Feb 21, 2023
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Steuerreform: Höhere Mehrwertsteuer? Vorstoß der FDP sorgt für Ärger in der Ampel

Written by Martin Greive

Eine Woche später wird in Deutschland tatsächlich über die Mehrwertsteuer diskutiert. Grund ist ein Vorstoß der FDP-Bundestagsfraktion für eine grundlegende Steuerreform. In einem Papier des Fraktionsvorstands kündigen die Liberalen an, Vorschläge für die Senkung der Einkommensteuer zu erarbeiten. Um solche Entlastungen finanzieren zu können, schlagen sie die Streichung von Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer und höhere indirekte Steuern vor.

Auch wenn es sich nur um erste Überlegungen handelt, ist umgehend eine kontroverse Debatte ausgebrochen. Von den Koalitionspartnern kommt Widerspruch. „Der Vorschlag der FDP ist wenig hilfreich“, sagt der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Schrodi. „Die Einkommen- und Unternehmensteuer zu senken und gleichzeitig indirekte Steuern zu erhöhen und Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer zu streichen, ist sozial ungerecht, weil es eine Umverteilung von unten nach oben ist.“

Ähnliche Kritik üben auch die Grünen. „Menschen mit mehr Geld können einen größeren Beitrag leisten als Menschen, die schon jetzt Probleme haben, für die Familie die Güter des täglichen Bedarfs zu finanzieren“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. „Bei der Finanzierung von Gerechtigkeit und Klimaschutz sollte eine faire Verteilung der Kosten Leitgedanke sein.“

Der Vorstoß kommt auch für die Koalitionspartner überraschend. Zwar sprechen sich die Liberalen regelmäßig für Steuersenkungen aus, machen aber – wie die anderen Parteien bei ihren Wünschen auch – selten Vorschläge für eine Gegenfinanzierung.

Neun Seiten, drei Sätze, viel Ärger

Der Vorschlag der FDP ist auch kein ausformuliertes Konzept. Bisher handelt es sich um einen Entwurf des Fraktionsvorstands, der noch von der gesamten Fraktion beschlossen werden muss. Konkret für Aufsehen sorgen drei Sätze in dem neunseitigen Papier, in dem der Fraktionsvorstand eine Antwort auf die milliardenschweren US-Subventionen formuliert. Neben der Forderung nach mehr Freihandelsabkommen, leichterer Einwanderung für Fachkräfte sowie schnellerer Digitalisierung und Bürokratieabbau geht es dabei um die Steuerpolitik.

Die bisherige Auswahl von Ausnahmen ist nicht sehr schlüssig und sorgt für Diskussionen. Monika Schnitzer, Wirtschaftsweise

Die FDP-Fraktion verweist auf die im internationalen Vergleich hohe Steuerbelastung von Unternehmen in Deutschland und fordert, diese zu senken. Neben der Körperschaftsteuer sprechen sich die Liberalen für eine niedrigere Einkommensteuer aus. Diese zahlen neben Arbeitnehmern auch Personengesellschaften, häufig Familienunternehmen.

„Der verschärfte Standortwettbewerb erfordert auch, über eine aufkommensneutrale Anpassung der Steuerstruktur nachzudenken“, heißt es im Papier. Man wolle in dieser Legislaturperiode Vorschläge erarbeiten, wie die Einkommensteuer gesenkt werden könne.

Und dann folgt der Satz, der nun für so viele Diskussionen sorgt: „Dies könnte durch höhere indirekte Steuern, weniger Ausnahmen vom normalen Mehrwertsteuersatz und einen Abbau fragwürdiger Steuerermäßigungen gegenfinanziert werden.“ Zu den indirekten Steuern zählen die Mehrwertsteuer sowie Verbrauchsteuern, etwa auf Alkohol, Tabak oder Energie.

In den sozialen Medien wird der FDP vorgeworfen, sie wolle die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel erhöhen, um damit die Einkommensteuer für Besserverdiener zu senken. Auch in der Fraktion selbst war man überrascht, welche Diskussion man ausgelöst hat.

>> Lesen Sie hier: FDP fordert Steuersenkungen als Antwort auf amerikanische Subventionen

Der Vizefraktionschef der FDP, Christoph Meyer, betont, dass man mitnichten Steuern auf Lebensmittel erhöhen wolle, um die Einkommensteuer zu senken. „Beim Grundbedarf soll der ermäßigte Steuersatz natürlich erhalten bleiben“, sagt Meyer. Vielmehr wolle man über strukturelle Änderungen im Steuersystem diskutieren.

