Berlin Jahr für Jahr verlassen Zehntausende Schülerinnen und Schüler in Deutschland die Schule ohne Abschluss. Ihr Anteil liegt deutschlandweit bei mehr als sechs Prozent – und daran hat sich seit 2011 nichts geändert, zeigt eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung. 2021 schafften fast 50.000 Schüler keinen Hauptschulabschluss. Das sei eine inakzeptable Vergeudung von Ressourcen, warnt der Studienautor und Bildungsforscher Klaus Klemm.
Denn ohne Abschluss seien nicht nur die individuellen Chancen weit geringer. Schon jetzt hätten knapp 2,7 Millionen der 20- bis 34-Jährigen keinen Ausbildungsabschluss. Auch die Gesellschaft „kann es sich angesichts des wachsenden Fachkräftemangels nicht leisten, diese Personen durchs Raster fallen zu lassen“, mahnt Klemm. Die Studie verglich die letzten zehn Jahre von 2011 bis 2021.
„Wir haben heute rund 100.000 weniger Schulabgänger als vor zehn Jahren. Wir können es uns daher nicht leisten, dass so viele ohne Schulabschluss in das Arbeitsleben gehen“, sagt der Vizehauptgeschäftsführer des DIHK, Achim Dercks, dazu. 2020 hätten allerdings allein im Einzelhandel und der Industrie mehr als 8000 Personen auch ohne Hauptschulabschluss eine Ausbildung begonnen.
Das Problem betrifft vor allem Jungen, die laut der Bertelsmann-Studie 60 Prozent der Schulabgänger ohne Abschluss stellen. Doch während im bundesweiten Schnitt die Ausfallquote fast unverändert blieb, machten Länder wie Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern deutliche Fortschritte. So sank die Quote in Berlin von 2011 bis 2021 von 9,7 auf 6,7 Prozent. In Bremen, Rheinland-Pfalz und im Saarland hingegen hat sich die Lage im gleichen Zeitraum verschlechtert.
Am besten hat Bayern 2021 mit einem Anteil von rund fünf Prozent an Schulabbrechern abgeschnitten, am Ende der Skala liegt Bremen mit zehn Prozent. Dabei gibt es aber auch innerhalb der Länder große Unterschiede: So beträgt etwa die Quote in der bayerischen Stadt Hof fast 28 Prozent.
Ausländische Schüler scheitern fast dreimal so oft am Abschluss wie deutsche
Unter ausländischen Schülern ist der Anteil der Schulabbrecher mit 13,4 Prozent fast dreimal so hoch wie unter deutschen (4,6 Prozent). Doch auch bei diesen Zahlen unterscheiden sich die Bundesländer: In Brandenburg und Berlin schafften von den ausländischen Schülern lediglich 4,1 beziehungsweise 5,7 Prozent keinen Abschluss. In Bayern waren es dagegen 15,4 Prozent und bei den Schlusslichtern Thüringen und Bremen sogar mehr als 23 Prozent.
Betrachtet man nur die deutschen Schüler, ist der Anteil der Schulabbrecher in Hessen mit 3,6 Prozent am geringsten. Bremen liegt im Mittelfeld, und beim Schlusslicht Sachsen-Anhalt schaffen fast zehn Prozent der deutschen Schüler keinen Abschluss.
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Um den Übergang in den Beruf zu erleichtern, fordern die Studienautoren von den Bundesländern, die vereinbarte „Schülerdatennorm“ umzusetzen. Schulen können so die Daten von Schülerinnen und Schülern ohne berufliche Anschlussperspektive an die Jobcenter übermitteln. Diese können dann frühzeitig helfen, indem sie beispielsweise berufsbildende Kurse anbieten. Bislang sei das aber nur in Hamburg und Bremen der Fall, schreiben die Autoren der Bertelsmann-Studie.
Zudem befürwortet die Studie die von der Bundesregierung geplante Ausbildungsgarantie, für die bisher nur Eckpunkte vorliegen. Sie müsse so konzipiert sein, dass auch Jugendliche ohne Hauptschulabschluss die Chance auf einen Ausbildungsplatz bekämen, heißt es in der Bertelsmann-Studie.
Arbeitgeber: Schulabbrecher sind nur die „Spitze des Eisbergs“
Für die Arbeitgeber ist das Problem der Schulabgänger ohne Abschluss nur „die Spitze des Eisbergs“ der Probleme im deutschen Schulwesen, teilte der Bund Deutscher Arbeitgeber (BDA) mit. Alarmierend seien auch die Ergebnisse des jüngsten IQB-Bildungstrends, wonach 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler am Ende der Grundschule einfache mathematische Aufgaben nicht lösen und nicht richtig lesen und schreiben können.
Nötig seien überall in Deutschland adäquat ausgestattete, leistungsfähige und selbstständige Schulen, die „ihre Schülerinnen und Schüler auch bei ungünstigen sozialen Ausgangslagen auf dem Weg zu Abschluss und Anschluss begleiten“.
Das von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) geplante Bundesprogramm „Startchancen“ müsse Schulen daher unbürokratisch Spielräume zur Förderung und Begleitung von Kindern aus bildungsfernen Familien eröffnen. Ganztagsangebote und digitale Medien müssten endlich selbstverständlich werden.
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