Münster Den Tagungsort hatte Gastgeberin Annalena Baerbock mit Hintergedanken gewählt: Im historischen Friedenssaal des Rathauses in Münster war der „Westfälische Frieden“ zur Beendigung des 30-jährigen Krieges unterzeichnet worden.
Eine der „Geburtsstunden des modernen Völkerrechts“, sagte die deutsche Außenministerin (Grüne) am Donnerstag zum Auftakt des zweitägigen Treffens der Außenminister der G7-Staaten. Hier seien „grundlegende Konzepte wie die Gleichheit und Souveränität der Staaten“ geboren worden.
Nun soll die Staatengruppe, bei der Deutschland aktuell den Vorsitz hat, über die Lehren aus dem Ukrainekrieg beraten – vor allem über eine verstärkte Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen. Und damit ist vor allem auch ein Ausweg aus der Abhängigkeit von China gemeint.
Es stehe im Mittelpunkt, „wie wir die Fehler, die wir in der Vergangenheit in der Russland-Politik gemacht haben, nicht im Hinblick auf China wiederholen“, sagte die 41 Jahre alte Grünen-Politikerin zur Eröffnung der zweitägigen G7-Beratungen. Und sie sagte es just an dem Tag, an dem Bundeskanzler Olaf Scholz zum Staatsbesuch gen Peking aufbrach.
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Damit wurde erneut deutlich, wie sehr sie in Sachen Chinapolitik zur Gegenspielerin des Kanzlers geworden ist.
Baerbock sieht China als Rivalen
Baerbock hatte im Mittelpunkt der kritischen Diskussion um den Zeitpunkt von Scholz‘ China-Reise gestanden. Mit dem Satz „Der Bundeskanzler hat den Zeitpunkt der Reise entschieden“ hatte sie sich vom SPD-Kanzler distanziert und davon, dass ausgerechnet der deutsche Regierungschef als erster westlicher Politiker Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping trifft, nachdem der Parteikongress einer dritten Amtszeit von Xi zugestimmt hat.
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China habe sich in den vergangenen Jahren so stark verändert, dass Peking „nicht mehr nur Partner in internationalen Fragen, sondern „in zunehmendem Maße systemischer Rivale“ geworden sei, sagte Baerbock zum Start des Treffens in Münster. Ihr Außenministerium hatte mit dieser Begründung auch gegen die Entscheidung des Kanzlers protestiert, eine 24,9-prozentige Beteiligung der staatlichen chinesischen Reederei Cosco am Hamburger Hafenterminal Tollerort zuzulassen.
Die G7-Staatengruppe, zu der neben Deutschland die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan und die EU zählen, versucht nun, eine gemeinsame neue China-Strategie zu entwickeln – ebenso, wie es die EU und die Bundesregierung parallel tun. Ob sich aber Außenministerium oder Kanzleramt beim Ton der neuen deutschen Chinastrategie durchsetzen, ist noch nicht ausgemacht.
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Laut Baerbock geht es in einer neuen China-Strategie um „faire Wettbewerbsbedingungen, die Frage von Menschenrechten und die Frage der Anerkennung des internationalen Rechts als Grundlage der internationalen Kooperation“. Eine Diskussion über Sanktionen gegen China und das Verbot von Chip-Lieferungen dorthin habe es vorerst aber nicht gegeben, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Aber die Diskussion um China wird unter der kommenden japanischen G7-Präsidentschaft 2023 weiter geführt werden.
Japan wolle sich mit den anderen G7-Staaten dafür engagieren, „die Abhängigkeit von bestimmten Staaten bei wichtigen Gütern zu überwinden“, sagte der japanische Außenminister Yoshimasa Hayashi dem Handelsblatt. In den vergangenen Jahren habe es Versuche einiger Staaten gegeben, die wirtschaftlichen Druck „auf Partner ausgeübt haben, willkürliche und intransparente Handelsmaßnahmen zu ergreifen“.
Um Chinas Einfluss in anderen Staaten der Welt, etwa durch die Initiative Neue Seidenstraße, etwas entgegenzusetzen, hätten die G7-Staaten bereits „große Infrastrukturprojekte weltweit geschnürt“, sagte Baerbock. Allein die EU will 300 Milliarden Euro für ihre Global-Gateway-Initiative zum Ausbau internationaler Lieferketten zur Verfügung stellen.
Baerbock war von einer Reise nach Kasachstan und Usbekistan nach Münster gekommen, wo sie mit einer deutschen Wirtschaftsdelegation Chancen für die Rohstoffversorgung und den Export erneuerbarer Energien und „grünen“ Wasserstoffs ausgelotet hatte. Deutschland versucht zusammen mit der EU, die Potenziale dieser früheren Sowjetrepubliken stärker zu nutzen und sie aus der sicherheits- und wirtschaftspolitischen Umklammerung Chinas und Russlands zu lösen.
Baerbocks „feministische Außenpolitik“
Die 41-Jährige unterstrich ihren Anspruch einer „feministischen Außenpolitik“ auch mit ihrer Delegation, die sie zu den Gesprächen mit Außenministern wie dem US-Ressortchef Antony Blinken begleitete: Unter den acht deutschen Teilnehmenden war nur ein Mann.
Und beim Blick auf die Gemälde in Münsters Friedenssaal sagte Baerbock ihren Amtskollegen – unter den Versammelten waren mit den Außenministerinnen Kanadas und Frankreichs nur zwei weitere Frauen –, unter den Unterzeichnern des Westfälischen Friedens seien keine Frauen vertreten gewesen, auch wenn die Friedensstifter von Münster „damals auch lange Haare hatten“.
Baerbock ist die erste Außenministerin Deutschlands und hat mit der Politischen Direktorin sowie weiteren Staatssekretärinnen die frühere „Männerdomäne“ Auswärtiges Amt erobert. Auch bei der Auswahl der Spitzen deutscher Botschaften im Ausland werden bevorzugt Frauen berücksichtigt.
Bei Auslandsreisen der deutschen Chefdiplomatin stehen auch oft Frauenorganisationen auf dem Besuchsprogramm. Diese „feministische Außenpolitik“ begründet Baerbock unter anderem damit, dass Frauen viel größeren Wert auf Konfliktvermeidung und Frieden legten.
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