Aug 16, 2023
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Drogenpolitik: Warum die Cannabis-Legalisierung selbst Befürworter ärgert

Written by Jürgen Klöckner


Berlin Die Bundesregierung hat am Mittwoch die geplante Cannabislegalisierung auf den Weg gebracht. Am Vormittag wurde der Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Bundeskabinett beschlossen. 

Demnach sollen der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis und der Eigenanbau von maximal drei Pflanzen straffrei werden. Außerdem will die Bundesregierung den Anbau und die Abgabe der Droge in speziellen Vereinen ermöglichen. Die Einrichtungen und Vereinsmitglieder müssen sich auf strenge Regeln einstellen. Die Pläne müssen nun noch im Bundestag verabschiedet werden und sollen dann 2024 in Kraft treten. 

Lauterbach sprach am Mittwoch in der Bundespressekonferenz von einem „Wendepunkt in einer gescheiterten Drogenpolitik“. Der Konsum nehme seit Jahren zu. Ihm gehe es deswegen nicht um eine Liberalisierung wie in Ländern wie den Niederlanden und den USA, sondern um besseren Jugend- und Gesundheitsschutz. „Niemand darf das Gesetz missverstehen“, sagte er. „Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem.“

In einem zweiten Schritt soll auch der Verkauf in Cannabisfachgeschäften erprobt werden, allerdings nur in einigen Modellregionen und mit wissenschaftlicher Begleitung. Darauf hatte sich die Regierung nach Gesprächen mit der EU-Kommission geeinigt. Einem flächendeckenden Verkauf in Fachgeschäften, wie er ursprünglich geplant war und insbesondere von deutschen Herstellern erhofft wurde, standen europarechtliche Bedenken entgegen. 

Finn Hänsel, CEO des Berliner Cannabisunternehmens Sanity Group, nennt die zeitliche Aufteilung „eine Enttäuschung für die Branche“. So hätten beispielsweise die Pilotprojekte zeitgleich mit den Cannabis-Clubs starten können, so, wie es derzeit in der Schweiz bei den Pilotprojekten vorgemacht werde, sagte er dem Handelsblatt.

Scharfe Kritik an der Cannabis-Legalisierung aus den Bundesländern

Kritische Stimmen gibt es auch in den Teilen der Ampelkoalition, die das Vorhaben maßgeblich vorangebracht haben. „Mit den vom Bundeskabinett beschlossenen Plänen macht die Ampelkoalition bedeutende Fortschritte bei der Cannabislegalisierung“, sagte die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Kristine Lütke, dem Handelsblatt. „Die Pläne dürften in ihrer jetzigen Form aber zu einem echten Bürokratiemonster werden.“ 

Karl Lauterbach

Der Bundesgesundheitsminister hatte ursprünglich liberalere Pläne für die Legalisierung.

(Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen)

Die Abstandsregeln für Cannabis-Clubs würden nur schwer kontrollierbar sein. „Auch die Obergrenze für den Eigenbedarf lehne ich ab“, sagte sie. „Dass für unter 21-jährige Erwachsene geringere Abgabemengen in Cannabis-Clubs gelten als für ältere und der THC-Wert auf zehn Prozent gedeckelt ist, macht den Schwarzmarkt für diese Altersgruppe attraktiver und ist deswegen auch nicht ideal.“

Erklärtes Ziel der Cannabislegalisierung sei es schließlich, den Schwarzmarkt auszutrocknen. „Das wird mit den vorliegenden Plänen nicht im Ansatz vollständig gelingen“, kritisierte Lütke.

Hintergrund ist, dass Cannabis-Clubs maximal 500 Mitglieder aufnehmen dürfen und bestimmte Abstände zu Schulen und Kitas einhalten müssen. Zudem ist die Abgabemenge auf 50 Gramm pro Monat beschränkt, unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm. Das Gesetz sieht bei der Freigabe ein Mindestalter von 18 Jahren vor.

>> Lesen Sie mehr: Das soll sich beim Konsum, Kauf und Besitz von Cannabis ändern

Noch deutlichere Kritik kam am Mittwoch aus den Bundesländern. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf, die „Notbremse“ zu ziehen und die Legalisierung zu stoppen.