Die meisten EU-Staaten haben eine höhere Mehrwertsteuer

Direkte Steuern, vor allem auf Einkommen, senken und im Gegenzug indirekte Steuern, etwa auf Konsum, erhöhen – dies ist eine Tendenz, die sich seit Jahren international beobachten lässt. Und der Umsatzsteuersatz ist in Deutschland mit 19 Prozent vergleichsweise niedrig. In fast allen EU-Staaten liegt der Satz bei mehr als 20 Prozent. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz liegt in der Regel bei sieben Prozent.

Laut Ökonomen hat die Mehrwertsteuer gegenüber anderen Steuern viele Vorteile. So trifft eine Erhöhung oder Absenkung alle Steuerzahler und nicht nur einige ausgewählte. Auch lässt sich die Steuer nicht so einfach umgehen. Und sie gilt, zumindest liberalen Ökonomen zufolge, im Gegensatz zu einer hohen Besteuerung von Unternehmen weniger als Standortnachteil.

Zuletzt hatte die Große Koalition unter Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Mehrwertsteuer Anfang 2007 von 16 auf 19 Prozent angehoben. Während der Coronapandemie wurde sie vorübergehend für ein halbes Jahr gesenkt.

Eine Erhöhung des Regelsteuersatzes um einen Prozentpunkt bringt laut Bundesfinanzministerium knapp 14 Milliarden Euro. Eine Anhebung des ermäßigten Steuersatzes führt zu Mehreinnahmen von drei Milliarden Euro.

>> Lesen Sie hier: Weitet sich der Koalitionskrach aus?

Die Liberalen haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder dafür ausgesprochen, bestimmte Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer auf den Prüfstand zu stellen. Dazu könnte etwa der ermäßigte Steuersatz für Hotelübernachtungen gehören, der einst von der schwarz-gelben Koalition eingeführt wurde.

Ausnahmen für Gastronomie und Hotels umstritten

Seit Jahren wird über die Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer diskutiert. Doch an Änderungen wagt sich kaum jemand heran, weil es vonseiten der jeweiligen betroffenen Branche massiven Protest gibt.

Zahl des Tages

14

Milliarden Euro

bringt eine Erhöhung des Regelsteuersatzes um einen Prozentpunkt.

Wirtschaftsweisen-Chefin Monika Schnitzer hält es durchaus für sinnvoll, die Ermäßigung des Mehrwertsteuertarifs in bestimmten Fällen zu streichen. „Die bisherige Auswahl von Ausnahmen ist nicht sehr schlüssig und sorgt regelmäßig für Diskussionen darüber, wer davon profitieren sollte und wer nicht“, sagte sie. „Hier ein einheitliches System ohne die Fülle von Ausnahmen einzuführen wäre in der Tat bedenkenswert.“

>> Lesen Sie hier: Mehrwertsteuer und Umsatzsteuer einfach berechnen

Auch der Ökonom und frühere Wirtschaftsweise Lars Feld, der Finanzminister Lindner berät, verteidigt den Vorstoß der FDP-Fraktion. Es gehe nicht um die sieben Prozent auf Lebensmittel, sondern um die Steuersubventionen, etwa für die Gastronomie oder Hoteliers, erklärte er. „Ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf den Prüfstand zu stellen macht also Sinn, wenn es um die Durchforstung des Steuersystems im Hinblick auf verzerrende Subventionen geht“, so Feld.

Sind Steuersenkungen finanzierbar?

In diesen Punkten zeigen sich auch die Sozialdemokraten offen. „Die ermäßigten Sätze für Lebensmittel und Kultur sind für uns als SPD unantastbar“, sagt Schrodi. Über die Ausnahmen für Gastronomie und Hotels könne man aber gern reden.

Gastronomie

Die Ermäßigung für die Gastronomie macht rund drei Milliarden Euro aus, die für Hotels 1,4 Milliarden Euro.


(Foto: imago stock&people)

Wenn allerdings Lebensmittel und Kultur ausgeklammert werden, bringt eine Streichung der Ausnahmen dem Fiskus vergleichsweise wenig. Die Ermäßigung für die Gastronomie macht rund drei Milliarden Euro aus, die für Hotels 1,4 Milliarden Euro. Die restlichen Ausnahmen sind noch geringer. Bei der von den Liberalen gewünschten Senkung der Einkommensteuer dürfte es aber um zweistellige Milliardenbeträge gehen.

>> Lesen Sie hier: Lindner arbeitet an neuen Steuer-Entlastungen für Unternehmen

Die Wirtschaftsweise Schnitzer hält das derzeit für nicht realistisch. „Angesichts der massiven staatlichen Ausgabenbedarfe und der in den letzten Jahren angestiegenen Schuldenstände sehe ich keinen Spielraum für allgemeine Steuersenkungen“, sagt Schnitzer. „Eine Erhöhung der indirekten Steuern halte ich für heikel, denn dadurch werden die ärmeren Haushalte relativ stärker belastet.“

Mehr: Habeck und Lindner streiten über Bundeshaushalt



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