Das Kryptojahr 2022. Es ist ein Porträt des Scheiterns. Erst beförderte die Terra-Implosion den Kryptomarkt auf Bärenrallye. Jetzt gab das FTX-Desaster den vermeintlich vorläufigen Todesstoß. Das Resümee: erbärmlich. Die jüngsten Ereignisse wecken Erinnerungen an die Bankenkrise 2008. Aus Fehlern lernt man also doch nicht so schnell. Doch was ist schiefgelaufen? Im Folgenden die fünf Todsünden der gescheiterten Krypto-Börse FTX.
1. Domino-Geschäfte am Krypto-Markt
Zur Mitte des Jahres fielen milliardenschwere Lending-Dienstleister und Krypto-Hedgefonds wie Domino-Steine in einer Kettenreaktion in sich zusammen. Die Todesspirale zog sich bis in den klassischen Finanzsektor, als selbst das deutsche FinTech-Startup Nuri die Insolvenz verkündete.
Auch die nun gescheiterte Krypto-Börse FTX war massiv im bestehenden Kryptomarkt etabliert. Viele der insgesamt 69 Kapitalgeber wurden bereits identifiziert. Unter Ihnen: Temasek, Tiger Global, Ribbit Capital und Sequoia Capital. Auch Mike Novogratz’ Galaxy Digital, der Lending-Dienst BlockFi und der weltweit größte Vermögensverwalter BlackRock waren beteiligt. Der Verlust beläuft sich bereits auf mehrere hundert Millionen US-Dollar. Bis sich das Ausmaß der Auswirkungen gänzlich abschätzen lässt, wird noch einige Zeit vergehen.
2. “Money Glitch” birgt Gefahr
Bitcoin wurde als disinflationäre Kryptowährung, begrenzt auf 21 Millionen Coins, konzipiert. Ein Zeichen der Hoffnung gegen die ausufernde Geldpolitik und die exponentielle Verschuldung von Staaten. Mit der zunehmenden Adaption veränderte sich die Situation. Krypto-Börsen wie FTX erstellten plötzlich ihr eigenes Geld – in Form von hauseigenen Krypto-Token. Der Finanz-YouTuber Andrei Jikh erklärt die geläufige, aber noch unbestätigte “Money Glitch”-Theorie:
Ein Unternehmen erstellt den hypothetischen FTT-Token. Der Token wird durch die Inszenierung eines Nutzens künstlich wertvoller gemacht, sodass der Kurs steigt. Während das Unternehmen einen Großteil der Token behält, wird der Rest zerstört. So wird der Token noch wertvoller. Danach könnte die Firma die nun wertvollen Token zu Alameda Research senden, um sie als Sicherheit für einen Kredit zu hinterlegen.
Andrei Jikh
Der Anstieg des FTX-Tokens und das exponentielle Wachstum der Krypto-Börse seien erster ein Indiz gewesen. Der Punkt geht beinahe nahtlos in die nächste Todsünde über.
3. Kundengelder anderweitig benutzen
Das Debakel um die gescheiterte Krypto-Börse hinterlässt eine tiefe Narbe im Narrativ der digitalen Währungen. Sam Bankman-Fried benutzte das Kapital seiner FTX-Nutzer, um ein massives Liquiditäts-Loch seiner Zweitfirma Alameda Research zu stopfen. Die genau Summe ist dabei noch unbekannt, dürfte sich aber auf mehrere Hundert Millionen US-Dollar belaufen. Auf den Accounts der Anleger fiel das bislang nicht auf. Erst als es nach den Entwicklungen der letzten Tage zum regelrechten Bank Run kam, musste SBF dem Einhalt gebieten. Ein Auszahlungsstopp war die Folge.
Zeitsprung nach 2008: Die Parallelen zur Finanzkrise sind erdrückend. Auch als damals plötzlich viele Kunden an die Schalter drängten, waren Banken überfordert. Weil das Geld der Menschen anderweitig benutzt wurde – um Rendite zu erwirtschaften – konnte man schlichtweg nicht jeden auszahlen. Eine Todsünde.
4. Abhängigkeit von Sam Bankman-Fried
Große Krypto-Persönlichkeiten wie Sam Bankman-Fried, Changpeng Zhao oder Elon Musk polarisieren. Sie beeinflussen, stacheln auf und werden von vielen Investoren wie echte Rockstars gefeiert. Verwunderlich ist deshalb kaum, dass Kryptowährungen wie FTT, BNB oder Dogecoin massiv von deren Entscheidungen abhängen. Gefährlich wird es, wenn diese Persönlichkeiten die Befehlsgewalt über Millionen Nutzer und ihr Kapital besitzen.
Dass Kundengelder zur Rettung von Alameda Research benutzt wurden, wusste demnach nur SBF. Er habe anderen Führungskräften nicht von dem Schritt erzählt. Dass sich so viel Macht und Kontrolle bei einer Entität kanalisieren, grenzt an schieren Wahnsinn und erhöht das Risiko maximal.
5. Fehlendes Risikomanagement
Dass die viertgrößte Krypto-Börse der Welt eine Risiko-Management-Abteilung hat, ist selbstverständlich. Ein solches Team dient der Identifizierung, Bewertung und Kontrolle finanzieller, rechtlicher, strategischer und sicherheitsrelevanter Risiken für das Kapital und die Erträge einer Organisation. Auf der FTX-Blogseite gibt es einen umfassenden Beitrag zu den “Schlüsselprinzipien für die Marktregulierung von Krypto-Trading-Plattformen”. Gerade aber in dem Fall dieses Milliarden-US-Dollar-schweren Krypto-Kollaps fragen sich viele Beteiligte, wo das Notfall-Team war, das rechtzeitig hätte eingreifen müssen.
Es bleibt abzuwarten, warum niemand vorher eingegriffen hat, warum SBF Kundengelder für seine Zweitfirma unbemerkt abzweigen konnte und wie FTX so schnell wachsen konnte. Auf dem Weg zur beinahen Spitze der Krypto-Börsen beging man viele Todsünden, wovon einige letztendlich zum Scheitern führten. Mit dem BTC-ECHO Newsticker zum FTX-Kollaps bleibt ihr auf dem neuesten Stand.
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