Nov 11, 2022
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49 Euro-Ticket: Deutschlandticket für den Nahverkehr steht auf der Kippe

Written by Daniel Delhaes

Berlin Bund und Länder wollten für die „schnellstmögliche Einführung“ eines neuen Rabatttickets im Nah- und Regionalverkehr sorgen. Dieser Plan droht zu scheitern. Die Verkehrsunternehmen in Deutschland weigern sich, das staatlich beschlossene „Deutschlandticket“ ohne weitere finanzielle Zusagen vorzubereiten und einzuführen.

Das geht aus Briefen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie an die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer hervor. Sie liegen dem Handelsblatt vor.

„Wir bitten Sie höflich um Verständnis dafür, dass es uns nur unter den oben genannten Umständen möglich ist, ein derart neuartiges, aber auch qualitativ hochwertiges Tarifangebot den Fahrgästen zu unterbreiten“, schreiben Verbandspräsident Ingo Wortmann, Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) sowie Verbands-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.

Die „Umstände“ sind klare Bedingungen der Branche: Nur wenn Bund und Länder garantieren, sämtliche Kosten zu übernehmen, will sie den neuen Tarif einführen. Aber schon jetzt stünde fest, dass „zum gegenwärtigen Zeitpunkt zahlreiche Fragen unbeantwortet“ seien, „die uns eine Umsetzung – etwa zum 1. Januar 2023 – unmöglich machen.“

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Bund legt erstmals einen Tarif im Nahverkehr fest

Erstmals sollen die öffentlichen Verkehrsunternehmen einen Tarif einführen, der nicht nur im eigenen Nahverkehrsgebiet gültig ist, sondern bundesweit in jeder Bahn und jedem Bus.

Normalerweise sind allein die Länder und Kommunen zuständig, den Nahverkehr zu organisieren. Dazu gehören auch die Fahrkartenpreise und Tarife. Im Sommer aber hatte der Bund mit der Idee eines Neun-Euro-Monatstickets in die Tarifhoheit eingegriffen.

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Zuletzt hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) 1,5 Milliarden Euro für eine dauerhafte Nachfolgeregelung in Aussicht gestellt, wenn sich die Bundesländer in ähnlicher Höhe beteiligen.

Die von Bund und Ländern zugesagten drei Milliarden Euro würden nicht ausreichen, um das bundesweit gültige und digital vertriebene Monatsabonnement einzuführen, stellt der VDV klar. Der Verband verweist darauf, dass auch die Verkehrsminister der Länder zuvor beschlossen hatten, „dass die Kosten für die Fahrgeldverluste und die erheblichen Umstellungskosten auf ein neues Tarifprodukt vollständig erstattet werden müssen“.

Scholz und die Ministerpräsidenten hätten sich auf maximal je 1,5 Milliarden Euro verständigt. „Aus Sicht der gesamten Verkehrsbranche stellt sich daher die Frage, wie die Finanzierung des Deutschlandtickets ohne ein wirklich erhebliches Risiko für Unternehmen und Aufgabenträger erfolgen soll“, heißt es in den Briefen weiter.

Markus Söder, Volker Wissing

Verkehrsminister Wissing hat 1,5 Milliarden Euro für eine Nachfolgeregelung des Neun-Euro-Tickets versprochen, wenn sich die Länder in ähnlicher Höhe beteiligen.


(Foto: IMAGO/aal.photo)

Wie es in der Branche hieß, fußen die prognostizierten Einnahmeausfälle von drei Milliarden Euro im Jahr auf anderen Annahmen als zum nun geplanten 49 Euro-Monatsticket. So sei die Branche bislang in den Planungen davon ausgegangen, dass ein 69-Euro-Ticket eingeführt werde – als Jahresabonnement.

Wirtschaftliches Risiko des 49-Euro-Tickets „nicht leistbar“

Ein Monats-Abo hingegen bedeute ein viel höheres finanzielles Risiko und der Preis von 49 Euro weit höhere Verluste. Sollten die Mehrkosten bei den Verkehrsunternehmen landen, so müssten diese zwangsläufig Strecken in ihrem Angebot stilllegen, hieß es warnend. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden seien sich die Verkehrsunternehmen einig: Das wirtschaftliche Risiko sei „nicht leistbar“.

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sagt, die Kommunen bräuchten zwingend eine Regelung, dass alle mit dem Ticket verbundenen Einnahmeverluste durch Bund und Länder ausgeglichen werden. „Eine Deckelung des Ausgleichsbetrags auf drei Milliarden Euro und gleichzeitig die Festlegung eines Preises von 49 Euro wälzen ein untragbares Risiko auf die Verkehrsunternehmen und Kommunen ab.“ Die Kommunen könnten die drohenden zusätzlichen Kosten nicht schultern, sagt Landsberg. „Auch hier muss der Grundsatz gelten: Wer bestellt bezahlt.“

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Auch die Vertreter der privaten Verkehrsanbieter sehen es ähnlich. „Es gibt erhebliche ungeklärte Finanzierungsfragen“, sagte etwa Tobias Heinemann, Präsident des Verkehrsverbands Mofair und Chef der Transdev GmbH.

Wer solche Regelungen einführt, ist den Personenbeförderungsunternehmen gegenüber unmittelbar zum finanziellen Ausgleich verpflichtet. Clemens Antweiler, Wirtschaftsjurist in Düsseldorf

Unterdessen sehen Juristen durchaus Chancen, dass die Verkehrsunternehmen im Zweifel den Bund in die Pflicht nehmen können, alle Kosten zu übernehmen. „Wer solche Regelungen einführt, ist den Personenbeförderungsunternehmen gegenüber unmittelbar zum finanziellen Ausgleich verpflichtet“, stellte der Düsseldorfer Wirtschaftsjurist Clemens Antweiler klar.

Er verweist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. In dem untersuchten Fall waren Verkehrsunternehmen in Estland verpflichtet worden, Schüler, Auszubildende und Behinderte kostenlos zu befördern – ohne einen Ausgleich dafür zu erhalten.

Der Gerichtshof habe überzeugend dargelegt, dass der Gesetzgeber „zwingend zu einem finanziellen Ausgleich für sämtliche Kostennachteile verpflichtet ist, die Personenbeförderungsunternehmen durch die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen entstehen“, resümierte Antweiler.

Entsprechend sei der Bund nun in der Verantwortung, die Unternehmen auskömmlich zu entlasten. Schließlich führe der Staat das Ticket ein, indem er es per Bundesgesetz beschließt. „Das Urteil zwingt zum Umdenken, auch beim Deutschlandticket.“

Mehr: Wie das 49-Euro-Ticket den Nahverkehr auf den Kopf stellt



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Politik

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