Sep 12, 2023
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Naher Osten: Israels Ex-Premier Ehud Barak warnt vor Justizreform

Written by Pierre Heumann

Tel Aviv Ehud Barak zählt zu den profiliertesten Kritikern der israelischen Justizreform – und spricht von der „gravierendsten Krise seit 75 Jahren“. Der ehemalige israelische Regierungschef und Ex-Verteidigungsminister hält den Kampf gegen das Vorhaben der Regierung „für wichtiger als viele Kämpfe, die wir seit der Staatsgründung ausgetragen haben“.

Dieses Mal gehe es „um Selbstverteidigung gegen eine Regierung, die illegal handelt“, sagte er im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Jeder Bürger habe deshalb nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, gewaltfrei gegen das Vorhaben der Regierung zu rebellieren. „Wir müssen die Demokratie verteidigen.“

Am Dienstag beginnt ein wichtiger Abschnitt des Justizumbaus. Die 15 Richter des Obersten Gerichts beraten über ein Gesetz, mit dem die Kompetenzen der Justiz stark eingeschränkt werden sollen.

Es ist Teil eines umfassenden Gesetzesvorhabens der rechts-religiösen Regierung, um die Justiz zu schwächen.

Sollte sich das Gericht gegen das Gesetz stellen und die Regierung die Entscheidung nicht akzeptieren, droht dem Land eine Staatskrise.

Wie mächtig darf das Oberste Gericht sein?

Kritiker stufen das Gesetz als Gefahr für Israels Demokratie ein. Die Regierung argumentiert hingegen, das Oberste Gericht sei zu mächtig und mische sich zu stark in politische Fragen ein. Gegen den Umbau der Justiz protestieren seit Monaten Hunderttausende Bürger.

>> Lesen Sie dazu auch: Die israelische Tech-Branche fürchtet ihren Untergang

Aufgrund der massiven außerparlamentarischen Opposition hat die Regierung die Umsetzung des Plans zwar verzögert, doch Barak bleibt skeptisch. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu halte an seinen ursprünglichen Plänen fest, die Gewaltenteilung zwischen der Exekutive, der Legislative und dem Obersten Gerichtshof zugunsten der Regierung zu verschieben.

Insgesamt seien mehr als 200 Gesetze in Vorbereitung, mit denen Israels Demokratie definitiv begraben würde.

Die Regierung habe, sagt Barak, den Bereich der Legitimität verlassen. Ein Kabinett könne einen Krieg erklären, Frieden schließen oder die Prioritäten im Staatshaushalt verändern. Aber auf keinen Fall dürfe es die Basis des Regierungssystems verändern, um persönlichen Interessen von Politikern zu dienen.

„Das gehört nicht zum Mandat der Regierung.“ Die Rechtmäßigkeit der letzten Wahlen zweifle er zwar nicht an. Aber es sei nicht statthaft, die Demokratie mit den Mitteln des Rechtsstaats zu beenden.

Militärreservisten protestieren gegen Justizreform

Am Tag vor der erwarteten Gerichtsverhandlungen zum umstrittenen Justizumbau kam es zu einer Protestaktion vor dem Haus des Justizministers.


(Foto: dpa)

Was die Regierung vorhabe, sei keine Reform, sondern ein „kalter Putsch“. Gegen Netanjahu laufe bekanntlich ein Prozess, unter anderem wegen Korruptions- und Bestechungsverdacht. „Damit er von der Justiz nichts zu befürchten hat, setzt Netanjahu alles daran, den Regimewechsel möglichst schnell durchzuziehen.“

Ehud Barak zählt zu jenen, die sich Netanjahu in den Weg stellen. Laut dem US-Portal Politico hat er für seinen Kampf gegen die umstrittene Justizreform in der letzten Woche das amerikanische Lobby-Büro Trident DMG verpflichtet. Es soll in den kommenden drei Monaten für insgesamt 75.000 Dollar „strategische Kommunikation zur Unterstützung der Pro-Demokratie-Bewegung in Israel anbieten“.

