Mar 16, 2023
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Ukraine-Krieg: Unabhängige UN-Untersuchung wirft Russland Kriegsverbrechen vor

Written by Jan Dirk Herbermann


Forensiker untersuchen Gräber in der Ukraine

Auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen den Kremltruppen laut dem UN-Bericht zur Last gelegt werden.


(Foto: IMAGO/VXimages.com)

Genf Der Ermittlungsbericht der Vereinten Nationen enthält schockierende Abschnitte. Es sind kurz geschilderte Grausamkeiten, die Truppen des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der überfallenen Ukraine verübt haben: So sprach ein von Russen festgesetzter Mann ukrainisch. Er konnte sich der Textpassagen der russischen Nationalhymne nicht entsinnen. Die russischen Besatzer prügelten ihn deshalb.

Zwei Frauen in verschiedenen russischen Gefangenenlagern in der Region Charkiw mussten sich dem Bericht nach vor ihren Peinigern ausziehen. Sie wurden vergewaltigt. Ein Mann, dessen Vater die Russen in der Region Izium exekutiert hatten, verlangte „vollste Bestrafung“ der Täter.

Mehr als ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs legte die Untersuchungskommission für die Ukraine des UN-Menschenrechtsrates am Donnerstag in Genf ihren Report vor. Das Fazit: Die Streitkräfte des Kremls haben seit ihrem Einmarsch am 24. Februar 2022 in das Nachbarland zahlreiche Kriegsverbrechen verübt. Auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen laut den Ermittlern den Kremltruppen zur Last gelegt werden.

Der Vorsitzende der Kommission, der norwegische Jurist Erik Möse, und seine Mitarbeiter listeten die Taten auf: Darunter befinden sich Angriffe auf Zivilisten und die Energieinfrastruktur, vorsätzliche Tötungen, ungesetzliche Inhaftierungen, systematische und weitverbreitete Folter, sexuelle Gewalt sowie Deportationen und Verschleppungen von Kindern aus der Ukraine nach Russland. Die deutsche Botschafterin bei den UN in Genf, Katharina Stasch, nannte die Kindesentführungen „besonders abscheulich“.

Angesichts der Gräueltaten empfiehlt die Kommission, „alle Verstöße und Verbrechen zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, entweder auf nationaler oder auf internationaler Ebene“. Bald schon soll die Kommission eine Liste mit mutmaßlichen Kriegsverbrechern an das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte übergeben.

Erik Möse

Der norwegische Jurist ist Vorsitzender der Kommission.


(Foto: IMAGO/Ukrinform)

Auf dieser Liste dürften sich neben den Tätern vor Ort auch die Verantwortlichen in den obersten Etagen des russischen Regimes, allen voran Präsident Putin, finden.

Russland lehnt Dialog mit Untersuchungskommission ab

Doch werden sich Putin und seine engsten Gefolgsleute persönlich vor einem Richter verantworten müssen? Der russische Präsident und sein Regime zeigen kein Interesse an einer unabhängigen juristischen Aufarbeitung der Gräueltaten. An eine Überstellung der Täter an internationale oder nationale Gerichte im Ausland ist nicht zu denken.

Bislang lehnen die russischen Behörden und Streitkräfte jeglichen „Dialog“ mit der UN-Untersuchungskommission ab, wie der Vorsitzende Möse feststellte. Russland dementiert, Gräueltaten begangen zu haben oder auf Zivilisten zu zielen. Allerdings plant der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag laut der „New York Times“, Verfahren gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher zu eröffnen. Darunter dürfte sich auch Putin selbst befinden.

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Bei möglichen Prozessen in Abwesenheit der Angeklagten würde auch Material einfließen, das die UN-Untersuchungskommission dokumentiert hat. Ermittelt hat die Kommission in 56 Ortschaften der Ukraine wie Butscha. Dabei befragte sie 348 Frauen und 247 Männer. Die Ermittler besichtigten zerstörte Gebiete, Gräber, Haft- und Folterorte sowie Waffenreste. 

Belege für einen Völkermord liegen den Ermittlern neben den Beweisen für Kriegsverbrechen nicht vor. „Wir haben nicht herausgefunden, dass in der Ukraine ein Genozid stattgefunden hat“, betonte Möse. Für eine abschließende Beurteilung dieser Frage aber ist es nach Erkenntnissen der Kommission zu früh.

In dem Bericht wird zudem auf eine „kleine Anzahl“ von Verstößen verwiesen, die offenbar von ukrainischen Truppen begangen worden seien. Darunter sei ein Vorfall, der von den ukrainischen Behörden untersucht werde.

Eine Untersuchungskommission ist das stärkste Mittel des Menschenrechtsrats, um wegen Misshandlungen und Verstößen weltweit zu ermitteln. Die Mitglieder der Kommission sind unabhängige Menschenrechtsexperten. Die Mitarbeitenden werden vom Menschenrechtsrat und dem UN-Büro für Menschenrechte unterstützt und finanziert.

Ob die Untersuchungskommission ihre Arbeit fortsetzen wird, steht noch nicht fest. Der Menschenrechtsrat der UN muss das Mandat des Teams verlängern, das ursprüngliche einjährige Mandat läuft diesen Monat aus.
Mit Agenturmaterial

Mehr: Wie EU und UN-Ermittler Kriegsverbrecher jagen – Anklage gegen Putin?



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Politik

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