Berlin Als der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer vor fünf Jahren eine „Asylwende“ einläuten wollte, musste er harte Kritik einstecken. Der CSU-Politiker hatte „Transitzentren“ an den deutschen Außengrenzen ins Gespräch gebracht, in denen über die Anerkennung von Asylbegehren entschieden und aus denen abgelehnte Antragstellende zurückgeschickt werden sollten. Nun verfolgt die Bundesregierung mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) einen ähnlichen Kurs.
Im Kern geht es darum, die Migrationspolitik stärker als in der Vergangenheit auf eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen auszurichten. Dafür soll auch das gemeinsame europäische Asylsystem entsprechend reformiert werden. „Wir werden für eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen sorgen“, sagte Faeser dem Handelsblatt. Dass sich die EU-Staaten bereits auf die dafür notwendige „Screening-Verordnung“ verständigten hätten, sei „ein wichtiger Durchbruch“ gewesen.
Die Verordnung soll ein Schnellverfahren an der EU-Außengrenze ermöglichen, um zu ermitteln, wer Aussicht auf Schutz hat, und die anderen schneller abzuschieben. Umstritten ist dabei unter anderem, ob und wenn ja wie lange Neuankömmlinge dafür festgehalten werden sollten. Im Gespräch ist, dass Flüchtlinge an den Außengrenzen für einen ersten Teil der Asylprüfung knapp drei Monate festgehalten werden dürfen.
„Jetzt verhandeln wir über Verfahren an den EU-Außengrenzen, um dort binnen kurzer Fristen über den Schutz von Menschen mit geringer Aussicht auf Asyl in der EU zu entscheiden“, sagte Faeser. „Dann können abgelehnte Asylbewerber schnell bereits von den EU-Außengrenzen aus zurückgeführt werden.“
Dass die Bundesregierung nun stärker darauf setzt, die irregulären Migrationsbewegungen innerhalb der EU wirksam zu begrenzen hat einen einfachen Grund: Nicht nur die Zahl unerlaubter Einreisen nach Deutschland steigt, viele Kommunen sind bei Unterbringung, Integration, Kita- und Schulplätzen längst an ihren Kapazitätsgrenzen. Angesichts des wachsenden Handlungsdrucks hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Vertreter von Bund und Ländern für kommenden Mittwoch zu einem Spitzentreffen ins Kanzleramt eingeladen.
Faeser sieht EU-Außengrenzen „nicht hinreichend“ geschützt
Im ersten Quartal 2023 stellten nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 80.978 Menschen erstmalig in Deutschland einen Asylantrag. Darunter waren 5.817 Anträge zu Kindern im Alter von unter einem Jahr. Flüchtlinge aus der Ukraine müssen in Deutschland und anderen EU-Staaten keine Asylanträge stellen, sondern finden über die sogenannte Massenzustrom-Richtline Aufnahme.
Dass sie die Zahl der Asylbewerber in Deutschland spürbar senken muss, ist für Faeser zu einem wichtigen Anliegen geworden, nachdem sie in der Vergangenheit noch für offene Grenzen in Europa geworben hatte. Die Ministerin, die SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl im Herbst ist, hält nun verstärkte Grenzkontrollen für „notwendig“, weil der Schutz der EU-Außengrenzen noch „nicht hinreichend“ funktioniere.
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Die SPD-Politikerin hatte mit Blick auf die irreguläre Migration kürzlich eine weitere Verlängerung stationärer Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Landgrenze angeordnet. Zudem wurde an der Grenze zu Tschechien die Schleierfahndung intensiviert, also verdeckte, verdachtsunabhängige Personenkontrollen durch die Bundespolizei. Mit der Schweiz gilt außerdem ein Aktionsplan, der gemeinsame Kontrollen in Schweizer Zügen und an der Grenze vorsieht.
Faeser hatte erst im Februar einen Flüchtlingsgipfel abgehalten – vornehmlich, um über die Lage in den Kommunen zu sprechen. Finanzzusagen machte sie seinerzeit mit Blick auf das jetzt anstehende Treffen der Länderchefs mit dem Kanzler keine. Gleichwohl räumte die SPD-Politikerin ein, dass die aktuelle Flüchtlingssituation den Kommunen „sehr viel“ abverlange.
Liste der „sicheren Herkunftsländer“ soll ausgeweitet werden
„Bund, Länder und Kommunen handeln eng abgestimmt“, versicherte die Ministerin. „Wir schultern diesen großen humanitären Kraftakt gemeinsam.“ Eine Entlastung der Kommunen soll nach Faesers Vorstellung vor allem dadurch gelingen, dass die Migration „viel stärker“ gesteuert und geordnet werde.
Die Ministerin verweist auf das schon beschlossenen Gesetz zur Beschleunigung der Asylverfahren. Damit sei die Zahl der Entscheidungen in Asyl-Verfahren 2022 um 50 Prozent gestiegen.
Auch die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern will die SPD-Politikerin vorantreiben. „Wir werden weitere Migrationsabkommen mit Herkunftsstaaten schließen, um reguläre Migration – vor allem von qualifizierten Arbeitskräften – zu ermöglichen und irreguläre Migration zu begrenzen“.
Der FDP-Politiker Stephan Thomae sieht die Abkommen auch als Chance, die Liste der „sicheren Herkunftsländer“ auszuweiten. Bei solchen Ländern wird angenommen, dass es in der Regel weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gibt. Das soll schnellere Asylentscheidungen und Abschiebungen ermöglichen.
Thomae gibt jedoch zu bedenken, dass die Einstufung nicht bedeute, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber auch aufnehmen. Deswegen könnten im Rahmen eines Migrationsabkommens die Rücknahme abgelehnter Asylbewerber im Gegenzug zu Visaerleichterungen oder einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit vereinbart werden. Aktuell liefen Verhandlungen mit Georgien und Moldau dazu.
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