Jan 7, 2023
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US-Kongress: Die neue Macht der Republikaner-Rebellen im Kongress

Written by Annett Meiritz

Washington Am Ende konnte Republikaner Kevin McCarthy den Druck nicht mehr verbergen, der auf ihm lastete. Mehr als drei Tage lang hatten parteiinterne Gegner ihm die Wahl zum mächtigen Sprecher des Repräsentantenhauses verweigert. Äußerlich ließ er sich keine Nervosität anmerken: „Dann schreibe ich halt Geschichte!“ rief er in die Flure des Kongresses, mit starrem Lächeln.

Doch in der Nacht zum Samstag, in der 14. Abstimmungsrunde, reichte es McCarthy. Er marschierte zu einem seiner größten Kritiker, dem rechten Hardliner Matt Gaetz, und versuchte, ihn von einer Ja-Stimme zu überzeugen. Mit der Contenance der vergangenen Tage war es vorbei. Andere Abgeordnete mischten sich ein, es kam zu einem Handgemenge – und die Welt wurde Zeuge von Szenen, die der größten westlichen Demokratie unwürdig scheinen. Dennoch: Danach wurde McCarthy schließlich im 15. Anlauf zum „Speaker of the House“ gewählt, dem dritthöchsten Staatsamt in den USA.

Allerdings könnte das Drama um McCarthy nur der Beginn von unberechenbaren Zeiten auf dem Capitol Hill in Washington sein – mit potenziellen Folgen für europäische Partner. McCarthy hat zwar mit dem ultrarechten Flügel eine Art Waffenstillstand auf Zeit geschlossen. Doch vieles deutet darauf hin, dass die Republikaner-Rebellen auch in Zukunft ihre Macht ausspielen wollen.

Biden warnt die Republikaner vor Chaos

Im Weißen Haus stellt man sich bereits auf turbulentes Regieren ein. US-Präsident Joe Bidens schriftliche Gratulation an McCarthy war mit einer Warnung versehen. Sozialausgaben und den Verteidigungshaushalt zu kürzen, das sei mit ihm nicht zu machen, schrieb er. „Es ist zwingend erforderlich, dass wir unsere nationale Sicherheit verteidigen und nicht schwächen“, betonte der Präsident und mahnte: „Das amerikanische Volk erwartet, dass die Bedürfnisse der Bürger über alles andere gestellt werden. Genau das müssen wir jetzt tun.“

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Anlass für die Warnung sind Zugeständnisse, die McCarthy seinen Kritikern im Gegenzug für ihre Unterstützung machte. So wollen einige Republikaner die Militärausgaben um 75 Milliarden US-Dollar kürzen, was auch die finanziellen Hilfen für die Ukraine betreffen kann. Zwar ist unklar, ob es tatsächlich zu Einschnitten kommt, denn andere Republikaner wollen die Ausgaben auf hohem Niveau aufrechterhalten. Kürzungen müssten zudem vom demokratisch dominierten Senat abgesegnet werden.

Doch „Neo-Isolationisten“ im Repräsentantenhaus drohen damit, die Ukraine-Gelder zu blockieren. Gerade erst hatte der US-Präsident die Lieferung von 50 Bradley-Kampffahrzeuge für das ukrainische Militär angekündigt. Vergangene Woche telefonierte Biden mit Bundeskanzler Olaf Scholz, der zuvor Marder-Lieferungen an die Ukraine bestätigt hatte. Der Streit dürfte bei den nächsten Haushaltsverhandlungen im Herbst wieder aufflammen. 

Joe Biden

Der US-Präsident bei einer Zeremonie zum Jahrestag des Kapitolsturms. Auch sein Gegenspieler McCarthy hatte den Angriff fanatischer Trump-Anhänger auf das Kapitol kritisiert.


(Foto: AP)

„Es wird ein andauernder Kampf sein“, sagte der republikanische Abgeordnete Michael McCaul über die kommenden Monate. Sollte McCarthy bei einigen Forderungen in der Zukunft nicht radikal genug auftreten, so seine Widersacher, wollen sie ihn unter Druck setzen. Denn künftig darf jeder Abgeordnete ohne größere Hürden eine Abstimmung zur Absetzung McCarthys einfordern – auch das setzten die Republikaner-Rebellen durch. McCarthy werde ein Sprecher „in Zwangsjacke“ sein, drohte Gaetz. 

