Berlin Wer in Kleinbetrieben Elternzeit beantragt, kann künftig mit einer Antwort des Arbeitgebers innerhalb von vier Wochen rechnen. Lehnt der Betrieb sie ab, muss eine Begründung folgen. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, mit dem die Bundesregierung einer EU-Richtlinie zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern folgt.
Was das neue Gesetz aber ausklammert: eine gesetzliche Väterzeit. Von einem Anspruch auf Vaterschaftsurlaub, also eine bezahlte Freistellung anlässlich der Geburt, ist in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht die Rede. Dabei schreibt eine EU-Richtlinie genau das vor.
Bis zum 2. August hätte sie in nationales Recht umgesetzt werden müssen. In der Richtlinie ist von einem „Recht auf Vaterschaftsurlaub für Väter oder gleichgestellte zweite Elternteile“ die Rede, der mindestens zehn Tage um den Zeitpunkt der Geburt des Kindes umfasst. Ziel sei es, „eine gleichmäßigere Aufteilung von Betreuungs- und Pflegeaufgaben zwischen Frauen und Männern zu fördern und den frühzeitigen Aufbau einer engen Bindung zwischen Vätern und Kindern zu ermöglichen“.
Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, die Richtlinie sei mit dem bisherigen Elternzeitgesetz bereits erfüllt. Darin ist zwar nicht von einer vorgeschriebenen Väterzeit die Rede, aber zumindest von einer Elternzeit, die „auch anteilig, von jedem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen gemeinsam genommen werden“ kann.
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Der Europäischen Kommission genügt das nicht: Sie hält die Richtlinie für nicht umgesetzt und fordert eine explizit verankerte Väterzeit von mindestens zehn Tagen um den Geburtszeitpunkt. Ende September hat sie deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und ein Aufforderungsschreiben versendet, auf das die Bundesregierung antworten muss.
Deutschland droht ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof
Deutschland habe „keine nationalen Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in nationales Recht mitgeteilt“, heißt es darin. Am Ende des Verfahrens könnte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof stehen.
Dabei sei der Vaterschaftsurlaub „von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union mehrheitlich bereits in nationales Recht umgesetzt“ worden, sagt Elke Hannack vom Deutschen Gewerkschaftsbund, die am Montag als Sachverständige bei der öffentlichen Anhörung vor dem Familienausschuss des Bundestages auftrat.
Ob Deutschland nun tatsächlich beim Vaterschutz patzt und weitere rechtliche Schritte fürchten muss, darüber gingen die Meinungen bei der Anhörung auseinander.
Ein Vaterschaftsurlaub sei ein „wichtiges gleichstellungspolitisches Instrument“, bekräftigte Gewerkschafterin Hannack. Zudem sei Deutschland gesetzlich dazu verpflichtet, einen solchen umzusetzen. Das geht aus einem juristischen Gutachten hervor, das ihr Verband in Auftrag gegeben hat. Der in der EU-Richtlinie verankerte Anspruch auf Vaterschaftsurlaub sei nicht bereits durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz abgedeckt, heißt es darin.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände dagegen beurteilte den Sachverhalt völlig anders: Ihr zufolge ist ein Anspruch auf Vaterschaftsurlaub als „systemwidrig“ einzustufen. Es handle sich um eine „überzählige Regelung“, sagte Verbandsvertreterin Kerstin Plack. Der Vaterschaftsurlaub müsse aufgrund einer Aussetzungsklausel in der EU-Richtlinie nicht umgesetzt werden.
Arbeitgeber wehren sich gegen Vaterschaftsurlaub
„Eine bezahlte Freistellung von deutlich längerer Dauer als 28 Tagen“ sehe bereits das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vor. Wenn diese nicht so genutzt werde, „wie dies gesellschaftlich für sinnvoll gehalten wird“, brauche es „Aufklärung und Best Practice“, sagte Plack. „Der falsche Weg ist dagegen die Schaffung weiterer Rechtsansprüche.“
Die Bundestagsfraktion der Linken hatte zuletzt einen Antrag in den Bundestag eingebracht, um einen 28-tägigen Vaterschaftsurlaub gesetzlich zu verankern. Andere europäische Länder seien bereits „mit gutem Beispiel vorangegangen“, heißt es in der Fraktion.
In der Schweiz etwa können Väter seit 2020 innerhalb von sechs Monaten ab Geburt eines Kindes zwei Wochen bezahlten Urlaub nehmen. Und in Frankreich steht Vätern seit vergangenem Jahr ein bezahlter Vaterschaftsurlaub von 28 Tagen zu.
In einer Anhörung des Familienausschusses in der vergangenen Wahlperiode habe sich ein Großteil der Sachverständigen „für die Einführung eines solchen Elternschutzes ausgesprochen, um die EU-Richtlinie auch in Deutschland umzusetzen“, heißt es im Antrag der Linken-Fraktion. Nun müsse die Bundesregierung „unverzüglich“ einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Bis Ende November hat sie zunächst Zeit, die Aufforderung der EU-Kommission zu beantworten.
Mehr: EU-Kommission startet wegen Vaterschaftsurlaub Verfahren gegen Deutschland.
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