Den Auftrag erhielten die Amerikaner von der Nichtregierungsorganisation „Blue and White Future“ (BWF), einer israelischen Aktivistengruppe, in deren Vorstand Barak vertreten ist. Barak will dazu zwar keine Einzelheiten nennen. Aber es sei richtig, dass er „hinter den Kulissen“ die Proteste aktiv unterstütze. Eine Einigung mit den Reformbefürwortern schließt er aus: Ein Kompromiss mit Netanjahu sei nicht möglich, „da ihm niemand traut – nicht einmal seine Koalitionspartner“.

In der Armee blicken die meisten skeptisch auf die Pläne

Barak weiß das Verteidigungsestablishment hinter sich: „80 Prozent der altgedienten Führungskräfte in der Armee, im Mossad und in den Geheimdiensten“ dächten wie er. Unter den Profi-Reservisten gäbe es ebenfalls Reformkritiker. In der Luftwaffe seien es etwas mehr als 2000, weitere 15.000 kämen in Spezialeinheiten dazu, zum Beispiel bei den Cyber-Kämpfern.

Sie fühlten sich der Demokratie verpflichtet. Wenn die Vertragsbedingungen geändert und das ganze System eine De-facto-Diktatur werde, komme der freiwillige Dienst für sie nicht mehr infrage. Israels Feinde, die Iraner und die Hisbollah, würden das vermutlich als Schwächung der Widerstandskraft begrüßen.

Aber, sagt Barak, weder der Iran noch die Hisbollah sollten Israel auf die Probe zu stellen. „Im Fall eines Angriffs würden „wahrscheinlich alle freiwilligen Reservisten, die jetzt mit der Verweigerung drohen, zu ihren Einheiten zurückkehren“.

Proteste in Israel

Demonstranten halten ein Transparent mit der Aufschrift „Lasst das Land brennen“ hoch. Auf ihm sind Netanjahu und seine Frau abgebildet.


(Foto: dpa)

Die Schwächung der Justiz berge das Risiko, dass Offiziere und Politiker vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag antreten müssten. Ihr Sicherheitsnetz sei derzeit die Tatsache, dass Israel über ein unabhängiges und starkes Justizsystem verfüge.

Werde dieses aber geschwächt, sei es denkbar, „dass Armee-Angehörige oder Politiker aufgefordert werden, ihre Handlungen in Den Haag zu erklären“.

Bereits jetzt schadeten die Reformen der Wirtschaft des Landes enorm, meint Barak. Die Landeswährung habe seit Januar an Wert verloren, Ratingagenturen haben Israel zurückgestuft, und viele Israelis haben Gelder ins Ausland verschoben. „Darunter leidet der Tech-Standort.“

Die Gründung von Start-ups setze einen freiheitlichen Geist voraus. Dieser sei der „Sauerstoff“, ohne den die Unternehmen nicht atmen könnten. Es sei deshalb wenig überraschend, dass die Spitzen der Hightech-Industrie zu den Ersten gehörten, die vor den Folgen der Reform warnten.

„Sie sind nicht von der Regierung abhängig, das gilt natürlich vor allem auch für die vielen ausländischen Investoren.“ Deshalb könne die Regierung keinen Druck auf sie ausüben.

Der Frage, ob Start-ups ihre Drohung wahr machen und ihre Aktivitäten ins Ausland verlagern, weicht Barak zunächst aus und sagt: „Ich bin überzeugt, dass wir die Reform verhindern werden.“ Und falls nicht? Einige Jungfirmen, räumt er ein, würden wohl eine Verlagerung ins Ausland erwägen. „Aber sie werden im Ausland die typisch israelische Atmosphäre vermissen, die für neue Ideen und Lösungen so förderlich ist.“

Mehr: Staatskrise in Israel strapaziert Partnerschaft mit den USA



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