedoch verweigert das. Für das Vorgehen könnte Trump sich womöglich bald vor Gericht verantworten müssen, entsprechende Verfahren sind in der Vorbereitung. 

Dabei gibt es ein Problem: Zwei Drittel der Republikaner, die jetzt als Gouverneure und Staatssekretäre kandidieren, glauben Trumps Erzählung, die Demokraten hätten die vergangenen Präsidentschaftswahlen geklaut. „Stellen Sie sich vor, dass das die Menschen sind, die bei der nächsten Wahl mit einem ähnlichen Verlangen von jemandem wie Trump angerufen werden. Wir können nicht sicher sein, ob sie dann im Sinne der Demokratie oder im Sinne ihrer Ideologie entscheiden“, sagt Johannes Thimm.

Mehr: Demokraten vor Republikanern – Welche Rolle Spenden im US-Wahlkampf spielen

Erstpublikation am 02.11.22, um 18:17 Uhr.



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