Dec 28, 2022
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Betriebsräte: Erfahren, männlich, Gewerkschafter – Wer die Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb vertritt

Written by Frank Specht


Berlin Das deutsche Recht stattet Betriebsräte mit viel Macht aus: Sie helfen bei drohenden Kündigungen oder Mobbing und bestimmen über Arbeitszeitgestaltung, Entlohnungsgrundsätze, die Einführung bestimmter Software oder die Personalpolitik mit.

Aber wie setzen sich die Betriebsratsgremien zusammen, die in diesem Jahr – 50 Jahre nach Reform des Betriebsverfassungsgesetzes – gewählt wurden? Das hat das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer Studie untersucht. Sie liegt dem Handelsblatt vor.

Die Ergebnisse zeigen, dass Betriebsräte weiter überwiegend männlich dominiert sind, die Beschäftigten auf erfahrene Vertreter setzen und der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Mitglieder rückläufig ist.

In Betrieben mit mindestens fünf Beschäftigten besteht das Recht, einen Betriebsrat zu gründen; gewählt wird alle vier Jahre. Die betriebliche Interessenvertretung ist allerdings immer weniger verbreitet.

Nach Daten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung existierte im vergangenen Jahr nur noch in acht Prozent aller Betriebe in West- wie in Ostdeutschland ein Betriebsrat. Der Anteil der Beschäftigten, die durch ein solches Gremium vertreten werden, ist seit 1996 im Westen von 51 auf 39 Prozent und im Osten von 43 auf 34 Prozent gesunken.

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Anders als etwa bei Wahlen auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene gibt es zu den Betriebsratswahlen keine amtliche Statistik. Die IW-Forscher Christian Kestermann, Hagen Lesch und Oliver Stettes haben deshalb eine nicht repräsentative Stichprobe unter rund 750 Unternehmen mit 240.000 wahlberechtigten Beschäftigten gezogen. Das produzierende Gewerbe ist dabei deutlich überrepräsentiert. Mit früheren Erhebungen sind die Ergebnisse aufgrund unterschiedlicher Stichproben nur eingeschränkt vergleichbar.

Im Durchschnitt haben sich pro Betrieb knapp 69 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den Wahlen beteiligt – deutlich weniger als in den Wahlperioden zuvor. Die Quote sinkt mit zunehmender Betriebsgröße: In Betrieben mit fünf bis 249 Beschäftigten lag sie bei 75,6 Prozent, in Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftigten nur bei 53,8 Prozent.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat in einer eigenen Erhebung eine Wahlbeteiligung von 72 Prozent ermittelt. Die Wahlen hätten noch unter dem Eindruck der Coronapandemie mit viel Kurzarbeit und mobiler Arbeit stattgefunden, sagte die Zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, dem Handelsblatt. „Angesichts dieses Ausnahmezustands sind wir zufrieden mit der Wahlbeteiligung.“

Nur jedes zehnte Mitglied im Betriebsrat ist unter 30

Erfahrung ihrer Interessenvertreter ist den Beschäftigten offenbar wichtig: Zwei von drei gewählten Betriebsratsmitgliedern gehörten dem Gremium schon in der Vorperiode an. Rund 52 Prozent sind älter als 46 Jahre, nur rund jedes zehnte Mitglied ist unter 30. Betriebsratsvorsitzende sind im Durchschnitt 50 Jahre alt und gehören seit 23 Jahren dem Betrieb an.

Frauen stellen in der Stichprobe insgesamt nur 27,6 Prozent der gewählten Betriebsräte. Im Dienstleistungsbereich, wo der Anteil weiblicher Beschäftigter höher liegt als in der Industrie, sind es 44,8 Prozent.

Zumindest im Organisationsbereich der IG Metall sei es aber gelungen, den Frauenanteil in den Betrieben von 23,6 auf 24,5 Prozent zu steigern, sagt Benner. Er liege damit über dem Anteil der weiblichen Wahlberechtigten in den vertretenen Branchen von knapp 21 Prozent.

Frauen stellen zudem 16,4 Prozent der Vorsitzenden und 21 Prozent der Stellvertreter. „Besonders in den traditionell männlich dominierten Branchen der IG Metall zeigen die Ergebnisse der Kolleginnen, wie sehr sich gezielte Frauenförderung bezahlt macht“, sagt Benner.

>> Lesen Sie hier den Gastkommentar von Christiane Benner: Geordneter Wandel statt statischen Beharrens – Darum müssen wir die Mitbestimmung reformieren

Gesamtwirtschaftlich sieht es anders aus. In der IW-Stichprobe übernimmt nur bei knapp 18 Prozent der gewählten Betriebsräte eine Frau den Vorsitz. Im Dienstleistungssektor mit seinem überdurchschnittlich hohen Frauenanteil an den Beschäftigten sind es immerhin 30 Prozent.

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Sorge bereiten muss den Gewerkschaften, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad unter den Betriebsratsmitgliedern tendenziell sinkt. Er liegt laut IW insgesamt bei knapp 41 Prozent.

Das ist von Belang, weil Betriebsräte für die Gewerkschaften Schlüsselfiguren für die Mitgliedergewinnung oder -bindung im Unternehmen sind. Auch überwachen sie von den Gewerkschaften erkämpfte tarifvertragliche Normen und entscheiden gegebenenfalls über Abweichungen mit.

In fast jedem zweiten Unternehmen ist kein einziges Betriebsratsmitglied noch gewerkschaftlich organisiert. Bei der letzten Wahl war das nur bei 26 Prozent der Betriebe der Fall. Die IW-Forscher räumen aber ein, dass der Organisationsgrad untererfasst sein könnte, da den befragten Betrieben die Gewerkschaftsmitgliedschaft der gewählten Betriebsräte wahrscheinlich nicht immer bekannt ist.

So sind im Metallbereich laut Benner über 70 Prozent der gewählten Betriebsratsmitglieder bei der IG Metall organisiert. Im Organisationsbereich der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sind mehr als drei von vier Betriebsräten auch Mitglied der Gewerkschaft.

Auf niedrigem Niveau von rund 1,4 Prozent verharrt laut IW die Neugründungsquote bei den Betriebsräten. Das 2021 in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz, mit dem unter anderem das Wahlalter abgesenkt und der Anwendungsbereich des erleichterten Wahlverfahrens vergrößert wurde, hat offenbar bisher noch keine große Wirkung entfaltet.

Mehr: Stechuhr-Urteil – Welche Regeln bei der Arbeitszeiterfassung ab sofort gelten.



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