Berlin Während innerhalb der Bundesregierung die Verhandlungen über die Aktienrente laufen, machen nun Befürworter und Gegner des Reformvorhabens mobil. Neben den Grünen sehen vor allem die Gewerkschaften die Pläne zum Aufbau einer kapitalgedeckten Säule in der gesetzlichen Rentenversicherung kritisch – sie fürchten einen Dammbruch.
„Wenn das Generationenkapital im Rahmen der Verabredung aus dem Koalitionsvertrag eingeführt werden soll, ist das zwar Unfug, aber relativ harmloser Unfug“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke dem Handelsblatt. „Meine Befürchtung ist jedoch, dass künftige Regierungen das Spiel weitertreiben könnten und dann irgendwann auch Beitragsgelder in der kapitalgedeckten Säule landen.“
Mit einmalig zehn Milliarden Euro werde das aber nicht gelingen, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dem Handelsblatt. Der FDP-Chef will das Projekt erweitern. In seinem Gesetzentwurf, den er mittlerweile an das Bundesarbeitsministerium geschickt hat, sei deshalb vorgesehen, dass in jedem Jahr zehn Milliarden Euro in die Stiftung Generationenkapital überführt würden. Zudem könne nicht benötigtes Staatseigentum als Sacheinlage gebucht werden.
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„Wenn wir den Vorschlägen folgen und gut 15 Jahre Zins und Zinseszins nutzen, dann wird das Generationenkapital die nötige Schwungmasse haben“, betonte Lindner. Ab Ende der 2030er-Jahre werde dann „eine spürbare Stützung des Rentensystems erreicht“.
Zehn Milliarden Euro Aktienrente? „Da ist jeder Tarifabschluss effektiver“
Die Beamten von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) arbeiten derzeit an einem zweiten Rentenpaket, das noch im ersten Halbjahr vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll. Es sieht neben dem Aufbau der kapitalgedeckten Säule eine Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus bei 48 Prozent des rechnerischen Durchschnittslohns vor. Innerhalb der Ampel gibt es augenblicklich vor allem bei den Grünen Vorbehalte, mehr als zehn Milliarden Euro in das sognannte Generationenkapital zu stecken.
Dass die zehn Milliarden Euro allein nicht ausreichen werden, weiß auch der Gewerkschaftschef Werneke. „Da ist jeder Tarifabschluss, den Verdi oder andere Gewerkschaften erzielen, effektiver, weil es für die Stabilität der Rentenfinanzen ja auf die Löhne ankommt“, sagte er.
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Werneke sieht aber die Bestrebungen der Liberalen, den Fonds mit höheren Summen auszustatten, skeptisch. Denn der Finanzminister bräuchte schon 340 Milliarden Euro Kapital, um bei einer fünfprozentigen Rendite einen Ertrag von 17 Milliarden Euro zu erwirtschaften, rechnet er vor. Diese Summe entspricht etwa einem Beitragssatzpunkt in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Rendite von bis zu neun Prozent realistisch?
Auch dass Lindner von sieben bis neun Prozent Renditeerwartung ausgeht, hält Werneke für gewagt: „Die erzielt man nur mit risikoreichen Aktienanlagen.“ Als Vorbild sieht der Bundesfinanzminister den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo), unter dessen Dach auch das Generationenkapital angesiedelt werden soll. Der mit gut 24 Milliarden Euro ausgestattete Fonds, aus dem die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll finanziert werden soll, hat seit seiner Auflage Mitte 2017 eine jahresdurchschnittliche Rendite von 8,6 Prozent erzielt.
Viele Grüne und auch Teile von Wernekes Partei, der SPD, halten es weiterhin für falsch, die gesetzliche Rente in größerem Umfang dem Kapitalmarktrisiko auszusetzen, wissen aber, dass sich die FDP ihren Wahlkampfschlager nicht nehmen lassen wird. Die Liberalen hatten ursprünglich weitreichendere Ideen einer „Aktienrente“, in die nach skandinavischem Vorbild auch Teile der gesetzlichen Rentenbeiträge eingezahlt werden sollten.
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Statt Geld in das Generationenkapital zu stecken, schlägt Verdi-Chef Werneke eine Reform der umlagefinanzierten Rente vor. „Wir müssen auch über die Einnahmebasis reden, und dazu gehört aus meiner Sicht auch eine Debatte über die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze.“ Das würde vor allem für Gutverdiener eine zusätzliche Belastung bedeuten.
Verdi-Chef lehnt Anhebung des Renteneintrittsalters ab
Eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters lehnt der Gewerkschafter dagegen ab. Denn sie würde aus seiner Sicht dazu führen, „dass viele Beschäftigte zwangsläufig mit Rentenabschlägen in den Ruhestand gehen werden“. Werneke verweist darauf, dass der Rentenbeitrag aktuell mit 18,6 Prozent von seinem historischen Höchststand von mehr als 20 Prozent Ende der 1990er-Jahre weit entfernt sei.
Einen maßvollen Anstieg um einige Zehntelpunkte zur Abfederung demografiebedingter Lasten halte er deshalb für durchaus verkraftbar. „Die Probleme bei der Beitragsbelastung haben wir nicht in der Renten- oder der Arbeitslosenversicherung, sondern bei Gesundheit und Pflege.“
Tatsächlich steht auch die Kranken- und Pflegeversicherung vor Finanzproblemen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) arbeitet an Reformvorschlägen. „Auf Initiative des Finanzministeriums ist der Kollege Lauterbach gesetzlich verpflichtet, einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die gesetzliche Krankenversicherung langfristig stabil finanziert wird. Das warte ich ab“, sagte Lindner.
Aber auch die Rente bleibt aus Sicht des Finanzministers eine Baustelle. „Die Rente muss jedenfalls nachhaltig finanzierbar sein, auch für die Beitragszahler“, betonte der FDP-Chef. „Eine Voraussetzung dafür ist das Generationenkapital, das ich als zusätzliche kapitalmarktbasierte Stütze der gesetzlichen Rente einführe.“
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