Berlin Die Liste der Chinareisen hochrangiger europäischer Politiker wird immer länger. Zuerst reiste Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am Donnerstag nach Peking. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen wollen in der nächsten Woche nach Peking fliegen.
Nun will auch Außenministerin Annalena Baerbock Mitte April in die Volksrepublik reisen. Wie das Handelsblatt von mehreren mit den Reiseplänen der Ministerin vertrauten Personen erfahren hat, wird sie kurz nach den Osterfeiertagen in der zweiten Wochenhälfte nach Peking fliegen. Danach geht es weiter zum G7-Außenministertreffen nach Japan.
Ende Februar war bereits Petra Sigmund, Abteilungsleiterin für die Region Asien im Auswärtigen Amt, zur Vorbereitung des Besuchs in der Volksrepublik. Ein Thema bei den Gesprächen von Außenministerin Baerbock kurz nach Ostern wird die Chinastrategie sein, die derzeit unter Federführung des Auswärtigen Amts erstellt wird.
Im vergangenen Jahr war bereits ein erster Referentenentwurf bekannt geworden. Die Bundesregierung hatte sich schon im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Chinastrategie zu erarbeiten. Sie soll die Beziehung zu China neu aufstellen und der wachsenden Bedeutung des Landes Rechnung tragen.
Dem Vernehmen nach ist sich die Bundesregierung in vielen Punkten weitestgehend einig. Im Ergebnis wird es nach derzeitigem Stand eine weniger scharf formulierte Strategie werden, als noch im ersten Entwurf erkennbar war. Auch bei der Nationalen Sicherheitsstrategie, die als Überbau der spezifischeren Chinastrategie gilt, soll es zwar eine deutliche Forderung nach mehr Diversifizierung durch die Wirtschaft mit Blick auf die Volksrepublik geben.
Berlin schwächt seine Wortwahl gegenüber Peking ab
Allerdings bleibt es nach jetzigem Stand bei dem schon im Koalitionsvertrag formulierten Dreiklang mit Blick auf China. Danach wird die Volksrepublik unter den Dimensionen Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität betrachtet.
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Im ersten Entwurf der Chinastrategie hieß es noch, dass die beiden letzten Aspekte „zunehmend an Gewicht“ gewönnen. Eine solche Bewertung soll in der Nationalen Sicherheitsstrategie nicht vorgenommen werden, sie ist also etwas milder formuliert.
Uneinigkeit herrscht laut Informationen des Handelsblatts innerhalb der Bundesregierung noch über den Veröffentlichungszeitpunkt der Chinastrategie. Bislang war geplant, das Papier vor den anstehenden deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen fertigzustellen. Doch das Bundeskanzleramt plädiert intern für eine Veröffentlichung nach dem Treffen mit den Chinesen.
Laut Informationen des Handelsblatts sind die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen nach jetzigem Stand für Juni geplant. Die Konsultationen finden alle zwei Jahre statt, in diesem Jahr turnusgemäß in Berlin.
Unterstützung für den späteren Veröffentlichungszeitpunkt bekommt Bundeskanzler Olaf Scholz aus dem Bundesfinanzministerium. Die Position des Kanzleramts sei nachvollziehbar, hieß es aus dem BMF: Es sei sinnvoll, zunächst die geplanten Beratungen mit China zu führen, und nicht direkt vor dem Besuch die Strategie zu beschließen.
Nationale Sicherheitsstrategie ist nahezu fertig
Die Nationale Sicherheitsstrategie ist inzwischen auf der Zielgeraden. Wie das Handelsblatt berichtet hatte, ist die Strategie seit Mitte März in der finalen Abstimmung. Die direkt mit dem Papier befassten Ministerien hatten sich bereits auf einen gemeinsamen Entwurf geeinigt.
Zumindest die Inhalte der Chinastrategie dürfte Peking wenig überraschen – schließlich wird der Inhalt nicht über das hinausgehen, was bereits im ersten Entwurf bekannt geworden war.
Vertreter der chinesischen Regierung hatten öffentlich scharf auf das erste Papier reagiert. Im Interview mit dem Handelsblatt erhob Chinas Botschafter in Berlin den Vorwurf, es sei „vor allem von Ideologie geleitet“.
Trotz der heftigen Reaktion in der Öffentlichkeit auf den ersten Entwurf gibt es derzeit viele Anzeichen dafür, dass Peking an guten Beziehungen mit Deutschland gelegen ist. So fiel die Reaktion auf den ersten Besuch eines Mitglieds der Bundesregierung in Taiwan nach 26 Jahren für chinesische Verhältnisse moderat aus.
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Im Zusammenhang mit der Reise von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) vergangene Woche protestierten Vertreter der chinesischen Regierung zwar gegen die Reise. Man habe der Reise gegenüber „großes Missfallen“ zum Ausdruck gebracht, hieß es.
Darüber hinaus sind aber keine weiteren Konsequenzen bekannt. Zum Vergleich: Im August vergangenen Jahres hatte China nach einem Besuch der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi nicht nur scharfe Drohungen ausgesprochen, sondern auch tagelange militärische Manöver rund um die Insel abgehalten. China betrachtet Taiwan als Teil seines Territoriums, obwohl das Land nie zur 1949 gegründeten Volksrepublik gehört hat und über eine eigene, demokratisch gewählte Regierung und eigene Gesetze verfügt.
Die meisten Staaten der Welt, darunter auch die Bundesrepublik, erkennen diesen territorialen Besitzanspruch zwar nicht an, haben sich aber dazu bereit erklärt, zugunsten diplomatischer Beziehungen zu Peking auf offizielle diplomatische Beziehungen zu Taipeh zu verzichten.
Die chinesische Staatsführung hat in den vergangenen Jahren immer dünnhäutiger auf vermeintliche Zeichen reagiert, dass Staaten wie Deutschland oder die USA von dieser Praxis abrücken.
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