Nov 23, 2022
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Nordkorea: Verschärftes Drohszenario – Kims Atomraketen können jetzt USA und Europa erreichen

Written by Martin Kölling

Tokio Es ist ein bizarrer Auftritt. Nordkoreas Fernsehkameras richten sich auf Kim Jong Un, zeigen, wie der Herrscher Hand in Hand mit seiner Tochter über ein Rollfeld flaniert. Das Mädchen ist nie zuvor in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Doch es handelt sich nicht etwa um einen Familienausflug, sondern um einen Spaziergang zu seiner bisher stärksten militärischen Machtdemonstration.

Vater und Tochter schreiten die mobile Abschussrampe einer 26 Meter langen Atomrakete ab. In einer weiteren Szene nimmt Kim seine Tochter in den Arm, beide blicken auf die Bildschirme der Kommandozentrale. Die Monitore zeigen, wie sich eine Rakete mit feurigem Schweif in den Himmel erhebt.

Was die Menschen am Wochenende im nordkoreanischen Staatsfernsehen sahen, war kein gewöhnlicher Raketentest – und auch keine gewöhnliche Propagandashow des nordkoreanischen Machthabers: Kim inszenierte den Start einer atomwaffenfähigen Hwasong-17-Interkontinentalrakete, die es Nordkorea zum ersten Mal in der Geschichte erlauben würde, die USA oder Europa direkt mit Atomwaffen anzugreifen.

In Washington und bei internationalen Analysten wächst die Befürchtung, Kim könnte den Westen in den kommenden Jahren durch seine rasante atomare Aufrüstung massiv bedrohen.

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Wie unberechenbar ist Nordkoreas Machthaber? Joseph Cirincione, Mitglied des amerikanischen Council on Foreign Relations, sendet warnende Worte an die US-Regierung. Nordkorea sei entschlossen, eine moderne und vielseitige nukleare Abschreckungsmacht aufzubauen. Und der Diktator sei auf dem besten Weg, sein Ziel auch zu erreichen. „Kims Raketentechnik ist Weltklasse, und die Atomwaffen sind gut genug“, sagt Cirincione.
Auch Japans Verteidigungsministerium warnte bereits vor dem Test: „Nordkorea treibt die Entwicklung ballistischer Raketen extrem schnell voran und verfolgt unermüdlich immer komplexere und vielfältigere Angriffsmethoden.“

Kim Jong Un

Starts von Interkontinentalraketen nutzt Kim für öffentliche Auftritte.



(Foto: dpa)

Tatsächlich verfügt das Land mittlerweile über ein großes Portfolio atomar bestückbarer Raketen. Ankit Panda, Militärexperte beim Washingtoner Thinktank Carnegie Endowment for International Peace, spricht von einem hohen Tempo der Tests. Sie seien ein Zeichen dafür, dass die Herstellung der Raketen nun bald das Stadium der Massenproduktion erreichen.

Vor allem die Langstreckenraketen machen den USA Sorgen. Nordkoreas Führung behauptet, mit ihnen 15.000 Kilometer entfernte Ziele genau treffen zu können. Damit wären Europa und die gesamten USA in Reichweite.

Kurzstreckenraketen mit Atomsprengköpfen

Internationale Militärbeobachter glauben allerdings auch, dass Nordkorea seine Atomwaffen so weit miniaturisiert hat, dass sie nun auch auf die getesteten Kurzstreckenraketen passen. Seit Anfang des Jahres warnen Experten, dass ein Test jederzeit stattfinden könnte. Die meisten Beobachter gehen von einer taktischen Nuklearwaffe mit relativ kleiner Sprengkraft aus, um die Einsatzfähigkeit für einen Krieg mit Südkorea zu beweisen.

>> Lesen Sie dazu auch: „Schärfere militärische Reaktionen“ – Nordkorea testet erneut ballistische Rakete

Der US-Abrüstungsexperte Cirincione könnte sich aber auch den Test einer Wasserstoffbombe vorstellen. Die beruhen auf Kernfusion anstatt auf Kernspaltung und ermöglichen den Bau von sogenannten „Städtekillern“.

Weder Diplomatie, Sanktionen noch militärische Drohungen dürften diesen Versuch aufhalten können, so die Einschätzung der Militärexperten. Denn Nordkoreas Verbündete China und Russland seien nicht mehr bereit, sich gegen Pjöngjang zu stellen. Ian Bremmer, der Chef des Risikoberaters Euroasia Group, warnte: „Da Russland direkte militärische Unterstützung von Nordkorea erhält, sieht sich Kim Jong Un möglicherweise in der günstigsten geopolitischen Position seiner bisherigen Herrschaft.“ Ein siebter Nukleartest, so Bremmer, werde in diesem Umfeld immer wahrscheinlicher.

Kim, Kremlchef Putin

Die beiden Staatschefs, hier ein Archivbild aus dem Jahr 2019, haben immer wieder ihre Nähe demonstriert.



(Foto: dpa)

Während die Interkontinentalraketen vor allem gegen die USA gerichtet sind, sorgt sich Nachbar Japan vor Raketen kürzerer Reichweite. Im Oktober schoss Nordkorea eine Hwasong-12 über Japan hinweg. Ihre Reichweite betrug 4600 Kilometer, es war der bis dahin längste Flug einer nordkoreanischen Testrakete.
Seit Mai 2019 hat Nordkorea zudem neue Typen von ballistischen Kurzstreckenraketen (SRBM) getestet, die in geringer Höhe mit unregelmäßigen Flugbahnen fliegen können, erklärt das japanische Verteidigungsministerium. Gleichzeitig werden die Militärs flexibler bei der Planung ihrer Abschussbasen: So werden neben mobilen Startrampen auch Basen auf Zügen und U-Booten getestet. „Auf diese Weise ist Nordkorea bestrebt, seine Kapazitäten für den Kriegseinsatz zu erweitern“, heißt es bei Japans Militärs.
Dabei erweisen sich die Rakete KN23 und ihre verwandten Systeme „als die neuen Arbeitspferde für die aufkeimende Präzisionsschlagfähigkeit der koreanischen Volksarmee“, meint Militärexperte Experte Ankit Panda. Diese Raketen seien intensiver als alle anderen in der Geschichte Nordkoreas getestet worden und sollten den technologischen Vorsprung der USA und deren Verbündeten wettmachen. Die jüngsten Testserien entlang der Seegrenze zwischen Nord- und Südkorea zeigen nach Ansicht Pandas deutlich, dass Nordkorea nun den Einsatz von nuklearen Kurzstreckenraketen testet.

Marschflugkörper und Hyperschallwaffen

In den letzten Jahren war Nordkorea auch bestrebt, Langstrecken-Marschflugkörper zu entwickeln. Beim jüngsten Test im November blieb eine von Nordkorea gesteuerte Lenkwaffe im Kurvenmodus fast drei Stunden in der Luft, bevor sie nach rund 2000 Kilometern im Meer einschlug. Das reicht, um viele US-Stützpunkte in Japan zu treffen.
Auch sogenannte Hyperschallraketen, die ihre Flugbahn ändern können, hat Nordkorea bereits getestet. Marschflugkörper und Hyperschallwaffen würden es Nordkoreas Gegnern zusätzlich erschweren, die Sprengköpfe abzufangen.

Mehr: Ein Raketentest kostet mehrere Millionen Euro – Wie das verarmte Nordkorea diese finanzieren kann



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