Nov 2, 2022
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Fachkräftemangel: Betriebe in Berlin und Bremen sollen Umlage für die Lehre zahlen

Written by Barbara Gillmann

Berlin Unternehmen in Berlin und in Bremen sollen künftig eine Ausbildungsumlage zahlen. Damit sollen die ausbildenden Betriebe unterstützt werden, so die Pläne der rot-rot-grünen Koalitionen beider Stadtstaaten. Die Wirtschaft ist strikt gegen die Pläne. 

In Berlin will die linke Arbeitssenatorin Katja Kipping bis Ende des Jahres einen Rahmen für die Umlage vorlegen. Rechtlich sollte die Abgabe kein Problem sein, wie ein juristisches Gutachten im Auftrag Kippings ermittelt hat. Demnach haben Bund und Länder grundsätzlich das Recht, eine solche Umlage zu erheben.

Die linke Bremer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt ist schon weiter. Dort soll der Senat die Pläne noch im November beschließen. Demnach sollen alle Betriebe in einen Fonds einzahlen. Ziel sei, dass Ausbildungsbetriebe mit bis zu 60 Beschäftigten mehr Geld aus dem Fonds bekommen, als sie einzahlen – pro Azubi 1500 bis 2500 Euro. Große Betriebe sollen überproportional zur Kasse gebeten werden.  

Bundesweit ist eine gesetzliche Umlage „derzeit nicht geplant“, versichert eine Sprecherin von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Grüne, SPD und vor allem der Deutsche Gewerkschaftsbund wollen zwar schon lange eine solche Umlage, in den Koalitionsverhandlungen scheiterte diese jedoch an den Liberalen. 

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Stattdessen hat die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag eine „Ausbildungsgarantie“ angekündigt. Federführend ist hier das Arbeitsministerium. Konkrete Pläne gibt es dort aber noch nicht. Die Pläne in Berlin und Bremen könnten aber Anhaltspunkte dafür geben, wie die Garantie mit Leben erfüllt werden könnte. 

Nur in Berlin gibt es mehr Bewerber als Ausbildungsplätze

Die Wirtschaftsverbände der beiden Städte sind strikt gegen die Pläne. Allerdings ist die Situation in den beiden Ländern sehr unterschiedlich: Berlin ist aktuell bundesweit das einzige Land, in dem eindeutig zu wenig Lehrstellen angeboten werden. In Bremen gibt es dagegen ein Überangebot.

Bundesweit kamen nach den Daten der Bundesagentur für Arbeit im August auf 100 Ausbildungsplätze im Schnitt lediglich 78 Bewerber, in Bayern sogar nur 61. In der Hauptstadt hingegen waren es 135 Interessenten. Viele haben demnach schon rein rechnerisch keine Chance auf eine Ausbildung, vom Wunschberuf ganz zu schweigen.  

Eigentlich gibt es in Berlin ausreichend Unternehmen, die ausbilden könnten – sie tun es aber nicht. Während bundesweit noch knapp ein Fünftel aller Betriebe Lehrlinge ausbildet, sind es in Berlin lediglich elf Prozent. Daher stellen die Lehrlinge in der Hauptstadt auch nur drei Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Deutschlandweit sind es fast fünf Prozent.

Die Berliner Handelskammer behauptet dennoch weiterhin, es gebe „keine Lehrstellenlücke“ in der Hauptstadt. Zudem „würden über 25 Prozent der Betriebe zusätzlich ausbilden, wenn eine angemessene Ausbildungsfähigkeit gegeben wäre“, sagte IHK-Präsident Sebastian Stietzel. Er bezieht sich darauf, dass ein Teil der potenziellen Azubis nach dem Schulabschluss noch nicht reif für eine Ausbildung sind.

Auszubildende in der Landtechnik

Nur in Berlin kommen auf 100 Lehrstellen mehr als 100 potenzielle Azubis, in allen anderen Ländern sind es weniger.


(Foto: imago images/Countrypixel)

In Bremen gibt es mehr Angebote als Nachfrage: Im August kamen 88 Bewerber auf 100 Lehrstellen. Deshalb – und angesichts der vom Bund ohnehin geplanten Ausbildungsgarantie – sei die Bremer Umlage eine „sinnlose und unnötige finanzielle Belastung für die Betriebe“, heißt es in einer Erklärung von IHK, Handwerkskammer und Unternehmensverband der Hansestadt.  

Die Bremer Wirtschaftssenatorin bestreitet nicht das zahlenmäßig ausreichende Angebot an Lehrstellen. Weil jedoch manche Jugendliche in der Tat „nicht ausbildungsreif“ seien und viele Betriebe die nötige Unterstützung für diese nicht leisten könnten, soll der Umlagefonds Hilfe organisieren, damit auch aus diesen Jugendlichen Fachkräfte werden können. 

230.000 Jugendliche stecken im Übergangssystem fest 

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) drängt darauf, „dass die geplante Ausbildungsgarantie auf Bundesebene auch eine Umlagefinanzierung bekommt, die die Betriebe nicht aus der Verantwortung entlässt“, bekräftigt DGB-Vize Elke Hannack eine alte Gewerkschaftsforderung gegenüber dem Handelsblatt. Sie verweist darauf, dass mehr als 200.000 Jugendliche nach der Schule in den Maßnahmen des Übergangsbereichs stecken blieben.

Dazu zählen etwa die Berufsgrundbildungsjahre an den Berufsschulen. Das könne sich Deutschland nicht länger leisten, so Hannack. Die Pläne in Berlin und Bremen zeigten, „wie wichtig es ist, Anreize für betriebliche Ausbildung zu schaffen. Diesen Mut wünschen wir uns auch von der Bundesregierung.“

>> Lesen Sie auch: Immer mehr junge Menschen versauern in Hilfsjobs – gleichzeitig bleiben zehntausende Lehrstellen in Deutschland unbesetzt. Wie kann das sein?

In der Wirtschaft gibt es schon einige Beispiele für brancheninterne Unterstützungsprogramme für ausbildende Betriebe. In der Chemieindustrie gilt seit 2003 ein Tarifvertrag, der die Zahl der Ausbildungsplätze festlegt. Dabei gilt das Prinzip „Ausbildung vor Übernahme“: So wird erreicht, dass einige Unternehmen zugunsten der Gesamtbranche über ihren eigenen Bedarf hinaus ausbilden. Ein Unterstützungsverein fördert in kleinen und mittleren Unternehmen bis zu zehn Azubis je Betrieb mit jeweils maximal 1000 Euro.  

Auch in der Bauwirtschaft gibt es seit nahezu 50 Jahren ein Umlageverfahren, aus dem unter anderem auch Ausbildungsbetriebe große Teile der Ausbildungskosten ersetzt bekommen. Die Sozialkasse Bau erstattet den Betrieben zudem Teile der Ausbildungsvergütung.

Eine Ausbildungsumlage gibt es ebenfalls in der Pflegebranche: Hier regelt das Pflegeberufegesetz die bundeseinheitliche Finanzierung der Ausbildungskosten über Fonds der Länder. In Bremen sollen solche Branchen-Lösungen von der geplanten Umlage ausgenommen werden. 

Mehr: Die Wirtschaft macht es sich zu einfach bei der Ausbildungsgarantie – ein Kommentar



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Politik

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