Jun 29, 2023
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Besuch in den USA: Pistorius wirbt in Washington für Verlängerung von Stoltenbergs Amtszeit

Written by Annett Meiritz

Washington Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat sich für eine längere Amtszeit von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ausgesprochen. „Wenn sich keine Mehrheit findet für einen Kandidaten oder eine Kandidatin, dann ist es vernünftig und klug in dieser Zeit, den amtierenden Generalsekretär zu bitten, noch zu verlängern“, sagte er bei einem Besuch in Washington. „Es wird sich in den nächsten Tagen herausstellen, ob es soweit kommt“.

Zuvor hatte sich die estnische Premierministerin Kaja Kallas für eine Verlängerung ausgesprochen. „Ich denke, dass der neue Generalsekretär der derzeitige sein wird, obwohl es starke Kandidaten gibt“, sagte sie laut des portugiesischen Fernsehsenders RTP in Brüssel. 

Stoltenbergs Amtszeit endet regulär im Oktober. Als eine mögliche Nachfolgekandidatin gilt die dänische Premierministerin Fredriksen, der britische Verteidigungsminister Ben Wallace hatte seine Kandidatur kürzlich zurückgezogen. 

Pistorius war für einen sogenannten „Arbeitsbesuch“ in Washington, wie solche Visiten im Diplomatensprech heißen. „Wir sehen uns ziemlich häufig in letzter Zeit“, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, als er seinen Gast aus Deutschland begrüßte.

Das erste Mal war Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch als Bundesverteidigungsminister in die US-Hauptstadt gereist. Doch beide Spitzenpolitiker treffen sich regelmäßig, im Rahmen der Ukraine-Kontaktgruppe oder auf Natopartner-Ebene.

Der Ukraine-Krieg befinde sich in einem „Schlüsselmoment“, betonte Austin, aus mehreren Gründen: Das westliche Verteidigungsbündnis hofft auf einen Durchbruch in der ukrainischen Gegenoffensive. Und der Putschversuch des russischen Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin gegen den Kreml hat das Eskalationspotenzial erneut vor Augen geführt. 

Pistorius nutzte den Besuch, um Deutschlands neue, proaktivere Rolle in der Geopolitik zu unterstreichen. So gab er der „New York Times“ ein ausführliches Interview zur Weltpolitik. „Deutschland ist bereit, angesichts der wachsenden internationalen Instabilität eine selbstbewusstere Haltung einzunehmen“, sagte Pistorius darin.

Die deutsche „Zeitenwende“ und das höhere militärische Engagement wird in Washington positiv aufgenommen. „Wir wissen Ihre Unterstützung in der Verteidigung der Ukraine sehr schätzen“, sagte Austin. Pistorius hatte in dieser Woche angekündigt, man wolle 4000 Soldaten dauerhaft nach Litauen entsenden, um die Ostflanke der Nato in der russischen Bedrohungslage zu stärken. 

„Wendepunkt nach dem Kalten Krieg“

Dennoch ist klar: ohne die USA wäre die Verteidigung der Ukraine längst zusammengebrochen. US-Präsident Joe Biden bekräftigte am Mittwoch den Führungsanspruch der USA im westlichen Bündnis zur Unterstützung der Ukraine. Nach der Wagner-Revolte habe er „pausenlos“ mit europäischen Verbündeten telefoniert und gezoomt.

„Jeder erwartet von den Vereinigten Staaten, was wir entscheiden, was wir tun werden, wie wir vorgehen“, so Biden. „Wir befinden uns an einem Wendepunkt in der Zeit nach dem Kalten Krieg“, erklärte US-Außenminister Antony Blinken. „Wenn wir nicht vorangehen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder tut es niemand, oder unsere Gegner tun es“. 

Die Dynamik eines unberechenbaren Krieges hat in der Vergangenheit aber auch zu Konflikten geführt. Als Pistorius vor knapp einem halben Jahr ins Amt kam, nach dem Rücktritt seiner Vorgängerin Christine Lambrecht, schwelte gerade die Debatte um den Einsatz von deutschen Leopard-Panzern. Deutschland hatte sich zunächst dagegen gesperrt.

Die Amerikaner erklärten sich schließlich bereit, US-Panzer bereitzustellen, was die deutsche Blockade löste. „Der erste Besucher in meinem neuen Büro war Lloyd Austin“, erinnerte sich Pistorius in Washington.

Inzwischen werden Lieferungen von Kampfjets, Langstrecken-Marschflugkörpern und sogar Streubomben diskutiert. Neue Waffensysteme seien jedoch zur Zeit keine Priorität, betonte Pistorius. Eher im Fokus stehen sollte die Reparatur bestehender Waffen und der Nachschub von Munition. 

Noch sind die USA die tragende Säule der ukrainischen Verteidigung, seit Ausbruch des Krieges haben die USA 113 Milliarden US-Dollar an militärischen und wirtschaftlichen und humanitären Mitteln genehmigt, gefolgt von der EU (67 Milliarden US-Dollar) als zweitgrößtem Geldgeber. Doch je länger der Krieg anhält, desto schwieriger wird es für US-Präsident Joe Biden, den Rückhalt für seinen Ukraine-Kurs aufrecht zu halten.

US-Unterstützung für Ukraine

Einige Republikaner im US-Kongress wollen neue Ukraine-Hilfen blockieren. Und es ist durchaus möglich, dass bei den Präsidentschaftswahlen 2024 ein Republikaner wie Donald Trump die Macht übernimmt, das Engagement für die Ukraine und die Nato zurückfährt. 

„Ich bin ein Kind des Kalten Kriegs und ich bin mit dem Vertrauen aufgewachsen, dass die USA an der Spitze der Nato unsere Freiheit und Sicherheit verteidigen werden, wenn es darauf ankommt“, mahnte Pistorius in Washington. 

Auch ohne Trump im Weißen Haus ist die Gemengelage schon jetzt schwierig. Auf dem Capitol Hill läuft eine Debatte darüber, wie lange die US-Produktion mit dem Waffenverschleiß der Ukraine noch mithalten kann.

Die Nato-Verteidigungsminister arbeiten an Plänen, wie man den Waffenbedarf der Ukraine langfristig sichern könne, ohne die eigenen Bestände zu gefährden. Die Belastung der Rüstungsindustrie dürfte auch Thema sein beim Nato-Gipfel in Vilnius am 10. und 11. Juli. 

Interessanterweise rückte Pistorius auch ein deutsches Engagement in Asien in den Fokus des Besuchs. Der Indopazifik gilt für die US-Regierung als zentrale Zielregion, um Chinas militärische Ambitionen im südchinesischen Meer einzudämmen.

Pistorius legte nahe, dass die Amerikaner und Europäer in dieser Frage gemeinsam agieren könnten. „Wir sehen auch eine europäische Verantwortung für den indopazifischen Raum“, sagte er. 

Kürzlich hatte Pistorius mit Indien über die Erleichterung des Verfahrens für Waffenkäufe gesprochen. „Ich bin überzeugt, dass wir mehr Waffenlieferungen vornehmen sollten“, sagte er nun der „New York Times“. „Das heißt nicht, dass wir die Welt mit deutschen Waffen überschwemmen wollen. Das muss noch mit Augenmaß geschehen.“

Mehr: USA erwägen Lieferung von Streubomben an die Ukraine



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