Nov 7, 2022
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COP27 : Klimaschutz-Offensive der USA: Europa wenig begeistert von Kerry-Plan

Written by Christoph Herwartz


Berlin, Brüssel Die USA arbeiten an einem Plan, wie die größten Unternehmen der Welt Entwicklungsländern den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien mitfinanzieren können. Das Konzept sieht offenbar vor, dass Unternehmen im Gegenzug für grüne Investitionen in Entwicklungsländern ihre eigene Klimabilanz aufbessern können. Zuerst hatte die „Financial Times“ über die neue Offensive von US-Präsident Joe Biden und seinem Klimabeauftragten John Kerry berichtet.

Demnach will die US-Regierung die Idee in dieser Woche auf dem Weltklimagipfel in Ägypten vorstellen. Kerry und Biden versuchen derzeit, die Unterstützung anderer Regierungen und Unternehmen zu gewinnen.

Das System soll zunächst freiwillig sein. Dennoch hofft die US-Regierung offenbar darauf, die Konzerne mit der weltweit höchsten Umweltverschmutzung so zu mehr Klimaschutz bewegen zu können.

Sie könnten demnach ihr Engagement für eine klimafreundlichere Wirtschaft verstärken, ohne die eigenen Geschäftsmodelle zu drastisch zu ändern. Sie würden in saubere Energien und CO2-Minderung in Entwicklungsländern investieren und dadurch Emissionszertifikate erwerben, mit denen sie andernorts weiter eine bestimmte Menge CO2 ausstoßen dürfen.

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Obwohl dieser Handel mit Emissionszertifikaten in gewisser Weise an das in der EU verbreitete Handelssystem mit CO2-Ausstoßrechten erinnert, stößt die US-Initiative in Deutschland und Europa auf Skepsis.

Warum Europa skeptisch ist

In der EU ist das Prinzip, CO2-Zertifikate zu handeln, bekannt. Im Prinzip müssen Unternehmen hier für jede Tonne CO2, die sie ausstoßen, Geld bezahlen. Da die Zahl der verfügbaren CO2-Zertifikate von Jahr zu Jahr sinkt, müssen Unternehmen von Jahr zu Jahr klimaschonender produzieren. So will Europa seine Industrie bis 2050 klimaneutral machen.

Dieses Handelssystem von der EU auf andere Weltregionen auszuweiten wäre der Traum vieler europäischer Klimapolitiker. Dennoch sehen sie die US-Initiative skeptisch. Denn sie könnte Unternehmen auf dem Papier klimaneutral machen, obwohl sie weiter CO2 ausstoßen.

„Unternehmen müssen ihre Emissionen reduzieren, wenn wir die Pariser Klimaziele einhalten wollen, nicht kompensieren“, sagt der EU-Klimapolitiker Michael Bloss (Grüne). „Anstatt auf ein freiwilliges Kreditsystem zu setzen, sollten die USA einen funktionierenden Emissionszertifikatehandel einführen.“

Kerrys Plan erinnert an den sogenannten Clean Development Mechanism (CDM), ein Instrument noch aus dem Vorgängerabkommen des Pariser Klimaschutzvertrags. Das Prinzip: Unternehmen aus Industrieländern setzen in Entwicklungsländern Projekte zur Reduzierung von CO2-Emissionen um und erhalten dafür im Gegenzug Emissionszertifikate, um ihre eigene CO2-Bilanz zu verbessern. Doch wirklich funktioniert hat dieser Ansatz bisher nicht.

>> Lesen Sie auch: „Menschheit steuert auf den Abgrund zu“ – Darauf kommt es bei COP27 an

„Entwicklungsländer und Schwellenländer sollten belohnt werden, wenn sie Treibhausgasemissionen reduzieren“, sagt der Ökonom Axel Ockenfels zwar dem Handelsblatt. Doch den konkret vorgeschlagenen Mechanismus hält er für problematisch. So sei es nicht einfach, Emissionen zu messen, die nicht stattfinden. „Die Gefahr eines wenig hilfreichen Greenwashings in den reichen Ländern ist real.“

König Charles III. (links), US-Gesandter Kerry (Mitte)

Auch andere Fachleute bewerten den Vorstoß der USA skeptisch. Das von Kerry vorgeschlagene System sehe „auf den ersten Blick wie ein vernünftiger Plan aus, um im globalen Süden den Umstieg zu CO2-freien Technologien zu finanzieren“, sagte Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), dem Handelsblatt. „Die Schwierigkeit wird allerdings darin bestehen, sicherzustellen, dass man damit nicht ein Projekt finanziert, das ohnehin umgesetzt worden wäre.“

Die Erfahrungen mit vergleichbaren Mechanismen in der Vergangenheit seien „nicht ermutigend“, sagte der MCC-Direktor. Das von Kerry vorgeschlagene Verfahren sollte nur dann angewandt werden, „wenn klar ist, dass es wirklich zu zusätzlicher Emissionsminderung führt“.

Dies wäre nach Edenhofers Worten zum Beispiel der Fall, „wenn es technische Verfahren zum Zurückholen von CO2-Emissionen aus der Atmosphäre finanziert, etwa Direktentnahme über Luftfilter-Systeme“.

Deutschland will den Klimaclub

Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), hebt zwar hervor, ein flexibler Handelsmechanismus könne Klimaschutz effizienter und damit wirtschaftlicher machen. „Es wird Zeit, dass dieser offene Punkt des Pariser Abkommens endlich geschlossen wird. Vielleicht kann der amerikanische Vorstoß Bewegung in die Sache bringen“, sagte Bardt dem Handelsblatt. Es komme dabei aber auf viele Detailfragen an. „Für Europa wäre zu klären, wie ein solches System in den Emissionshandel integriert werden kann und was als zusätzliche Emissionssenkung gilt“, sagte Bardt.

Großbritanniens Premier Sunak (r.) mit Frankreichs Präsident Macron in Ägypten

Europa pocht auf verbindlichen Emissionshandel.


(Foto: AP)

Der IW-Geschäftsführer verweist auf andere Modelle: „Eine Alternative wäre ein sektorspezifischer Klimaclub, bei dem bestimmte Standards oder Bepreisungen für Emissionen eines Sektors vereinbart werden könnten und zugleich Unterstützung für die Transformation der Branche in den Schwellenländern organisiert werden könnte.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gilt als Anhänger der Klimaclub-Idee. Möglichst viele Länder würden demnach gemeinsam einen Klimaclub bilden und sich auf gemeinsame Wege verständigen, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Statt darauf zu warten, dass die Klimaschutzverhandlungen unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN) zu belastbaren Ergebnissen führen, würden einige große Industriestaaten die Sache selbst in die Hand nehmen.

Allerdings krankt diese Idee derzeit an einem Problem: China, deutlich vor den USA der weltgrößte Verursacher von Treibhausgasen, hat den Klimadialog mit den USA im Sommer ausgesetzt. Auch in einem Klimaclub, in dem die USA Mitglied sind, wollen sie nicht mitmachen. Ein Klimaclub ohne den größten Emittenten aber ist nicht vorstellbar.

Ob die US-Idee weiterführt als der deutsche Club-Plan? Nun, Freitag schaltet sich US-Präsident Biden in den Klimagipfel ein.

Mehr: Deutscher UN-Diplomat verteidigt kurzfristige Investitionen in fossile Energien – und redet Industrieländern ins Gewissen



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Politik

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