Sammelbecken für Radikale und Verschwörer

Der 40-jährige Abgeordnete Gaetz aus Florida ist einer der 19 Abgeordneten, die in den ersten Tagen kontinuierlich gegen McCarthy gestimmt hatten. Sie alle sind Mitglieder des ultrakonservativen, Trump-nahen „Freedom Caucus“, die meisten wurden bei den Zwischenwahlen im November von Donald Trump finanziert. Zwölf von ihnen stellen den Wahlsieg von Joe Biden bis heute in Frage.

Schon eine kleine Zahl von Abweichlern kann McCarthy künftig das Leben schwer machen, denn die Mehrheit der Republikaner in der Kammer ist klein. Der ultrarechte Flügel eint der Drang, den Einfluss der Regierung drastisch einzuschränken und den „Sumpf der Eliten“, wie sie es nennen, austrocknen zu wollen. „Es sind Populisten, die ‚anti, anti, anti‘ sind, aber sie für nichts Inhaltliches stehen“, kommentierte der republikanische Wahlforscher Whit Ayres. „Es ist dieselbe Denkweise, die uns den Brexit beschert hat“, sagte er dem Magazin „Christian Science Monitor“.

Kevin McCarthy

Der Republikaner wurde im 15. Wahldurchgang zum Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt.


(Foto: IMAGO/UPI Photo)

Gaetz zog auf der Trump-Welle 2017 ins Repräsentantenhaus ein, ebenso wie die 35-jährige Lauren Boebert, die gern vor ihrer vollgepackten Waffen-Vitrine posiert. Der Abgeordnete Paul Gosar, einer der energischsten Wahlleugner, wurde letztes Jahr verwarnt, weil er in einem animierten Video die Tötung der Linken Alexandria Ocasio-Cortez nachstellen ließ.

Ein harter Kern von sechs McCarthy-Gegnern blieb bis zum letzten Wahlgang zur Sprecherwahl übrig. Die Abgeordneten wechselten am Schluss von einem „Nein“ zur Enthaltung und ermöglichten McCarthy damit den Sieg. Zu einem „Ja“ konnten sie sich nicht durchringen – und nahmen in Kauf, dass andere Republikaner mit privaten Problemen zwingend anwesend sein mussten. Ein Abgeordneter aus Texas, gerade Vater eines Frühchens geworden, musste ebenso einfliegen wie ein Abgeordneter, dessen Mutter gestorben war.

Trump mischte im Hintergrund mit

McCarthy ist ab sofort der größte Gegenspieler von US-Präsident Biden in Washington. „Speaker of the House“ entscheiden darüber, welche Gesetze in der Kammer behandelt werden, sie steuern die Agenda auf dem Capitol Hill. Zuletzt hatte den Posten die Demokratin Nancy Pelosi inne. Die Republikaner hatten bei den Zwischenwahlen im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus geholt, während die US-Demokraten den Senat halten konnten.

Der republikanische Sprecher hat künftig die schwierige Aufgabe, das pragmatische Tagesgeschäft aufrechtzuerhalten, parallel die Rechten bei Laune zu halten – und dabei das moderate Lager nicht gegen sich aufzubringen. Immerhin ist Opportunismus nicht fremd für McCarthy. Während Trumps Amtszeit war er loyaler Verteidiger des Präsidenten. Er unterstützte auch Trumps Lüge, die Wahlen 2020 seien manipuliert gewesen.

Allerdings verurteilte McCarthy später den Sturm fanatischer Trump-Anhänger auf das Kapitol. „Mit wem zum Teufel glaubst du, dass du sprichst?“ brüllte McCarthy ins Telefon, während Trumps Fans den Kongress in Brand setzten. Später versöhnte er sich mit Trump, was dieser genüsslich vor dem Journalisten Bob Woodward ausbreitete: „Kevin kam nach Mar-a-Lago geflogen, um meinen Hintern zu küssen“.

Doch ohne Trump, so weiß das Magazin „Politico“ zu berichten, hätte McCarthy es wohl nicht auf den Sprecherposten geschafft: Der Ex-Präsident griff aus seinem Anwesen in Mar-a-Lago zum Telefon, um Abweichler auf McCarthys Seite zu ziehen.  

Mehr: Kommentar – die Republikaner machen Kamikaze im Kongress



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