Jan 17, 2023
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Bundesgierung: Er trat mit 16 in die SPD ein und will wohl schon lange nach Berlin – das ist Boris Pistorius

Written by Martin Greive

Berlin Mitte September steht Boris Pistorius zwischen zwei großen Feuerwehrautos in der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Stadthagen und spricht über Cybersicherheit seit Ausbruch des Ukrainekriegs. Der niedersächsische Innenminister ist an diesem Tag allerdings nur eine Art Sidekick für SPD-Chef Lars Klingbeil, der auf einer Sommerreise durch Niedersachsen tourt.

Künftig aber wird Pistorius so im Blickpunkt stehen wie nur wenige andere Politiker Deutschlands. Der 62-Jährige tritt die Nachfolge von Christine Lambrecht an und wird neuer Verteidigungsminister. Eine größere und schwerere Aufgabe könnte Pistorius kaum antreten.

Pistorius als neuen Verteidigungsminister hatten die wenigsten auf dem Zettel. Bundeskanzler Olaf Scholz gelang mit seiner Berufung wieder einmal eine personelle Überraschung. Parteiintern soll er aber von Anfang an als möglicher Lambrecht-Nachfolger im Spiel gewesen sein. Und tatsächlich lag seine Berufung eigentlich durchaus nahe.

Pistorius gilt als Mann klarer Worte, als „durchsetzungsstark und sturmerprobt“, wird er in der SPD bezeichnet. Und als erfahren: Nach sieben Jahren als Oberbürgermeister von Osnabrück amtiert Pistorius in seiner inzwischen dritten Amtszeit seit 2013 als niedersächsischer Innenminister.

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Als lang gedienter Ressortchef kennt sich Pistorius in der Sicherheits- und mit Cyberpolitik aus, gilt er als gut vernetzt in den Sicherheitsbehörden. Zumindest eine inhaltliche Nähe zu Verteidigungsfragen ist also da. Über seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Versammlung der Nato verfügt er zudem über zumindest ein paar Drähte in die internationale Verteidigungsszene hinein. Um all diese Fähigkeiten künftig an seinem Kabinettstisch zu versammeln, verzichtete Scholz sogar auf die einst versprochene Parität im Bundeskabinett.

Scholz: Pistorius hat „sehr, sehr viel Erfahrung in der Sicherheitspolitik“

„Boris Pistorius ist eine sehr gute Wahl“, sagt der für Verteidigungspolitik zuständige SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz. „Er kommt aus dem Sicherheitsbereich und weiß, wie man ein Ministerium führt und mit Medien umgeht.“ Auch im Verteidigungsressort war man nach der Personalentscheidung erleichtert. „Pistorius ist der Richtige“, sagte eine Führungskraft, „die beste aller gehandelten Lösungen“.

Pistorius Einstellung passt zur Bundeswehr

Pistorius dürfte anders als seine Vorgängerin kaum mit der Truppe fremdeln. Eher im Gegenteil. Wegen seiner direkten Ansprache galt er schon in Niedersachsen als einer der populärsten Minister. Auch von der politischen Einstellung passt er gut zur Bundeswehr: Pistorius gilt als äußerst pragmatisch, immer wieder hat er sich für eine schlagkräftigere Sicherheitsarchitektur eingesetzt und sich damit in seiner Partei nicht nur Freunde gemacht.

2017 forderte Pistorius etwa in einem Papier zur sozialdemokratischen Innenpolitik ein entschlossenes Vorgehen gegen terroristische Gefährder, eine deutliche personelle Stärkung der Bundespolizei und eine verbesserte Bekämpfung von Cybercrime.

Unter den SPD-Innenministern war er in den vergangenen Jahren der wahrnehmbarste. Mehrfach setzte er Akzente, etwa im Kampf gegen Hooligans, in der Debatte über islamistische Gefährder oder in Fragen von Abschiebungen. Harsche Kritik fing er sich dagegen 2019 mit seinem Vorschlag ein, Strafen fürs Rasen auf deutschen Straßen ans Einkommen zu koppeln.