Selbst in der SPD gibt es großen Unmut. Hamburgs Innensenator Andy Grote sagte am Mittwoch: „Wenn wir irgendetwas jetzt nicht brauchen, dann ist es dieses Gesetz.“ Vor wenigen Tagen hatte der Deutsche Richterbund bereits Alarm geschlagen.

Die Justiz werde „durch die Gesetzespläne nicht entlastet, sondern eher zusätzlich belastet“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn. 

Cannabis-Legalisierung: Gesetzespläne würden Justiz zusätzlich belasten

„Das sehr kleinteilige Gesetz würde zu einem hohen behördlichen Kontrollaufwand, zu zahlreichen neuen Streitfragen und zu vielen Verfahren vor den Gerichten führen“, sagte Rebehn. Zudem würde der Schwarzmarkt nicht zurückgedrängt. Da der Eigenanbau und die Abgabe in den speziellen Vereinen einige Hürden hätten, „dürfte auch die Nachfrage auf dem Schwarzmarkt im Sog des Cannabisgesetzes wachsen“.

Joint

Die Bundesregierung erhofft sich unter anderem, durch eine Legalisierung den Schwarzmarkt einzudämmen.


(Foto: dpa)

Das Bundesgesundheitsministerium rechnet durch die geplante Cannabislegalisierung dagegen mit einer Kostenentlastung bei Strafverfolgungsbehörden, Gerichten und Gefängnissen von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr. Lauterbach argumentierte, dass die bisherige Cannabiskontrollpolitik gescheitert sei. Er rechnet zudem damit, dass die Abgabepreise in den Cannabis-Clubs unter den Preisen auf dem Schwarzmarkt liegen werden. Eine Präventionskampagne werde die Legalisierung flankieren, um über Risiken des Cannabiskonsums aufzuklären, sagte Lauterbach. Der Konsum schade besonders dem noch wachsenden Gehirn, betonte er.

Darauf verweist auch die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Die Hirnreifung sei erst mit etwa Mitte 20 abgeschlossen, ein früherer Cannabiskonsum könne etwa das Risiko für Psychosen erhöhen.

Aus psychiatrischer und neurobiologischer Sicht sollte die Altersgrenze für den Zugang nach Ansicht des Verbands daher nicht unter 21 Jahren liegen. Auch Verbände der Kinder- und Jugendmedizin lehnen den Gesetzentwurf in einer Stellungnahme „entschieden“ ab. Ähnlich argumentiert die Bundesärztekammer.

Hersteller hoffen auf weniger Bürokratie bei der Verschreibung von Cannabis

Die Hersteller setzen hingegen große Hoffnungen darauf, dass medizinisches Cannabis künftig nicht mehr als Betäubungsmittel, sondern wie ein normales Rezept verschrieben werden muss. Von den gesetzlichen Krankenkassen wurden im vergangenen Jahr Verordnungen in Höhe von fast 200 Millionen Euro erstattet. Hinzu kommt ein großer Anteil an Selbstzahlern sowie Privatpatienten. Die Hersteller erwarten nun, dass sich der Markt durch die Legalisierungspläne im kommenden Jahr verdoppeln oder sogar verdreifachen könnte.

„Dies wird nicht nur für Patienten deutliche Erleichterungen bringen“, sagte Sanity-Group-CEO Hänsel. „Wir erwarten dadurch auch einen starken Effekt auf den medizinischen Markt – durch den geringeren bürokratischen Aufwand bei der Verschreibung und damit auch die höhere Relevanz von Telemedizin wird es zu deutlichen Vereinfachungen gegenüber heute kommen.“ Und Niklas Kouparanis, CEO Bloomwell Group, nannte den Schritt einen „Meilenstein“ für Ärzte, Patienten und alle Industrieteilnehmer. „Die Weichen sind gestellt für eine bessere medizinische Versorgung und Wachstum.“

Mehr: Regeln für Gras auf Rezept sollen lockerer werden



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