Wien Österreichs Medien haben in den vergangenen Monaten viel darüber berichtet, wie die Politik des Landes von „Freunderlwirtschaft“ und Korruption verseucht sei. Doch nun sind auch sie, die eigentlich „Wächter der Demokratie“ sein sollten, ins Zwielicht geraten.
Im Zentrum der jüngsten Medienskandale in Österreich stehen Rainer Nowak, ehemaliger Chefredakteur und Herausgeber der bürgerlich-liberalen Qualitätszeitung „Die Presse“ und Matthias Schrom, der beim öffentlich-rechtlichen ORF als Chefredakteur für die Informationssendungen des zweiten Kanals verantwortlich war. Beide Vorfälle zeigen, wie nah sich die Politik und der Journalismus in Österreich sind – und wie gefährlich es sein kann, in privaten Chats flapsig zu kommunizieren.
Seit einiger Zeit wertet die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Chats von Thomas Schmid, ehemaliger Generalsekretär im Finanzministerium, aus. Dessen Nachrichtenverläufe brachten bereits den Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Fall, nun trifft es den „Presse“-Chefredakteur Nowak. Der wollte unbedingt Generaldirektor des ORF werden, was auch der Regierung in Wien bekannt war. Um sein Ziel zu erreichen, nutzte Nowak seine Beziehungen zu Schmid, der wiederum einen guten Draht zu Kurz besaß.
Im Frühjahr 2019 erkundigte sich Nowak bei Schmid, wie denn dessen Hearing für den Chefposten bei der Bundesbeteiligungsholding Öbag gelaufen sei. „Super“ und „echt gut“, antwortete Schmid. Darauf schrieb er: „Jetzt du noch ORF-Chef. Alter – dann gehts aber ab. Danke für alles.“ Nowak antwortete: „Ehrensache. Jetzt musst du mir bitte beim ORF helfen.“ Schmid: „Unbedingt.“
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Viel gebracht hat Schmids nicht genauer bekannte Hilfe Nowak aber anscheinend nicht: Der Posten des Generaldirektors ging damals an Roland Weißmann.
Chefredakteur stellte sich gegen eigene Kollegen
In der Zeitung „Der Standard“, dem eher links positionierten Konkurrenten der „Presse“, versuchte Nowak, sich zu verteidigen. Es habe „weder Interventionen noch irgendwelche Beeinflussungen meinerseits in der Redaktion der ,Presse’ gegeben“, sagte er.
Ähnliches wie bei der „Presse“ trug sich beim ORF zu, wie ebenfalls in diesen Tagen bekannt geworden ist. Im Frühjahr 2019 beschwerte sich der damals amtierende Vizekanzler Heinz-Christian Strache beim damaligen News-Chefredakteur Schrom über eine Sendung auf ORF 1.
Statt die Berichterstattung zu verteidigen, stimmte Schrom dem Politiker der rechtspopulistischen FPÖ zumindest teilweise zu. „Also es wird grad mit Gewalt versucht, den maroden Kanal hochzukriegen. Ich wundere mich ja ehrlich schon lange, dass sich darüber, was dort inhaltlich abgeht, keiner aufregt“, schrieb er. Darüber hinaus erteilte er Strache Ratschläge, wie er bei den Kollegen bei ORF 1 intervenieren könne.
Beim ORF lösten Schroms Nachrichten an Strache Verärgerung und Scham aus. „Die Optik der Chats ist verheerend“, sagt Generaldirektor Weißmann in dieser Woche.
In Wien, dem gesellschaftlichen Mittelpunkt Österreichs, ist das Prinzip „Eine Hand wäscht die andere“, wie es in den Chats von Nowak und Schmid zum Ausdruck kommt, zwischen den Eliten als Erwartungshaltung weitverbreitet. Die Beziehungen von Medien und Politik gehen allerdings weit über das rein Zwischenmenschliche hinaus. Sie sind auch institutionell verankert.
Österreichs Medien erhalten vom Staat erstens viel Geld, was eine gewisse Abhängigkeit schafft. Laut den Berechnungen der gemeinnützigen Stiftung Medienhaus Wien gab die öffentliche Hand 2020 rund 222 Millionen Euro für Regierungswerbung in der Presse aus.
Politik besetzt Stiftungsräte beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Darüber hinaus bekamen die Medien in jenem Jahr eine staatliche Presse- und Rundfunkförderung von 32 Millionen Euro. Die Förderpolitik von Österreichs Bundesregierung sei in den vergangenen Jahren aus dem Ruder gelaufen, urteilte das Medienhaus Wien im vergangenen Jahr.
Zweitens ist die institutionelle Verfasstheit des ORF für ambitionierte Politiker geradezu eine Einladung, sich beim Sender einzumischen. Das oberste Organ des Senders ist der Stiftungsrat. Er hat eine ähnliche Funktion wie der Aufsichtsrat bei einem deutschen Unternehmen. Unter anderem ernennt er den Generaldirektor des Senders.
Über das Gremium sichert sich die Politik aber auch den Einfluss beim ORF. Immerhin wurden 24 der 35 aktuellen Stiftungsräte von der Bundesregierung, den Landesregierungen und den Parlamentsparteien ernannt. Die Folge dieses Wahlmechanismus besteht darin, dass der ORF immer wieder in die Machspiele der Politiker hineingezogen wird.
Der ORF und die „Presse“ sind sich allerdings spätestens seit dieser Woche bewusst, was für sie auf dem Spiel steht. Schrom ist am Mittwoch als Chefredakteur zurückgetreten. Der Druck aus dem eigenen Haus war zu groß geworden. Nowak trat am heutigen Freitag von seinen Posten bei der „Presse“ zurück. Die Mutterfirma der Zeitung, die Styria Media Group, teilte mit, der Schritt erfolge „vor allem, um jeden Anschein von Befangenheit zu nehmen und die Unabhängigkeit der ,Presse’ als Tageszeitung zu wahren“.
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