Bei den Innenminister-Konferenzen machte es Pistorius sichtlich Freude, sich mit Konservativen wie dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zu streiten. Streitlust und Durchhaltevermögen wird Pistorius in seinem neuen Amt auch gut gebrauchen können. Zuletzt hatte das Bundeskanzleramt die Verteidigungspolitik an sich gerissen, das Verteidigungsressort war praktisch ausgebootet, Pistorius wird sich hier gegen Scholz behaupten müssen.

Bundespolitische Ambitionen schon lange vermutet

Bereits mit 16 Jahren trat Pistorius in die SPD ein, absolvierte eine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel. Anschließend leistete er seinen Wehrdienst in der Steuben-Kaserne in Achim ab. Dass Pistorius „gedient“ hat, dürfte ihm in der Truppe helfen.

>> Lesen Sie hier: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht tritt zurück – Zehn Zeilen zum Abschied

Nach seinem Dienst studierte er Jura und arbeitete sich danach in der niedersächsischen Politik nach oben. Für Schlagzeilen sorgte er zwischenzeitlich auch durch seine Liaison mit Doris Schröder-Köpf, der früheren Frau von Ex-Kanzler Gerhard Schröder.

Schon länger wurden Pistorius bundespolitische Ambitionen nachgesagt. 2017 war er Mitglied im Schattenkabinett des damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz. 2019 kandidierte Pistorius gemeinsam mit Petra Köpping für den Bundesvorsitz der SPD – unter anderem gegen Olaf Scholz.

Boris Pistorius

Der 62-Jährige hat jahrelange Erfahrung in der Innenpolitik.


(Foto: imago images/photothek)

Ursprünglich waren dem Duo realistische Chancen auf einen Sieg eingeräumt worden. In dem langen Bewerbungsprozess blieb Pistorius aber überraschend blass. In Erinnerung blieb vor allem eine Willy-Brandt-Parodie, die er auf einer der Veranstaltungen zum Besten gab.

>> Lesen Sie hier: Erst Lambrecht, dann Faeser? Union fordert Klarheit über Zukunft der Innenministerin

Trotz der Niederlage wurde Pistorius weiterhin für Ministerposten im Bund gehandelt. So gab es Gerüchte, er könnte Bundesinnenminister werden, sofern Nancy Faeser in diesem Jahr bei der Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antritt.

Nun sitzt er tatsächlich am Kabinettstisch, allerdings auf einem anderen Posten als alle erwartet hatten – und dem vielleicht schwersten. Das Verteidigungsressort gilt als „Schleudersitz“. Schon viele gestandene Politiker scheiterten an dem Amt. Gefühlt stehe man als Verteidigungsminister „jeden Tag mit einem Bein im Rücktritt“, sagt ein Verteidigungspolitiker.

Olaf Scholz und Boris Pistorius bei einem Regionaltreffen der SPD

Zeit zum Einarbeiten wird Pistorius nicht haben. Direkt am Freitag beraten die Verteidigungsminister der Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein über weitere Unterstützungen für die Ukraine. Von der Bundesregierung wird dabei eine Positionierung zur Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine erwartet.  

Der neue Verteidigungsminister muss außerdem die Bundeswehr im Eiltempo wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung trimmen. Außerdem gilt es, rasch dringend benötigte Munition und Ersatz für das aus Bundeswehrbeständen an die Ukraine gelieferte Kriegsgerät zu bestellen. Auch eine weitere Beschleunigung des Beschaffungswesens gehört zu den Aufgaben des neuen Ressortchefs.

Mit 62 Jahren steht Pistorius eher am Ende seiner politischen Laufbahn. Sollte er im Amt scheitern, wäre das für ihn persönlich zumindest kein Karrierekiller. Für Kanzler Scholz aber vielleicht schon.

Scholz hat die Zeitenwende zum Kern seiner Politik erhoben, an ihrer Umsetzung wird er gemessen. Und dafür braucht er nach der Pannenministerin Lambrecht nun einen Nachfolger, der den neuen Ansprüchen auch gerecht wird. Oder wie es ein SPD-Politiker trotz Kriegszeiten martialisch ausdrückt: „Dieser zweite Schuss muss jetzt sitzen.“

Mehr: Die größten Baustellen für die neue Führung im Verteidigungsministerium



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