Berlin Fünf Monate, eine Woche und zwei Tage, und noch immer keine Einigung. Das ist die bisherige Bilanz des von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplanten Energieeffizienzgesetzes. Mit dem Gesetz will er zum Schutz des Klimas den gesamtdeutschen Energieverbrauch senken, dafür Ziele festschreiben und die Unternehmen zu Sparmaßnahmen verpflichten.
Im Oktober hatte Habeck einen ersten Entwurf eingebracht. Doch der SPD und vor allem der FDP gehen die Pläne zu weit. Weitere Monate Wartezeit wird es aber nicht geben. Die Ampel hat sich im Koalitionsausschuss verständigt: Das Energieeffizienzgesetz soll zeitnah kommen. Wie genau, ist jetzt die große Frage.
Die Wirtschaft setzt große Hoffnungen in Liberale und Sozialdemokraten und darauf, dass sie noch deutliche Änderungen an dem Gesetz erwirken. Denn Industrievertreter haben berechnet, dass Habecks Pläne mit großen Lasten für die gesamte Volkswirtschaft einhergehen könnten.
Ihr Blick geht vor allem auf die zentrale Zielgröße in Habecks Gesetzentwurf: Bis 2030 sollen 24 Prozent weniger Endenergie verbraucht werden als 2008. Endenergie ist die Energie, die letztlich von den Haushalten und Unternehmen genutzt wird.
Es gibt zwei Wege, den Energieverbrauch zu reduzieren. Durch mehr Effizienz, vor allem durch neue Maschinen, die weniger Strom oder Gas verbrauchen. Oder auf direktem Weg, indem Anlagen abgeschaltet und Produktionen eingeschränkt werden.
Weniger Energieverbrauch, weniger Wirtschaftsleistung?
Alle sind sich einig: Der erste Weg soll im Fokus stehen. Die Wirtschaft herunterzufahren, um Energie zu sparen, kostet Wohlstand. Aber ist ein so großer Effizienzgewinn, um die Ziele allein dadurch zu erreichen, überhaupt möglich?
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Das hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) analysiert. Ergebnis: Deutschland müsste seine Energieeffizienz extrem steigern, um das Ziel aus dem Gesetz zu erreichen, ohne dass die Wirtschaftsleistung schrumpfen muss.
Die DIHK-Untersuchung liegt dem Handelsblatt vor. Mehrere unabhängige Ökonomen haben die Berechnungen geprüft und halten die Ergebnisse für plausibel. Der DIHK unterscheidet darin mehrere Fälle:
- Zwischen 2008 und 2021 ist die Energieeffizienz in Deutschland jährlich um 1,4 Prozent gestiegen. Bleibt das bis 2030 so, müsste auf viel Energie auf direktem Weg verzichtet werden. Das würde dazu führen, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2030 um fast neun Prozent schrumpft.
- Schon 2010 hatte sich die damalige Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Effizienzsteigerung auf 2,1 Prozent jährlich zu erhöhen, was bislang nicht gelungen ist. Selbst, wenn das jetzt klappen würde, würde das für das Einsparziel nicht reichen. Es müsste immer noch weitere Energie auf dem direkten Weg eingespart werden. So viel, dass das BIP bis 2030 um fast sieben Prozent schrumpfen würde.
- Die hohen Energiepreise im Zuge des Ukrainekriegs und der steigende CO2-Preis könnten es möglich machen, dass die deutsche Wirtschaft deutlich mehr in Energieeffizienz investiert. Eine Rate von 3,2 Prozent würde es möglich machen, dass das BIP nicht schrumpft, um das Ziel aus dem Gesetz zu erreichen. Selbst dann müsste aber noch Energie auf direktem Weg eingespart werden und würde das BIP zumindest nicht mehr so schnell wachsen.
Die Rechnung hat eine Einschränkung: Sie geht davon aus, dass in allen Bereichen ein gleich großer Anteil an Energie eingespart wird. Wenn der Energieverbrauch aber vor allem in den privaten Haushalten durch bessere Dämmung und effizientere Heizungen gesenkt wird, müssten weniger Unternehmen ihre Produktion einschränken und der BIP-Verlust fiele geringer aus.
Die Potenziale, aufgeteilt nach einzelnen Bereichen, sind allerdings nicht so leicht zu ermitteln. Und klar ist, dass die Haushalte nicht allein die komplette Energieeinsparung tragen können.
FDP sieht in Koalitionsbeschluss „möglichst schlankes Gesetz“
Das weiß man auch im Bundeswirtschaftsministerium. Dort verweist man auf Angaben, wonach die Energieeffizienz 2022 um 6,9 Prozent gestiegen sei. Das resultierte allerdings durch die hohen Energiepreise infolge des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, gibt eine Sprecherin zu.
Doch im Ministerium haben sie Hoffnung, dass das eine Trendumkehr ist: „Die Zahlen für 2022 zeigen, dass erhebliche Effizienzverbesserungen und Wirtschaftswachstum zugleich mit einer Reduktion des Energieverbrauchs erreicht werden können.“
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Doch dass das hehre Einsparziel von 24 Prozent bis 2030 wirklich im Gesetz landet, ist mit den Koalitionsbeschlüssen von Dienstag unwahrscheinlicher geworden. Darin heißt es bloß, das Gesetz soll eine EU-Richtlinie berücksichtigen.
Jene Richtlinie sieht ein Einsparziel von nur 22 Prozent vor. Und vor allem: Das Ziel gilt für die gesamte EU. Daraus lassen sich straffe Einsparziele nicht zwangsläufig ableiten. So sieht die FDP in dem Koalitionsbeschluss bloß eine „Eins-zu-eins-Umsetzung“ der EU-Richtlinie. Fraktionsvize Lukas Köhler will ein „möglichst schlankes Energieeffizienzgesetz“ verabschieden, um „unnötige Belastungen für die deutsche Wirtschaft“ zu vermeiden.
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