Brüssel Die europäischen Telekomkonzerne haben es schon oft versucht, aber so nah waren sie ihrem Ziel noch nie: Die EU-Kommission bereitet ein von ihnen verlangtes Gesetz vor, über das große Summen in den Ausbau der Telefonleitungen gesteckt werden sollen.
Das Geld soll von jenen kommen, die besonders viele Daten über das Internet verschicken, also vor allem Streaminganbieter wie Netflix und Youtube oder Cloud-Dienste. EU-Kommissar Thierry Breton startete am heutigen Donnerstag die Konsultationsphase für dieses Gesetz. Diese ist ein Zeitraum, in dem Rückmeldungen zu dem bisherigen Vorschlag noch berücksichtigt werden.
Es wäre „enorm vorteilhaft“ für die Bürger und Unternehmen in Europa, wenn die EU ein Gesetz erlassen würde, „das sicherstellt, dass alle relevanten Akteure ihren gerechten Beitrag an der Entwicklung der digitalen Infrastruktur leisten“, sagte Spaniens Telefónica-Vorstand Juan Montero Rodil.
Auf Englisch sprechen die Telekomunternehmen, darunter auch die Deutsche Telekom, von einem „fair share“, den die Big-Tech-Unternehmen zahlen sollten. Diesen Begriff haben auch die Beamten der EU-Kommission mittlerweile übernommen.
Dahinter steckt die Annahme, dass die bisherige Finanzierung der Internetinfrastruktur zwar von den Telekomunternehmen geleistet wird, es aber der Telekom zufolge für den Markt besser wäre, wenn die Anbieter der Inhalte zumindest einen Teil der Kosten übernähmen.
Druck kommt auch von der EU selbst
Diese Kosten steigen nach Darstellung der Telekomunternehmen stark und werden in Zukunft weiter steigen. Einige der Gründe dafür sind immer mehr Cloud-Anwendungen, mehr Streamingangebote, das Metaverse und neue Anwendungen über den schnellen Mobilfunkstandard 5G.
Während der Pandemie stieg nach Daten des Beratungsunternehmens Sandvine der Anteil des Internetverkehrs, der mit den größten sechs Inhalte-Anbietern Alphabet, Netflix, Meta, Microsoft, Apple und Amazon zu tun hat, auf mehr als 50 Prozent. Mittlerweile ist dieser Anteil nach Sandvine zufolge wieder etwas gesunken. Die Idee der Telekomunternehmen und der EU-Kommission ist es, nicht alle Anbieter von Inhalten mit Gebühren zu belegen, sondern nur die wichtigsten.
Druck dafür hat sich die EU auch selbst gemacht. Alle Bürger sollen bis 2030 mit Gigabit-Glasfaserleitungen versorgt werden, in allen besiedelten Regionen soll ein 5G-Signal empfangbar sein, heißt es in der Strategie „Digital Decade“, die 2021 beschlossen wurde.
Man beobachte interessante Entwicklungen am Markt und in der Übertragungstechnik, sagte eine hohe EU-Beamte, die nicht namentlich zitiert werden möchte. Deswegen müssten nicht alle Regeln geändert werden, aber man nehme das zum Anlass, über die Zukunft des Konnektivitätssektors nachzudenken. „Wir fragen in unserer Konsultation danach, ob wir etwas daran ändern müssen, wer zu dieser Transformation beitragen sollte“, sagte sie.
In der Kommission betont man, dass die Konsultation ergebnisoffen sei, es also auch zu keinen Änderungen an der Finanzierung kommen könnte. Doch die betroffenen Unternehmen halten das für unrealistisch. Breton und die Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager hatten sich im vergangenen Jahr bereits positiv zu der Idee geäußert, die Inhalte-Anbieter zur Kasse zu bitten.
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„Wir begrüßen, dass die Öffentlichkeit endlich konsultiert wird, befürchten aber, dass die Kommission den Forderungen der großen Telekommunikationsunternehmen nach Netzgebühren bereits nachgegeben hat“, sagt darum Christian Borggreen, Chef des Verbands CCIA Europe, in dem viele der großen Tech-Unternehmen wie Amazon, Apple, Alphabet und Meta vertreten sind.
Skepsis bei Regulierungsbehörden
Die Europäer bezahlten ihre Internetzugänge bereits und sollten nicht noch einmal indirekt über höhere Streaming- und Cloud-Kosten zahlen. „Die Botschaft von Regulierern, Konsumentenorganisationen, Zivilgesellschaft und Wissenschaftlern könnte nicht klarer sein: Eine Netzwerk-Gebühr einzuführen ist eine fürchterliche Idee“, sagte Borggreen.
Das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Berec) hat im Oktober 2022 tatsächlich kritisch zu der Idee Stellung genommen. Der Markt funktioniere und bedürfe keines Eingriffs, heißt es in einem Bericht.
Man habe das wahrgenommen, sagte ein Beamter der EU-Kommission. Jetzt sei man offen für die Antworten auf konkrete Fragen des Konsultationsverfahrens von Berec genauso wie von anderen Stakeholdern.
Die Konsultation soll zwölf Wochen dauern. Danach müsste die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag vorstellen, der dann vom EU-Parlament und den EU-Mitgliedstaaten auch überarbeitet oder abgelehnt werden könnte.
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Etwas weiter ist die EU-Kommission mit ihren Plänen für einen „Gigabit Infrastructure Act“, kurz „GIA“. Dieser soll den Ausbau von Internetleitungen durch vereinfachte Genehmigungsverfahren beschleunigen. Außerdem soll er vorschreiben, dass neue und kernsanierte Gebäude immer mit Glasfaseranschlüssen ausgestattet werden müssen.
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