Nov 3, 2022
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China-Reise des Kanzlers: „Die Zeit der Anbiederung ist vorbei“ – Grüne und FDP fordern härtere Gangart gegenüber China

Written by Dietmar Neuerer


Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz bricht am Donnerstagnachmittag zu einer eintägigen Reise nach China auf. Er ist der erste Regierungschef eines G7-Staates, der das Land seit dem Beginn der Coronapandemie und seit dem Parteitag der chinesischen Kommunisten besucht, auf dem Präsident Xi Jinping seine Macht zementierte.

Kurz vor der Reise hält die Kritik aus der eigenen Ampelkoalition an. Die FDP kritisiert den Zeitpunkt des Besuchs, die Grünen fordern eine härtere Haltung gegenüber China.

Die Reise des Kanzlers müsse deutlich machen, dass Deutschland eine neue Chinapolitik verfolge, sagte der Vizechef der Grünen-Bundestagsfraktion, Andreas Audretsch, dem Handelsblatt. „Wir müssen die Naivität der Jahre unter der CDU-Regierung hinter uns lassen.“ Das sei im Koalitionsvertrag vereinbart worden und sollte Grundlage der Kanzlerreise sein.

Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, die Kooperation mit China „auf der Grundlage der Menschenrechte und des geltenden internationalen Rechts“ zu suchen. „Wir wollen und müssen unsere Beziehungen mit China in den Dimensionen Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität gestalten.“

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Wo bei diesem Dreiklang der Akzent liegen soll, muss die Ampel noch definieren. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Chinastrategie wird gerade erst erarbeitet. Weil die Bundesregierung diese noch nicht verabschiedet habe, fragt sich FDP-Vize Johannes Vogel, ob der Zeitpunkt für die Kanzlerreise „glücklich gewählt ist“.

Überdies habe der kommunistische Parteitag „die Veränderung des Regimes noch einmal vor den Augen der Welt deutlich gemacht“, sagte Vogel der „Süddeutschen Zeitung“.

Für künftige Reisen regte Vogel eine stärkere Europäisierung an. „Das würde zum Beispiel bedeuten, dass verschiedene europäische Regierungschefs nur noch gemeinsam nach Peking fahren oder Vertreter der europäischen Institutionen mitnehmen“, sagte er.

Grüne kündigen Reform des Außenwirtschaftsrechts an

SPD-Chef Lars Klingbeil wies die Kritik an der Scholz-Visite in Peking zurück. „Der Dialog ist wichtig. Auch um der chinesischen Führung deutlich zu machen, wie ihre Positionierung in der Ukrainefrage wahrgenommen wird und dass wir die Nichteinhaltung von Menschenrechten nicht akzeptieren“, sagte Klingbeil dem Handelsblatt.

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Der Grünen-Politiker Audretsch betonte, die „Zeit der Anbiederung“ sei jetzt vorbei. „China ist nicht nur Handelspartner, sondern systemischer Rivale, eine Diktatur, die längst Einfluss tief in unserer Wirtschaft und Gesellschaft ausübt.“ Darauf werde man reagieren.

Audretsch wies darauf hin, dass der Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco am Hamburger Hafen „Lücken im Außenwirtschaftsrecht“ aufgezeigt habe. „Der Versuch Chinas, Schritt für Schritt Kontrolle über kritische Infrastruktur in Deutschland und Europa zu erlangen, muss beendet werden.“

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt die FDP. Die von Scholz durchgesetzte Entscheidung, dem chinesischen Staatskonzern Cosco den Erwerb eines 24,9-Prozent-Anteils am Betreiber eines Containerterminals im Hamburger Hafen zu erlauben, sei Beleg dafür, dass es in der Ampel „offensichtlich noch nicht ausreichend“ gelungen sei, zu einer gemeinsamen Einschätzung der von China ausgehenden Gefahren zu kommen, sagte Parteivize Vogel.

„Es war und ist ein Fehler, dass Cosco bei einem Terminalbetreiber im Hamburger Hafen einsteigen kann“, betonte er. Gezeigt hätten sich „unterschiedliche Herangehensweisen, aber auch gesetzliche Unzulänglichkeiten“.

Audretsch kündigte eine Reform des Außenwirtschaftsgesetzes mit dem Ziel an, kritische Infrastruktur besser zu definieren und Prüfkriterien für ausländische Investoren anzupassen. Das Vorgehen Chinas müsse „systematischer erfasst und europäisch beantwortet werden“, fügte der Grünen-Politiker hinzu.

Dies bedeute etwa, dass das bilaterale Investitionsabkommen zwischen der EU und China nicht ratifiziert werden dürfe. Vielmehr sei eine neue gemeinsame Strategie notwendig, die Reziprozität, also wechselseitig gleiche Regeln, in den Mittelpunkt stelle. „Nicht Handel mit China ist dabei das Problem, sondern einseitige Abhängigkeit.“

Scholz: „Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern“

Scholz skizzierte in einem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, wie er sich den künftigen Umgang mit der Volksrepublik vorstellt. „Das China von heute ist nicht mehr dasselbe wie noch vor fünf oder zehn Jahren“, schreibt er. „Es ist klar: Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern.“ Das heißt: Neuausrichtung der China-Politik statt business as usual.

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Eine Abkopplung von China, wie sie von den USA betrieben wird, kommt für ihn aber nicht infrage. Ein Großteil des Handels zwischen Deutschland und China betreffe zudem Produkte, bei denen es weder an alternativen Lieferquellen fehle noch gefährliche Monopole drohten. „Dort aber, wo riskante Abhängigkeiten entstanden sind – etwa bei wichtigen Rohstoffen, manchen Seltenen Erden oder bestimmten Zukunftstechnologien –, stellen unsere Unternehmen ihre Lieferketten nun zu Recht breiter auf“, fügte er hinzu.

Der Kanzler wird in Peking am Freitagmorgen mit einer kleinen Gruppe von Wirtschaftsvertretern eintreffen. Wegen der strengen Null-Covid-Politik wird sich die Delegation nicht vollkommen frei bewegen können, bevor sie am Abend wieder abreist. Die Möglichkeiten für die deutschen Wirtschaftsvertreter, in Peking Gespräche zu führen, sind beschränkt.

Mehr: Streitgespräch zur China-Strategie – Hat es sich mit der Globalisierung erst einmal erledigt?



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