Mar 28, 2023
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Analyse: Ungarn lässt Schweden bei Nato-Norderweiterung warten – mit immer neuen Begründungen

Written by Ivo Mijnssen


Viktor Orban

Der ungarische Ministerpräsident sendet mit seiner Außenpolitik unklare Signale.

(Foto: Bloomberg)

Wien Als Ungarns Parlament am Montag den Nato-Beitritt Finnlands ratifizierte, geschah dies in fast vollständiger Einigkeit. 182 von 199 Abgeordneten, unter ihnen alle Vertreter des Regierungslagers, stimmten mit Ja. Damit haben alle Nato-Staaten außer der Türkei der finnischen Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis zugestimmt. Ankara kündigte diesen Schritt für die nahe Zukunft an.

Allerdings hat sich Budapest der türkischen Verzögerungstaktik im Aufnahmeprozess für Schweden angeschlossen. Während Ankara von Stockholm ein härteres Vorgehen gegen Vertreter der kurdischen Arbeiterpartei zu erzwingen versucht, bleiben die Vorbehalte und Forderungen Ungarns nebulös.

Laut dem einflussreichen Regierungsberater Balazs Orban haben es sich die Schweden „zur Gewohnheit gemacht, ständig den Zustand von Ungarns Demokratie zu hinterfragen und so unsere Wähler, Abgeordneten und das ganze Land zu beleidigen“. Die Regierung von Viktor Orban unterstütze die Mitgliedschaft, habe aber Mühe, die Vorbehalte dagegen in der eigenen Parlamentsfraktion zu überwinden.

Eine kaum nachvollziehbare Argumentation – nicht nur, weil Viktor Orban seine Partei Fidesz streng hierarchisch führt. Zudem erklärt sie nicht, weshalb Ungarn Finnland und Schweden trennt: Es war nämlich Helsinki, das während seiner EU-Präsidentschaft 2019 den Rechtsstaatsmechanismus maßgeblich vorantrieb. Dieser führte dazu, dass mehr als sechs Milliarden Euro aus Brüssel für Budapest eingefroren wurden. Der Verweis auf ungarnkritische Bemerkungen schwedischer Minister wirkt vorgeschoben.

Budapest fand für die achtmonatige Verzögerung der Ratifizierung bisher stets neue Begründungen. Zunächst hieß es, das Parlament sei zu beschäftigt, da die EU ständig neue Bedingungen für die Zahlung von Fördergeldern stelle. Orban bestritt aber stets, Konzessionen beim Streit um Rechtsstaatlichkeit im Gegenzug für eine Zustimmung zu fordern. Bisher wurden auch keine solchen bekannt.

Das Argument mit der Spaltung der Fraktion tauchte dann im Februar auf. Die Trennung der Anträge Finnlands und Schwedens erfolgte im März – nach einer Ankarareise Orbans, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ anmerkt.

Orban hängt sich außenpolitisch an Erdogan

Dass Ungarn sich an die Türkei hängt, um sein außenpolitisches Gewicht zu maximieren, scheint klar. Das strategische Ziel der Hinhaltetaktik dagegen nicht: Am ehesten ist sie durch eine Kombination innen- und außenpolitischer Motive zu erklären, die nur indirekt mit den skandinavischen Ländern zu tun haben. Zunächst kann der Kleinstaat dem oft als arrogant wahrgenommenen „alten“ Europa zeigen, dass man Entscheidungen nicht einfach abnickt.

Man akzeptiere nicht länger eine „Hier-unterschreiben-Haltung“, schreibt ein regierungsnahes Portal. Orban habe den Schweden zudem klargemacht, sie könnten „zum Fahrer nur dann frech sein, wenn die Fahrkarte in Ordnung ist“. Solch markige Sprüche gehören zum populistischen Repertoire Orbans.

Die Nato-Norderweiterung ist für die Regierung in Budapest aber auch deshalb knifflig, weil sie nicht erst seit Putins Angriff auf die Ukraine widersprüchliche Signale nach Ost und West sendet. Dabei weiß sie, dass es ohne die Fördergelder der EU und den militärischen Schutz der Nato weder wirtschaftliche Entwicklung noch Sicherheit gibt. Sie trägt deshalb die Sanktionen gegen Moskau zähneknirschend mit.

Ungarisches Parlament

Orban schiebt Streitigkeiten in seiner Partei vor.

(Foto: AP)

Gleichzeitig hat der Fidesz die Abhängigkeit von Russland im Energiebereich deutlich erhöht. Dazu kommen politische Sympathien für ein antiliberales Regime, das sich global als Verfechter des Konservatismus und der „Familienwerte“ profiliert.

Heikle Schaukelpolitik

Ausbleibendes Geld aus Brüssel, die inflationstreibende Wirkung des Ukrainekriegs und grobe eigene Fehler in der Wirtschaftspolitik haben für die Regierung eine nur noch schwer kontrollierbare Situation geschaffen, die sie zunehmend erratisch agieren lässt. Da Ungarn so exponiert ist wie kaum ein anderes EU-Land, ist jede Verschärfung der Spannungen umso gefährlicher. Dies erklärt Orbans Schaukelpolitik.

Sie ist aber auch der Grund dafür, dass andere EU-Staaten das Land nicht mehr als verlässlichen Partner sehen. Das Land kann unter seinen europäischen Partnern kaum mehr Koalitionen bilden, auch die Beziehungen zu Polen sind erkaltet. Will Orban eine Isolation vermeiden, kann er sich eine längerfristige Blockade der Nato-Expansion nicht leisten. Doch auch wenn er letztlich wohl einlenkt: Das Vertrauen ist durch seine Manöver nicht gewachsen.

Mehr: Wie Regierungschef Orban Ungarn herunterwirtschaftet



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Politik

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