Jan 17, 2023
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Großbritannien: Verstöße gegen Schutz im Internet – London droht Tech-Bossen mit Gefängnisstrafen

Written by Torsten Riecke

London Der britische Premierminister Rishi Sunak hat in letzter Minute eine Abstimmungsniederlage im Unterhaus über ein neues Gesetz zur Sicherheit im Internet vermieden. Nach einem Aufstand von etwa 50 konservativen Parlamentariern der eigenen Fraktion willigte die Regierung ein, dass Topmanager der großen Tech-Plattformen künftig strafrechtlich belangt werden können, wenn sie Kinder nicht ausreichend vor Übergriffen im Netz schützen.

Den Verantwortlichen drohen in diesem Fall bis zu zwei Jahre Gefängnis. Der neue Gesetzentwurf wurde am Dienstag im Parlament beraten und geht dann ins Oberhaus.

Für Sunak ist es der dritte Rückzug in einer politisch umstrittenen Frage. Zuvor musste sich der Premier schon im Streit über verbindliche Ziele für den Haus- und Wohnungsbau dem Willen von Tory-Rebellen beugen sowie seinen Widerstand gegen neue Windkraftanlagen an Land aufgeben.

Die konservative Regierung verfügt im Parlament zwar über eine Mehrheit von 67 Stimmen, gerät jedoch in Gefahr, sobald eine nennenswerte Zahl von Abgeordneten von der Parteilinie abweicht und mit der Opposition stimmen will.

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Der Gesetzentwurf, an dem seit fast sechs Jahren gearbeitet wird und der Großbritannien an die Weltspitze der Internet-Aufsicht katapultieren soll, versucht, Schäden auf allen Websites oder Apps einzudämmen, auf denen Nutzer miteinander interagieren, von sozialen Medien bis zu Suchmaschinen. Eine Folgenabschätzung der Regierung hatte ergeben, dass das Gesetz für mehr als 25.000 Internetanwendungen gelten könnte.

Tod von Schülerin gab den Anstoß

Die britischen Bemühungen um einen umfassenden Schutz für Internetnutzer werden auch von der EU aufmerksam beobachtet. Irland hatte im Dezember 2022 ein ähnlich strenges Gesetz zur Onlinesicherheit auf den Weg gebracht.

Forderungen nach mehr Sicherheit auf den Social-Media-Plattformen im Internet sind in Großbritannien lauter geworden, nachdem die 14-jährige Schülerin Molly Russel 2017 Selbstmord verübt hatte. Ein Gerichtsmediziner hatte danach festgestellt, dass schädliche Online-Inhalte unter anderem auf Pinterest und Instagram zum Tod von Molly beigetragen hätten.

>> Lesen Sie hier auch: Britische Webseiten-Betreiber verklagen Google wegen Online-Werbung

Gefängnisstrafen seien das einzige Mittel, damit die Tech-Manager „die Sicherheit ganz oben auf ihre Tagesordnung setzen“, sagte ihr Vater Ian Russel. Es sei wichtig, die „Unternehmenskultur auf diesen Plattformen zu verändern“, erklärte er gegenüber der BBC.

Der bisher eingebrachte Gesetzentwurf für die sogenannte „Online Safety Bill“ verpflichtete die Betreiber von Websites mit nutzergenerierten Inhalten, einschließlich sozialer Medien, „angemessene Maßnahmen“ zu ergreifen, um zu verhindern, dass Kinder schädliches Material sehen. Dabei geht es zum Beispiel um pornografische Inhalte.

Als mögliche Schutzmaßnahmen werden die Überprüfung von Altersangaben, bessere Kontrollen durch die Eltern und das Löschen von schädlichen Inhalten genannt. Unternehmen, die ihren gesetzlichen Pflichten, einschließlich des Schutzes von Kindern, nicht nachkommen, können mit einer Geldstrafe von bis zu zehn Prozent des weltweiten Umsatzes belegt werden.

Vielen konservativen Abgeordneten ging das jedoch nicht weit genug. Sie forderten eine härtere Gangart gegenüber Topmanagern bis zu Gefängnisstrafen. Das neue Sicherheitsgesetz für Onlineplattformen soll nun der staatlichen Regulierungsbehörde Ofcom das Recht geben, verantwortliche Manager von Technologiekonzernen persönlich strafrechtlich zu verfolgen, sollten sie ihrer Fürsorgepflicht gegenüber Minderjährigen nicht nachkommen.

Das sei „ein großer Schritt vorwärts“, sagte der konservative Abgeordnete Bill Cash. Die Tech-Manager würden „nicht das Risiko eingehen wollen, ins Gefängnis zu kommen“. Zu den Rebellen gehören auch der frühere Tory-Chef Iain Duncan Smith und Ex-Innenministerin Priti Patel. Schatten-Kultusministerin Lucy Powell von der oppositionellen Labour-Partei geht die Gesetzesverschärfung jedoch nicht weit genug. Sie fordert mehr Schutz im Netz nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Die Ofcom-Aufseher bräuchten „genügend Zähne, damit die Bosse des Silicon Valley aufhorchen“.

Sunak fürchtet um den Tech-Standort Großbritannien

Sunak hatte sich bislang gegen eine Verschärfung des Gesetzes gewandt und seinen Widerstand damit begründet, dass Großbritannien damit für die Tech-Industrie weniger attraktiv werde. Strafrechtliche Sanktionen für Führungskräfte sollte es nach seinem Willen nur dann geben, falls die Manager sich weigerten, bei Informationsanfragen oder Untersuchungen der Medienaufsichtsbehörde Ofcom zu kooperieren.

Im vergangenen Jahr hatte eine Umfrage des Chartered Institute for IT ergeben, dass nur etwa 19 Prozent der Tech-Profis glauben, dass das neue Gesetz das Internet sicherer machen werde. Vertreter von Start-ups warnen zudem, dass insbesondere kleine Tech-Firmen mit den Kosten der neuen Regulierung überfordert sein könnten. Große Tech-Konzerne haben hingegen vor allem vor Einschränkungen der Meinungsfreiheit gewarnt.

Mehr: „Kaum zu bewältigen“: Neue EU-Richtlinie für Cybersicherheit setzt Unternehmen unter Zeitdruck



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