Nov 2, 2022
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Dänemark: Dänische Ministerpräsidentin gewinnt knapp – und will dennoch zurücktreten

Written by Helmut Steuer

Trotz des äußerst knappen Sieges reichte Frederiksen am Mittwochvormittag den Rücktritt ihrer bisherigen Minderheitsregierung ein. Sie will damit die Grundlage für ein möglichst breites Regierungsbündnis mit Parteien aus beiden politischen Lagern schaffen. Solch eine Regierungsform ist in Dänemark selten – nach Ansicht von Frederiksen angesichts der aktuellen Krisen aber genau das Richtige.

Bis tief in die Nacht war unklar, ob das gelingen könnte. Doch nach Auszählung der Stimmen aus den zu Dänemark gehörenden Regionen Grönland und den Färöer Inseln war klar, dass die eher linksgerichteten Parteien des roten Lagers eine knappe Mehrheit erreicht hatten. Es wird erwartet, dass Frederiksen den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung bekommen wird, zumal ihre Sozialdemokraten mit 27,5 Prozent der Stimmen wieder zur stärksten politischen Kraft wurden.

Unklar ist hingegen, mit welchen Parteien die 44-Jährige zusammenarbeiten will. Frederiksen hatte während des kurzen Wahlkampfs betont, dass sie wegen der unsicheren geopolitischen Lage ein breites, über die Lagergrenzen hinausgehendes Bündnis anstrebe.

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Bislang hatte sie eine Minderheitsregierung geführt, die sich in einzelnen Fragen die Unterstützung in beiden politischen Lagern suchte. Dafür ist die Sozialdemokratin auch immer wieder kritisiert worden, da sie sich die Unterstützung durch die Rechtsaußen-Parteien durch einen extrem restriktiven Kurs in der Asylpolitik sicherte. Sollte es tatsächlich zu einer breiten Regierungskoalition kommen, wäre das ein Novum in der dänischen Nachkriegsgeschichte. Die meisten dänischen Regierungen hatten keine eigene Mehrheit.

Dramatischer Wahlabend

Zuvor hatte Dänemark einen ereignisreichen Wahlabende erlebt. Prognosen und Hochrechnungen hatten lange Zeit angezeigt, dass weder das rote linksgerichtete Lager noch das blaue Mitte-rechts-Bündnis auf eine Mehrheit kommen würde. Die Schlüsselrolle zwischen den Blöcken hatte zu dem Zeitpunkt der frühere Regierungschef Lars Løkke Rasmussen mit seiner neuen zentristisch-liberalen Partei Die Moderaten inne.

Lars Lökke Rasmussen

Der liberale Politiker gründete seine eigene Partei „Die Moderaten“.



(Foto: Reuters)

Nach Auszählung aller im Land abgegebenen Stimmen kippte das Bild dann in allerletzter Minute nach links: Der rote Block sprang auf 87 Mandate, während der blaue Block auf 72 kam, 16 entfallen auf Løkkes Moderate. Dieser hatte vor einem Jahr die von ihm geführte liberal-konservative Partei Venstre verlassen und eine neue Partei, Die Moderaten, gegründet.

Seine Partei gehöre keinem der beiden politischen Blöcke an, hatte Rasmussen immer wieder betont und sich in der Rolle des Züngleins an der Waage sichtlich wohlgefühlt. Nun fällt vermutlich diese Rolle der linksliberalen Partei Radikale Venstre zu, jener Partei, die die Neuwahlen erzwungen hatte.

Die sozialliberale Partei hatte bereits im Sommer mit dem Entzug der Unterstützung von Frederiksens Regierung und einem Misstrauensvotum gedroht, sollten nicht bis zum 6. Oktober Neuwahlen ausgerufen werden. Frederiksen hatte also die Wahl zwischen Misstrauensvotum und Neuwahlen. Sie entschied sich für den frühen Wahltermin.

Ärger begann während Corona-Pandemie

Der Ärger der kleinen Radikale Venstre mit der sozialdemokratischen Minderheitsregierung begann während der Corona-Pandemie. Im Spätherbst 2020 hatte Frederiksen aus Furcht vor gefährlichen Virus-Mutationen entschieden, rund 15 Millionen Nerze töten zu lassen.

Knappe Mehrheit für linkes Lager bei Parlamentswahl

Bei den Tieren war eine auch für Menschen gefährliche Mutation entdeckt worden. Das Problem war, dass es für die Tötung keine Rechtsgrundlage gab. Die Regierungschefin wurde von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss gerügt, mehrere Staatssekretäre mussten zurücktreten.

Und die Radikale Venstre stellte Frederiksen vor die Alternativen: Neuwahlen oder Misstrauensvotum. Wie sich die Partei jetzt positionieren wird, ist noch nicht ganz klar. Beide politischen Blöcke buhlten noch in der Wahlnacht um die Unterstützung der Partei.

Nach Meinung der meisten Beobachter hat Frederiksen die größten Chancen, eine Regierung zu bilden. Denn selbst, wenn die Verhandlungen mit Parteien des bürgerlichen Lagers scheitern sollten, könnte sie sich wie bislang die Mehrheit bei ihren linken Stützparteien suchen.

Der Wahlkampf war von innenpolitischen Themen dominiert. Defizite im Gesundheitssystem, zu niedrige Löhne im Pflegebereich und die hohe Inflation waren die zentralen Themen. Die Bildung der neuen dänischen Regierung wird voraussichtlich einige Wochen dauern.

Für eine Mehrheit im dänischen Parlament in Kopenhagen sind 90 der 179 Sitze notwendig. 175 dieser Mandate werden in Dänemark vergeben, jeweils zwei in Grönland und auf den Färöer-Inseln, die beide offiziell zum Königreich Dänemark zählen.

Mehr: Internationaler Standortvergleich: Dänemark erstmals Weltspitze – Deutschland stagniert auf Rang 15



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