Berlin Die Wirtschaftswissenschaftlerin Elga Bartsch wird neue Chefökonomin im Bundeswirtschaftsministerium. Bartsch übernimmt die Leitung der Grundsatzabteilung „Wirtschaftspolitik“ im Ministerium, heißt es aus Ministeriumskreisen.
Formell wird sie damit in dritter Reihe des Ministeriums von Robert Habeck (Grüne) tätig sein. Doch die Leitung der „Abteilung 1“ hat einen besonderen Stellenwert, der historisch geprägt ist. Unter dem CDU-Kanzler Ludwig Erhard hatte Alfred Müller-Armack die Position inne, der als der eigentliche Vordenker der sozialen Marktwirtschaft gilt.
Bartsch soll nun gemeinsam mit dem zuständigen Staatssekretär Sven Giegold die ökonomische Ausrichtung des Ministeriums prägen. Die Aufgabe ist gerade jetzt besonders relevant, weil die Bundesregierung sich mit dem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt hat, aus Müller-Armacks sozialer eine sozial-ökologischen Marktwirtschaft zu formen.
Zudem wird mit Bartsch erstmals eine Frau in der 70-jährigen Geschichte der Grundsatzabteilung die Leitung übernehmen.
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Bartsch leitete bis zum Sommer die Wirtschafts- und Marktforschung beim Institut des internationalen Vermögensverwalters Blackrock. Vor dieser Tätigkeit war sie europäische Chefvolkswirtin bei Morgan Stanley. Bei der Investmentbank in London verbrachte sie mehr als 20 Jahre.
Bartschs ökonomische Stationen: Kiel, London, München
Wissenschaftlich beheimatet ist Bartsch am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), einem der großen deutschen Leibniz-Institute. In Kiel hat sie auch studiert, zudem in Hannover und an der renommierten London School of Economics. Bartsch ist bis heute Kuratoriumsmitglied bei einem anderen Leibniz-Institut, dem Ifo in München.
Thematisch hat sich die Ökonomin bislang vor allem mit Finanzmärkten und Geldpolitik beschäftigt. Sie war bis zu ihrem Abschied bei Blackrock auch Mitglied des „EZB-Schattenrats“, eines vom Handelsblatt moderierten Expertengremiums.
Expertise für den Umbau zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bringt Bartsch besonders deshalb mit, weil sie die Finanzmarktforschung vor allem im Kontext der Nachhaltigkeit behandelt hat. „Durch ihre Forschungen ist sie Expertin für die Risiken des Klimawandels für die Wirtschaft und deren ökonomische Modellierung“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.
Bartsch gilt unter Ökonomen als fachlich exzellent. Anfang 2022 konnte sie nachweisen, dass eine Verschiebung von signifikanten Teilen von Vermögen an den Finanzmärkten hin zu nachhaltigeren Investments in Gang gekommen ist.
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Außerdem wird sie als offen für neue Denkweisen beschrieben, was zu Giegold und Habeck passen dürfte. 2019 erregte sie mit einem Papier zum Thema Helikoptergeld großes Aufsehen.
Darin entwickelte sie gemeinsam mit dem bekannten früheren Vizechef der US-Notenbank Fed, Stanley Fischer, und weiteren Ex-Notenbankern Ideen zur direkten Staatsfinanzierung durch Zentralbanken – ein krasser Gegensatz zu den Vorstellungen ordnungspolitisch geprägter Ökonomen.
Bartschs Grundsatzabteilung wird erweitert
An Bartsch wird es mitunter liegen, die unterschiedlichen ökonomischen Glaubensgrundsätze von Grünen und FDP in der Regierungskoalition zusammenzubringen. Diese Unterschiede haben sich in den vergangenen Monaten immer mal wieder im Umgang zwischen dem grün-geführten Wirtschaftsministerium und dem von den Liberalen verantworteten Finanzministerium gezeigt, etwa beim Jahreswirtschaftsbericht.
Aus Regierungskreisen heißt es, das Finanzministerium reagiere auf die Berufung Bartschs grundsätzlich positiv, die Ökonomin bringe viel Erfahrung in wichtigen Themen mit.
Im Wirtschaftsministerium übernimmt Bartsch, wenn das Kabinett ihre Berufung wie erwartet bestätigt, den vakanten Posten von Philipp Steinberg. Dieser leitet inzwischen die neu gegründete Abteilung für „Energiesicherheit und Wirtschaftsstabilisierung“. Neben dem Wechsel an der Spitze soll die Abteilung stärker als Grundsatzschmiede profiliert werden. Dafür werden zwei neue Unterabteilungen für „Wettbewerbspolitik“ und „Strukturpolitik“ gegründet.
Nach ihrem Abgang bei Blackrock am 1. Juli twitterte Bartsch, sie habe während einer Auszeit nun mehr Zeit, ihren „nicht-makroökonomisch-bezogenen Leidenschaften“ nachzugehen. In Zukunft im Wirtschaftsministerium wird wohl vor allem wieder die Makroökonomie Bartschs Kalender füllen.
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