Berlin Es wirkt paradox: Obwohl China längst zum systemischen und wirtschaftlichen Wettbewerber des Westens aufgestiegen ist, bekommt die Volksrepublik noch immer vergünstigte und staatlich abgesicherte Kredite von der KfW. Laut Handelsblatt-Informationen stehen diese nun jedoch im Rahmen der Erarbeitung der China-Strategie erneut auf dem Prüfstand.
Die Förderung ist seit Jahren umstritten. Doch während die klassische bilaterale Entwicklungszusammenarbeit aus dem Bundeshaushalt bereits 2009 von dem damaligen Entwicklungsminister Dirk Niebel mit Verweis auf die starke Wirtschaftskraft Chinas eingestellt wurde, läuft die Förderung durch die KfW-Kredite weiter.
„Es stellt sich die Frage, ob diese Form der „Entwicklungshilfe“ noch angemessen ist“, heißt es in einem internen Papier des Bundeswirtschaftsministeriums, das dem Handelsblatt vorliegt. Die Bundesregierung führe derzeit regierungsinterne Gespräche über die Frage des zukünftigen Umgangs mit solchen Krediten, bestätigt das Entwicklungshilfeministerium (BMZ).
Das Wirtschaftsministerium stört sich nicht nur daran, dass das entwicklungspolitisch begründete China-Geschäft der deutschen Entwicklungsbanken (KfW, DEG) mit „Chinas faktischem Status als Industrieland“ unvereinbar sei. Die Beamten kritisieren auch, dass es sich bei den geförderten Projekten häufig um Infrastrukturprojekte mit „fragwürdigem Klimabeitrag“ handele.
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So wird aktuell ausgerechnet der Aufbau einer Zugverbindung von der Hafenstadt Tianjin zu dem neuen internationalen Flughafen Daxing in der Nähe von Peking gefördert. Der sternförmige hochmoderne Verkehrshub ist ein Prestige-Projekt von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und soll dafür sorgen, die Kapazitäten des äußerst klimaschädlichen Verkehrsträgers in der chinesischen Hauptstadt zu vervielfachen.
Wie aus einer Auflistung der KfW hervorgeht, beträgt der Förderkredit der KfW für die Zugverbindung, die die Passagiere zu dem Flughafen bringen soll, insgesamt 70 Millionen Euro. Die KfW argumentiert, das mit der Maßnahme der Verkehrsträger Bahn gestärkt werden soll, „um Treibhausgasemissionen des motorisierten Individualverkehrs zu reduzieren und so zum globalen Klimaschutz beizutragen“.
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Auf Nachfrage betont das BMZ, dass es sich bei dem Vorhaben um eine ältere Kreditvergabe handelt. Zwischenzeitlich habe das BMZ das Ambitionsniveau der angestrebten Umwelt- und Klimawirkungen im Kontext der Förderkredite „stetig“ erhöht.
Auch andere Kredite zu Vorzugskonditionen werfen Fragen auf. So werden mit einem KfW-Förderkredit über 15 Millionen Euro Verkehrsteuerungssysteme in der chinesischen Stadt Huainan finanziert – auch hier ist der Klimabeitrag nur mit viel Fantasie ersichtlich. Der durch diese Systeme verbesserte Verkehrsfluss führe zu einer Reduzierung der klimaschädlichen Abgase im Straßenverkehr und damit zu einer verbesserten Luftqualität, argumentiert die KfW.
Selbst die explizit unter dem Label Umwelt- und Klimaschutz ausgewiesenen Projekte muten aus Sicht eines Brancheninsiders, mit dem das Handelsblatt gesprochen hat, seltsam an. So ist es äußerst fraglich, wie diverse Projekte zur Aufforstung einen substanziellen Beitrag zur Emissionsreduzierung des größten Emittenten klimaschädlicher Treibhausgase der Welt leisten sollen – und wie deren Umsetzung überhaupt überprüft wird.
Einzeln betrachtet mögen die Projekte zwar als Kleinvieh anmuten – zumal, wie das BMZ betont, Gelder eingesetzt werden, die die KfW am Kapitalmarkt aufnimmt. Es kämen keine Haushaltsmittel zum Einsatz.
Doch die Beträge summieren sich – und all das, was in China investiert wird, steht eben nicht in anderen Ländern zur Verfügung: So rechnet das Bundeswirtschaftsministerium vor, dass allein in den Jahren 2013 bis 2020 China Vorzugskredite in Höhe von knapp über drei Milliarden Euro gewährt wurden.
Auch 2021 noch beliefen sich die KfW-Darlehen für die Volksrepublik laut Entwicklungshilfeministerium auf immerhin rund 81 Millionen Euro.
Dem Bundeswirtschaftsministerium wäre es am liebsten, wenn sich die Bundesregierung rasch auf ein Auslaufen der Kredite einigen würde. Auch Vertreter der Ampel-Koalition fordern ein Auslaufen.
Till Mansmann, entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, plädiert dafür, die derzeit laufenden Kreditversprechen noch einzuhalten. „Wir sollten zeigen, dass wir vertrauensvolle und Partner sind, denen Vertragstreue wichtig ist“, so Mansmann. „Doch nach Ende der Laufzeit sollten die Kredite nicht noch einmal neu aufgelegt werden, damit sich die KfW auf die Unterstützung unserer Partnerländer in der klassischen Entwicklungszusammenarbeit konzentrieren kann“, fordert der FDP-Politiker.
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Einer der Gründe, warum trotz der verbreiteten Skepsis die Kredite derzeit noch weiterlaufen ist politischer Natur. Denn die Finanzierungen werden auf die offizielle Entwicklungshilfequote von 0,7 Prozent des BIP angerechnet, zu der sich Deutschland im Rahmen der Sustainable Development Goals (SDGs) verpflichtet hat. Die Gelder einfach umzuwidmen ist gar nicht so einfach, da formal einige Kriterien eingehalten werden müssen und Projekte in den Zielländern geschaffen werden müssen.
Dass China sich überhaupt noch für Entwicklungsunterstützung irgendeiner Art qualifiziert, liegt an der Einstufung der Volksrepublik als Entwicklungsland. Dieses beruht auf Kriterien der OECD, auf die sich das Entwicklungsministerium beruft.
Laut der Organisation gilt ein Land so lange als Entwicklungsland, bis seine Bürger drei Jahre in Folge im Schnitt mehr als 13.205 US-Dollar Einkommen pro Jahr zur Verfügung haben. China liegt mit 11.890 US-Dollar laut Weltbank momentan noch knapp darunter.
Das liegt jedoch auch an den enormen Einkommensunterschieden im Land. Während in Metropolen wie Peking und Shanghai sehr reiche Menschen leben, sind insbesondere auf dem Land viele noch bettelarm. Wären Peking und Shanghai eigene Länder, sagt Entwicklungsökonom Andreas Fuchs vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, würden diese längst nicht mehr als Entwicklungsland klassifiziert.
Die Grüne-Bundestagsabgeordnete und Entwicklungspolitikerin Deborah Düring hält das Kriterium zur Einstufung eines Staates als Entwicklungsland für überholt. „Man sollte darüber diskutieren, ob es noch sinnvoll ist, diesen Status allein auf Basis des Pro-Kopf-Einkommens festzustellen“, sagt sie. Vor dem Hintergrund einer wachsenden globalen Ungleichheit, sei diese Klassifizierung nicht mehr ausreichend. Einem einzelnen Land wie China den Status zu entziehen, hält sie allerdings nicht für sinnvoll. Die Kriterien müssten international ausgehandelt werden – und für alle Länder gelten.
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